Die Europäische Zentralbank (EZB) darf aus Sicht mehrerer Währungshüter trotz zunehmender Rezessionssorgen von ihrem Zinserhöhungskurs nicht abkehren.
Einen Tag nach dem abermaligen Jumbo-Zinsschritt der EZB wiesen Euro-Wächter vor allem auf den anhaltenden Inflationsschub hin. "Das Problem ist, dass sich Inflationsrisiken ausbreiten, und es besteht die Gefahr, dass sie sich festsetzen", begründete der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir am Freitag seine Einschätzung.
Seinem EZB-Ratskollegen Gediminas Simkus aus Litauen zufolge ist deshalb eine weitere Straffung der Geldpolitik notwendig, wie er am Freitag in Vilnius sagte. Kazimir erwartet, dass die Zinssätze im Dezember und auch in den ersten Monaten des nächsten Jahres weiter ansteigen.
Die EZB hatte am Vortag in einem erneuten Jumbo-Zinsschritt die Schlüsselsätze wie schon im September um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz liegt damit bei 1,50 Prozent. EZB-Chefin Christine Lagarde stellte nach dem Zinsbeschluss zudem weitere Zinsanhebungen in Aussicht. Kritik von politischer Seite, die EZB führe mit ihrem Kurs die Eurozone in eine Rezession, wies sie zurück. Eine Zentralbank müsse sich auf Preisstabilität konzentrieren, entgegnete sie.
Simkus zufolge müssen die Inflationsprognosen der EZB möglicherweise nochmals erhöht werden. "Es scheint, dass sie wieder nach oben korrigiert werden, insbesondere für das nächste Jahr," führte er aus. Bis jetzt rechnen EZB-Volkswirte für 2023 mit einer Rate von 5,5 Prozent. Neue EZB-Projektionen werden zur Dezember-Zinssitzung erwartet. Volkswirte, die die EZB-Geldpolitik regelmäßig verfolgen, haben ihre Prognosen bereits heraufgeschraubt. Sie erwarten nach einer Umfrage der EZB nun für 2023 eine Rate von 5,8 Prozent. In der Juli-Umfrage hatten sie noch 3,6 Prozent vorhergesagt. Für das laufende Jahr erhöhten sie ihre Prognose auf 8,3 von zuletzt 7,3 Prozent.
Die nächste Zinserhöhung der EZB wird dem niederländischen Ratsmitglied Klaas Knot zufolge mindestens 0,5 Prozentpunkte betragen. "Wir werden im Dezember erneut einen signifikanten Zinsschritt nehmen", sagte Knot am Sonntag im niederländischen Fernsehen. Wahrscheinlich werde es auf 0,5 oder sogar 0,75 Prozentpunkte hinauslaufen. "Wir sind noch nicht einmal in der Halbzeit."
Trotz zunehmender Rezessionssorgen hatte die Europäische Zentralbank (EZB) vergangene Woche den Leitzins um 0,75 Punkte auf nunmehr 2,0 Prozent angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz für Gelder, die Geschäftsbanken bei der EZB parken, wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Die Euro-Notenbank versucht damit, die Inflation wieder unter Kontrolle zu kriegen. Sie lag im Euro-Raum zuletzt auf dem Rekordniveau von fast zehn Prozent.
Der niederländische Notenbankchef ergänzte, vorerst gehe es erst darum, das sogenannte neutrale Niveau zu erreichen. Bei diesem wird die Konjunktur durch die Zinsen weder stimuliert noch abgewürgt. Auch nächstes Jahr werde die Geldpolitik weiter gestrafft. Dann sei mit kleineren Schritten nach oben zu rechnen, dafür aber mit einer Verkleinerung der aufgeblähten EZB-Bilanz, so Knot. Dann werde die Konjunktur ausgebremst, was aber nötig sei, um die Inflation in den nächsten 18 bis 24 Monaten von zehn wieder auf zwei Prozent zu drücken. Eine Teuerung von zwei Prozent gilt als ideal für die Wirtschaft.