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EZB warnt vor Folgen des schwächelnden Gewerbeimmobilien-Sektors

Abschwung bei Gewerbeimmobilien könnte Risiken für systemrelevante Verluste erhöhen
Patrick Baldia
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© APA/dpa/Boris Roessler | Nach Einschätzung der EZB hat der Gewerbeimmobilien-Sektor das Potenzial, wie ein Verstärker in Stress-Situationen zu wirken. Die Gefahr systemrelevanter Verluste in der Bankenbranche könne dann zunehmen

Die Europäische Zentralbank blickt mit Sorge auf den Abschwung der Gewerbeimmobilien-Märkte im Euroraum. Höhere Finanzierungskosten und schrumpfende Gewinne setzen dem Sektor schwer zu. Zwar entfielen nur 10 Prozent des Kreditengagements der Banken auf Gewerbeimmobilien und 30 Prozent auf Wohnimmobilien, teilte die EZB in einem am Dienstag veröffentlichten Aufsatz aus ihrem Finanzstabilitätsbericht mit. Von diesem Sektor alleine könne daher keine systemische Krise ausgehen.

Allerdings habe der Gewerbeimmobilien-Sektor das Potenzial, wie ein Verstärker in Stress-Situationen zu wirken. Die Gefahr systemrelevanter Verluste in der Bankenbranche könne dann zunehmen. Auch in anderen Teilen des Finanzsystems, die erheblich mit dem Gewerbeimmobilien-Sektor vernetzt sind, wie Versicherer und Investmentfonds, seien dann hohe Verluste möglich, erklärte die EZB.

Bauträger stehen derzeit durch sinkende Preise und schrumpfende Auftragsbücher unter Druck. Die Erholung im Markt für Gewerbeimmobilien nach der Coronakrise währte nicht lange. Sie endete mit den rasant steigenden Zinsen in der Eurozone. Die EZB hat im Kampf gegen die hohe Inflation ihre Schlüsselsätze seit dem Sommer 2022 bereits zehn Mal angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt mit inzwischen 4,00 Prozent auf dem höchsten Niveau seit dem Beginn der Währungsunion 1999.

Laut EZB ist im ersten Halbjahr 2023 die Zahl der Gewerbeimmobilien-Transaktionen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 47 Prozent eingebrochen. Fallende Immobilienpreise bremsten die Marktentwicklung. Die größten börsennotierten Vermieter im Euroraum werden der EZB zufolge derzeit mit einem Kursabschlag von über 30 Prozent auf den sogenannten Nettoinventarwert (NAV) gehandelt - ein wichtiges Maß zur Bewertung von Immobilienfirmen. Das sei der größte Abschlag seit 2008.

Nach Einschätzung der Währungshüter könnten die Gewinne von Immobilienunternehmen in den kommenden Jahren sinken und den steigenden Finanzierungskosten hinterhinken. Der Schuldendienst würde damit für die Firmen schwieriger. "Immobilienunternehmen sind im derzeitigen Umfeld anfällig für Verluste, was sich auf die Widerstandsfähigkeit der Kredite in den Büchern der Banken auswirkt", schrieben die Währungshüter. Banken und Nichtbanken sollten daher sicherstellen, dass Rückstellungspraktiken und Eigenkapital das Ausmaß der Verwundbarkeiten angemessen widerspiegeln. (apa)