Noch vor dem Einsetzen der aktuellen hohen Inflationsrate von annähernd zehn Prozent hat die Immobilienmarktkrise zu einem Kaufkraftverlust von 13 Prozent geführt. Zusätzlich beträgt derzeit laut Statistik Austria das durchschnittliche Jahres-Nettoeinkommen eines österreichischen Arbeitnehmers etwa 25.000 Euro – hingegen beträgt der Medianpreis für Wohnungen aktuell etwa 4.400 Euro pro Quadratmeter. Heute muss also eine Mehrzahl der Menschen in Österreich etwa 18 Jahresgehälter investieren, um eine 100 Quadratmeter große Wohnung zu kaufen – dazu kommen dann noch die Gebühren und die Einrichtung und zu allem Übel die seit 1. August 2022 in Kraft getretenen Regeln für Wohnungskredite. Seither sind mindestens 20 Prozent Eigenkapital einzubringen, zudem wurde die Kreditlaufzeit auf 35 Jahre beschränkt.
Besonders schwierig ist die Situation für jüngere Menschen, vor allem jene, die nicht oder noch nicht geerbt haben. Die Problematik wurde zwar bereits von der österreichischen Bankenlandschaft erkannt: So forderte der Bundesobmann der Bankensparte Willibald Cernko zuletzt im August 2023, dass an einem Konzept für Zinszuschüsse, Laufzeitverlängerung, Tilgungsunterbrechung oder zeitlich befristete reine Zinszahlungen gearbeitet wird. Eine Lösung, die echte Erleichterung bringt, ist hier allerdings nicht in Sicht – nachhaltiger erscheint es zudem, auf die Wohnungsgröße zu setzen.
Die durchschnittliche Nettowohnfläche in Österreich beträgt aktuell etwa 100 Quadratmeter, bei knapp vier Räumen. Allerdings wird bei den meisten Bewohnern nur während der Elternzeit viel Platz benötigt, sodass viele Wohnungen für den größten Teil des Familienlebenszyklus größtenteils leer sind. Nachher und auch vorher reichen zwei bis drei Räume in der Regel aus. Es stellt sich daher die Frage, wie wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll es ist, Wohnungen zu bauen, die während des größten Teils des Lebenszyklus zu zwei Dritteln leer stehen, aber gereinigt und zumindest zum Teil geheizt werden müssen.
Als Lösung können flexible Wohnungskonzepte für junge Menschen dazu beitragen, bezahlbaren und umweltfreundlichen Wohnraum zu schaffen und diesen dem weiteren Leben nach Bedarf anzupassen. Zu diesem Zweck können Kleinwohnungen vorübergehend mit anderen Wohnmodulen zusammengefasst oder separat für einen begrenzten Zeitraum vermietet werden.
Aus technologischer Sicht wurden dafür in den letzten Jahren immer flexiblere Wohnkonzepte entwickelt, die überwiegend aus modularen Bausystemen bestehen. Neben der langfristigen Flexibilität des Raumkonzepts zeichnen sich diese Konstruktionen aufgrund der standardisierten Werkstattfertigung durch kurze Produktionszeiten sowie eine hohe Liefer- und Kostengarantie aus.
Innovative Projekte des flexiblen Wohnens in Österreich
Wie dies architektonisch möglich ist, zeigen in Österreich Projekte wie Wohnbau Baugruppe LiSA von WUP architektur. Hier wurde eine Aneinanderreihung von kleinen selbstständigen Einheiten realisiert, die zusammengelegt und wieder getrennt werden können. Das Ateliergebäude mit einer Gemeinschaftsinsel in der Seestadt Aspern besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einem kompakten Gebäude und einer offenen Struktur. Das Gebäude selbst basiert auf einem Stützen-Plattensystem mit nichttragenden Außenwänden, bei dem nur die tragenden Elemente und Sanitärschächte vorgegeben werden. Das besondere bei dem Projekt ist, dass nur eine Zonierung vorgegeben ist – an der Außenseite befinden sich die privaten Freiraum- und Wohnzonen, hofseitig die halbprivaten, kommunikativen Ebenen, der Rest, wie zum Beispiel die Wohnungsgröße, kann durch die Nutzer selbst definiert werden. Dazwischen ist eine Filterzone mit Küche, Bad, Abstellraum et cetera zu finden.
Dem Projekt vorgelagert ist eine offene Struktur für die Erschließung sowie Platz für vielfältige Nutzungen wie private Gärten, gemeinschaftlich genutzte Terrassen und Kinderspielflächen. Damit wurde den Bewohnern ein möglichst großer Interpretationsspielraum geboten, in Form von gestaltbaren Flächen, die sich direkt vor der eigenen Haustüre befinden.
Ein weiteres Projekt ist das Kiubo-Wohnhaus in der Grazer Starhemberggasse. Das flexible Konzept resultiert aus den Erkenntnissen der Architekturpsychologie und sorgt mit viel Gemeinschaftsflächen für ein lebendiges Miteinander. Die Wohnmodule können flexibel aus-, um- und rückgebaut werden wie in einem Setzkasten.
Das vorgefertigte Basismodul (Holz) verfügt als autarke Wohneinheit über alle Ausstattungsmerkmale (Küche, Bad und Wohnbereich). Mittels integrierter Erweiterungsanschlüsse kann es rasch bedarfsgerecht über Anschlussmodule erweitert werden. Bei diesem System kann die Wohnungsgröße jeweils um ein Modul ergänzt werden.
Die Modularität der einzelnen Elemente ermöglicht damit auch Anpassungen an die notwendigen Bedürfnisse im Laufe der Nutzung, beispielsweise durch Anfügen oder Entfernen einzelner Teile zu anderen Wohnungen.
So kann ermöglicht werden, dass junge Familien bis zum Ende der Kleinkindphase die kleinere Wohnung nutzen, in der Phase mit den größeren Kindern ein oder mehrere Module ergänzen und nach dem Auszug des erwachsenen Nachwuchses das Modul wieder abgeben. Mit flexiblen Finanzierungsformen können auch Varianten des leistbaren Eigentums geschaffen werden, so Maša Jašarević, Kommunikationsleiterin bei Kiubo – indem zum Beispiel nur das große Modul im Eigentum erworben wird und das kleine in der Jugendphase angemietet werden kann. Bei Kiubo wird das ermöglicht, indem der Platz im „Terminal“ (bestehende Gebäudestruktur) gemietet und die einzelnen Module gemietet oder gekauft werden können. Dieser Platz – mit oder ohne Modul – kann als Garten oder Terrasse selbst genutzt werden oder mit Modul zum Beispiel als Studenten-, Single- oder Altenwohnung vermietet werden. Um das Miteinander und die Kommunikation in diesen Häusern besser zu organisieren, ist eine Online-Plattform in Arbeit. So kann dieses hybride System sich den Bedürfnissen der Menschen anpassen, sie über alle Phasen des Lebens begleiten und für leistbares Eigentum sorgen.
Zur Autorin:
Jasmin Soravia ist seit 2019 Vorsitzende des Urban Land Institut Austria. Sie ist Geschäftsführerin bei der Kollitsch & Soravia Immobilien, Beirat im Advisory Board GRÜNSTATTGRAU und Vorstand beim Travel Industry Club Austria.