Einige österreichische Messeteilnehmer meinten im Vorfeld der Expo Real, dass sie nach München fahren würden, um sich gegenseitig zu bemitleiden. Wie ist die Stimmung unter deutschen Projektentwicklern?
Francesco Fedele: Die Stimmung ist derzeit unterirdisch. Und das ist nicht verwunderlich. Man darf nicht vergessen, dass Projektentwicklungen eine sehr lange Vorlaufzeit haben. Was also heute gebaut wird, haben sich die Developer vor drei, vier Jahren ins Buch gelegt. Und damals hatten wir bekanntlich eine Zinslandschaft nahe null. Das heißt, Projektentwickler haben zur Unzeit ein fertig geplantes Grundstück, haben darauf eine Kostenbelastung, die Baukosten sind ja seitdem um rund 50 Prozent gestiegen, aber auch keine Käufer. Dazu kommen noch zehn Zinserhöhungen in nur zwölf Monaten. Das gab es noch nie. Und mir kann keiner erzählen, dass man so ein Szenario hätte einkalkulieren können. Für Projektentwickler kann es also kaum schlimmer laufen als derzeit.
Ist die Lage herausfordernder als 2007/08?
Die Finanzkrise war keine deutsche oder europäische Krise, sondern eine amerikanische. Zudem hat es sich dabei um eine Kreditkrise gehandelt, was aktuell ja nicht der Fall ist. Eigentlich haben wir eine Eigenkapitalkrise. Kredite gäbe es ja. Nur haben Developer keinen Absatzkanal mehr für ihre fertigen Projekte beziehungsweise können sie nicht mehr den Preis erzielen, mit dem sie kalkuliert haben. So trennt sich die Spreu vom Weizen. Es gibt zwar eigenkapitalstarke Projektentwickler, die in den letzten Jahren gut verdient haben und auch jetzt ein Projekt fertig machen können. Im besten Fall steigen sie aber bei null aus oder verlieren ein wenig Geld.
Nachträglich ist man natürlich immer schlauer, aber was war der größte Fehler? Dass zu viel Risiko genommen wurde?
Ich war vor kurzem bei einer Diskussion, da waren die Teilnehmer der einhelligen Meinung, dass in der Nachschaubetrachtung natürlich die Beleihungsausläufe (Loan-to-Value, Anm.) zu hoch waren. Dabei wurden sie in der Phase, in der alle finanziert haben, als angemessen angesehen. Aber jetzt, im Rückspiegel betrachtet, sind sie zu hoch. Und das macht die Projektentwicklung natürlich nicht einfacher.
Trauen Sie sich, eine Prognose abzugeben, wann es zu einer Bodenbildung bei den Zinsen kommen könnte und die Lage am Investmentmarkt sich entspannt?
Schaut man sich die Forward-Swap-Sätze an, so liegt der langfristige Zinssatz nur knapp ein Prozent unter dem aktuellen Niveau. Es könnte also noch etwas dauern. Andererseits gibt es starke Indizien, dass sich die Inflation in Europa zu beruhigen scheint. Auch die Kerninflation. Das Problem ist derzeit, dass nach wie vor keine Transaktionen getätigt werden. Die Gutachter meinen zwar, dass die Immobilienpreise um 30 Prozent zurückgegangen sind. Und auch wenn es dafür keine Beweise gibt, verkauft natürlich keiner um 30 Prozent unter dem Preisniveau, mit dem kalkuliert wurde. Ich glaube jedenfalls, und daran glauben auch viele andere, dass es ab der Jahresmitte 2024 wieder Transaktionen geben wird, die den richtigen Preis zeigen.
Das heißt: Auch im Finanzierungsgeschäft wird man noch etwas Geduld brauchen…
Das ist differenziert zu sehen. Bei BF Direkt haben wir eine Beratungsgesellschaft für Finanzierungskunden, die aktuell relativ viel zu tun hat. Eine weitere Gesellschaft unterstützt Kreditgeber. Auch hier gilt: Der „Beratungs-Case“ ist da. Wir sind aber auch Asset-Manager mit einer Tochtergesellschaft und haben darüber hinaus Kreditfonds, sind also auch Kreditgeber. Und wenn Sie jetzt die zuständigen Kollegen fragen, werden Sie sehen, dass die im Moment richtig viel zu tun haben.
Offensichtlich geben auch in Deutschland weiterhin Bankkredite den Ton an. Wie schaut es mit alternativen Finanzierungen wie Mezzaninkapital aus?
Das ist wie in Österreich. Die Landesbanken und Hypos finanzieren. Ich glaube, dass gute Projekte, egal welcher Assetklasse, in guten Lagen auch Käufer finden. Auch derzeit. Und für solche Projekte gibt es auch Finanzierungen. Wenn Sie mich auf Mezzaninkapital ansprechen: Ganz ehrlich, das gibt es heute nicht mehr. Mezzaninkapital ist ja so gut wie nicht besichert. Es ist ein natürlicher Reflex, wenn ein Projektentwickler, von dem die Bank verlangt, Eigenkapital nachzuschießen, zu einem Mezzaninkapitalgeber geht. Aber als Mezzaninkapitalgeber weiß man, dass die Chancen, das Geld nicht mehr zurückzukriegen, hoch sind.
Von nicht Wenigen ist auf der Expo Real zu hören, dass wieder die Zeit der Profis begonnen hat. Sehen Sie das auch in Deutschland so?
Ja. Aber wenn wir in die Presse schauen, wer derzeit pleitegeht, dann sind da auch echte Profis darunter. Warum? Weil der Zugang zu Kapital in den letzten Jahren zu einfach war. Und wenn der Zugang zu einfach war, kommen auch Profis in Versuchung, Projekte zu machen, die sie sonst vielleicht nicht gemacht hätten beziehungsweise bei denen sie mehr Eigenkapital gebraucht hätten.
Den vollständigen Artikel finden Sie in der Ausgabe 05/2023 des ImmoFokus.