Nach vielen Wochen des Feilschens haben sich die EU-Energieminister gestern auf eine Preisbremse für europäisches Erdgas verständigt. Künftig soll dadurch das Preislimit für Gas-Futures am Terminmarkt der niederländischen Gasbörse TTF an einen Referenzwert gebunden werden. Beim Referenzwert handelt es sich um einen Index mehrerer globaler Preiswerte für Flüssiggas (LNG).
Ausgelöst wird der beschlossene Korrekturmechanismus, wenn der Gaspreis über die Dauer von drei Handelstagen 180 Euro pro Megawattstunde (MWh) übersteigt und um 35 Euro über dem Referenzpreis liegt. Sind diese beiden Voraussetzungen gegeben und der Mechanismus damit aktiviert, gilt eine Art dynamischer Preiskorridor, der sich täglich an den Weltmarktpreisen orientiert. Gebote für Gas-Futures können dann nur bis zu einem Höchstpreis von 35 Euro pro Megawattstunde über dem Referenzpreis abgegeben werden.
Die erwähnten 180 Euro sind dabei nur für die Auslösung des Mechanismus relevant, nicht aber für die weitere Festlegung des zulässigen Future-Preise - es handelt sich also nicht um einen auf 180 Euro festgelegten Preisdeckel. Zur Veranschaulichung: Liegt der LNG-Referenzpreis an einem Stichtag bei 170 Euro, der Gaspreis aber bei 230 Euro, so darf für das Gas-Future nicht mehr als 205 Euro pro MWh geboten werden. Der Maximalpreis liegt also immer 35 Euro über dem Referenzwert.
Mit der Koppelung der Preise für Erdgas-Futures an den globalen Flüssiggasmarkt soll sichergestellt werden, dass künftig auch weiterhin Flüssiggas nach Europa geliefert wird. Die Überlegung: Wenn der Preis immer um 35 Euro über einem internationalen Richtwert liegt, bleibt der europäische Markt international weiter attraktiv. Setzte man außerdem den Kaufpreis von Erdgas fix auf 180 Euro fest, während andernorts wesentlich höhere Preise zu erzielen sind, gäbe es wirtschaftlich keinen Grund mehr, an Europa zu verkaufen.
Fällt der Referenzpreis unter 145 Euro, so verbleibt das Gebotslimit automatisch bei 180 Euro. Ist dies an drei aufeinanderfolgenden Tagen der Fall, wird der Mechanismus ausgesetzt. Außerdem gelten Ausnahmen, sollte die Versorgungssicherheit akut gefährdet sein.
Der deutsche Energieexperte Lion Hirth glaubt nicht, dass die Preisbremse auf Erdgas in Europa die erhoffte Wirkung erzielen wird. Seiner Einschätzung nach dürften sich die Gasgeschäfte in Richtung außerbörslicher Handel (Over the Counter) verlagern, wenn die Preise den Korrekturmechanismus auslösen. Die Folge wäre, dass sich das Handelsvolumen verringert, die Preise dadurch fallen und der Mechanismus wieder ausgesetzt wird, schrieb Hirth auf Twitter.
Hirth stützt sich dabei auf den Umstand, dass die Marktkorrektur ausgesetzt werden solle, wenn der Handel an der niederländischen Gasbörse TTF deutlich zurückgefahren wird. Ein ähnliches Szenario könne sich ergeben, wenn der Gasbedarf steige, wie das etwa für den Herbst zu erwarten ist. Vice versa schätzt Hirth, dass sich die Gasbestände im Frühling nur schleppend befüllen lassen dürften, da es durch eine Preisbremse an Verkäufern fehlen könnte.
Mit Blick auf die Versorgungssicherheit sei also dahingestellt, ob der beschlossene Mechanismus längeren Bestand hat. Schlimmstenfalls würde die Gaspreisbremse mehr schaden als nützen, befürchtet der Experte. (apa)