In den vergangenen drei Jahrzehnten hat die S+B Gruppe erfolgreich Projekte im Gesamtwert von etwa fünf Milliarden Euro abgeschlossen. Für die nächste Dekade sind bereits Projekte in Höhe von drei Milliarden Euro geplant. Beeinträchtigt die aktuelle Krise Ihr Unternehmen nicht? Geht sie an Ihnen spurlos vorbei? In Deutschland kommen immer mehr Developer unter Druck, einige mussten bereits Insolvenz anmelden.
Wolfdieter Jarisch: Seit 35 Jahren realisieren wir komplexe Projekte in Wien, Prag, Bukarest und Warschau. Ein bedeutender Aspekt, den ich hervorheben möchte, ist unsere tiefe Dankbarkeit gegenüber unseren Gründungsgesellschaftern, die stets einen erheblichen Anteil der Gewinne im Unternehmen belassen haben. Dies hat uns im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen in der Immobilienbranche einen beträchtlichen Eigenkapitalpolster verschafft. Diese Tatsache ist bemerkenswert und dürfte wohl nicht allzu oft anzutreffen sein. Die S+B Gruppe genießt bei den Banken ein hohes Ansehen. Wir werden bei Banken für Finanzierungen gerne gesehen. Aber eines ist auch klar: Die gestiegenen Zinskosten wirken sich auch auf unsere Projekte aus.
Vor 15 Jahren hat die Lehmann-Pleite die Immobilienwirtschaft erschüttert. Ist die aktuelle Situation mit 2008 vergleichbar? Sehen Sie Parallelen?
Meiner Meinung nach lassen sich keine direkten Parallelen ziehen. Die aktuelle Situation ist deutlich anders. Es hat sich viel ereignet, was nicht unmittelbar mit der Finanzkrise oder der Inflation in Verbindung steht, auch wenn es indirekte Auswirkungen gibt. Ein Beispiel hierfür ist die Covid-Situation, die uns das Arbeiten im Homeoffice gebracht hat. Es ist diskutabel, ob Homeoffice positiv oder negativ ist, wie viel davon wirtschaftlich gesund ist, wann und wie es nachteilig sein kann. Doch über eines besteht wenig Zweifel: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben, und wird nicht wieder verschwinden. Ich bin überzeugt, dass dies in vielen Fällen einen Mehrwert für unsere Mitarbeiter darstellt.
Der nächste Aspekt, den wir betrachten sollten, ist der Ukraine-Krieg. Dieses außergewöhnliche und hoffentlich einmalige Ereignis in diesem Ausmaß hat gezeigt, dass zu Beginn alle wie erstarrt waren. Viele spekulierten, dass die Russen einmarschierten und die Angelegenheit innerhalb eines Monats erledigt sei. Nur wenige prophezeiten, dass dieser Konflikt Jahre dauern würde. Anfangs herrschte Schockstarre und es schien, als würde nichts mehr funktionieren. Niemand wollte mehr liefern. Nach und nach jedoch wurde klar, dass das Leben weitergehen muss. Die Frage war, woher man die benötigten Materialien und Zuschlagstoffe bekommt. Schritt für Schritt wurden Lösungen gefunden, die möglicherweise effizienter waren als zuvor. Insbesondere bei den Zuschlagstoffen für die Fliesenproduktion wurden deutlich verbesserte Wege erschlossen.
Wo liegen die Verbesserungen?
Es ist nicht mehr notwendig, spezielle Materialien aus der Ukraine zu beziehen, die aus dortigen Bodenschätzen gewonnen werden und selten sind. Die Lieferketten haben sich angepasst und sind mittlerweile stabilisiert.
Wie kommt man auf die Idee, auf dem – damals im Volksmund „Donauplatte“ genannten – Areal einen ganzen Stadtteil, die D-City, im wahrsten Sinne des Wortes hochzuziehen?
Begonnen hat alles mit einem Garagenprojekt – neben dem DC Living –, das wir von der BAI und der Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum (WED) gekauft hatten. Ein schwieriges Projekt, denn mit Amisola Immobilien war bereits ein Fertigstellungstermin vereinbart gewesen. Aber wir haben uns das zugetraut. Wir waren in unglaublicher Zeitnot und mussten diese Garage in wenigen Monaten errichten. Sonst hätten wir ein hohes Pönale zahlen müssen. Wir wurden fristgerecht fertig. Dann stellte sich für uns die Frage – Was machen wir mit der Liegenschaft weiter? Auf diesem Grundstück hat es keine mögliche Bebauungskubatur gegeben. Um für dieses Grundstück Kubatur zu bekommen, war es notwendig, andere Grundstücke zu erwerben und abzutauschen. So ist eine Liegenschaft in der D-City nach der anderen von uns gekauft oder mit Vorkaufsrechten gesichert worden – wie zum Beispiel das Areal bei dem DC 2 und DC 3 und DC Waterline. Parallel dazu haben wir vor 13 Jahren auf der anderen Seite der Reichsbrücke mit dem Ankauf der Liegenschaft von der Cineplex-Gruppe und Minopolis eine Entwicklung begonnen.
Haben Sie bei den DANUBEFLATS von Anfang an mit einer derartig langen Projektdauer gerechnet?
Nein. Wir sind von einer Projektdurchlaufdauer von fünf Jahren ausgegangen. Wir haben jetzt eine Projektdurchlaufdauer von siebeneinhalb bis zehn Jahren. Je nachdem, wie kompliziert das Projekt ist. Aber mit dieser langen Projektdauer haben wir nicht gerechnet. Nein, auf keinen Fall.
Wir haben dort eine Widmung gehabt. Wir hätten dort auch ein Hotel, Büros oder ein Studentenhaus hinbauen können. Es wäre viel möglich gewesen. Von der Kubatur her hätten wir nur geringfügig weniger bauen können. Wir hatten uns aber dann entschlossen, einen Gegenpol zu der anderen Seite der Reichsbrücke zu bauen. Wir wollten ein Tor in die Donaustadt schaffen – und das ist uns, so glaube ich, durchaus gelungen.
Der Weg, den wir gegangen sind, war mühsam und steinig. Das muss man aber akzeptieren, wenn man so ein Projekt umsetzen möchte. Und: Es hat sich gelohnt.
Gibt es irgendetwas, was Sie, wenn Sie noch einmal am Anfang stehen würden, anders machen würden? Was nimmt man von so einem Projekt in das nächste Projekt mit?
Der städtebauliche Vertrag war für uns ein kalkulatorisches Problem. Wir hatten einen der ersten städtebaulichen Verträge abgeschlossen. Keiner hat genau gewusst, was die Stadt will und wie sich das ausgeht. Diese ganzen Punkte, die wir dort machen müssen oder wir uns verpflichtet haben zu machen, waren alles keine 0815-Punkte. Da sind eine Menge Auflagen auf uns zugekommen. Ich hätte mir gewünscht oder würde mir in Zukunft wünschen, dass es einen fixen Katalog gibt, mit dem man besser kalkulieren kann, damit man schon vor dem Liegenschaftskauf weiß, mit wie viel man rechnen muss. Bei uns wurde alles nachträglich vereinbart. Als ordentlicher Kaufmann kann ich nicht ein Projekt starten, ohne zu wissen, was es mich am Ende des Tages kostet und ob das wirtschaftlich positiv ist oder nicht. Städtebauliche Verträge sind ein „sinnvolles Instrument“ – brauchen aber mehr Kalkulationssicherheit.
Das vollständige Interview finden Sie in der Ausgabe 05/2023 des ImmoFokus.