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Gründerzeithäuser – vom Mietrecht bedroht

Georg Flödl ist geschäftsführender Partner von Immobilien Funk und Präsident des ÖVI - Österreichischer Verband der Immobilienwirtschaft
Georg Flödl MA, MRICS
Georg Flödl
Georg Flödl
© REMG/Stephan Huger

Im Rahmen der gerade in Diskussion befindlichen Novelle der Wiener Bauordnung ist das Thema der wirtschaftlichen Abbruchreife von Gründerzeithäusern wieder auf dem Tapet. Ein Manko der im Jahr 2018 erfolgten Novellierung der entsprechenden Bestimmung (§ 60 Abs. 1 lit. d) liegt darin, dass das öffentliche Interesse am Erhalt eines Gebäudes lediglich am Stadtbild festgemacht wird, während insbesondere in der politischen und medialen Debatte dieser Bestimmung offengelegt wurde, dass die Schutzmotive in Wirklichkeit durch andere Aspekte (Preisbegrenzungen des Mietrechts) mitbestimmt werden.

Gesamthafte Analyse

Die Frage des Umgangs mit dem Bestand (bloße Erhaltungssanierung, Aufstockung, Transformation, eventuell Teilabbruch, im Einzelfall auch gänzlicher Abbruch) sollte anhand einer gesamthaften Analyse von Bestand und Potenzialen (Nachverdichtung, funktionale Verbesserung, energetische Optimierung et cetera) geprüft werden. Die Wirkung auf das Stadtbild spielt dabei zweifelsohne eine wichtige Rolle, weitere Aspekte sind aber eben nicht minder relevant. Zum Beispiel weist der gründerzeitliche Bestand – insbesondere außerhalb des Gürtels – auch zahlreiche Objekte auf, die von Errichtung an deutlich geringere Qualitäten (Bausubstanz, strukturelle Qualitäten wie Geschosshöhen, teils sehr enge Stiegenhäuser et cetera) geboten haben als das „klassische Gründerzeithaus“, dessen Erhalt jedenfalls zu verfolgen ist.

Die nun vorgeschlagene Verschärfung der Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Abbruchreife ist kritisch zu sehen, nicht zuletzt auch deswegen, weil die neuen Begriffe „wirtschaftliche Ertragsoptimierungspotenziale“, „schuldhafte Vernachlässigung“ oder „Kenntnis“ einer „schuldhaften Vernachlässigung der Erhaltungspflicht“ mannigfaltige Auslegungsfragen aufwerfen.

Rechtlich besonders kritisch scheint die Regelung für den Rechtsnachfolger im Liegenschaftseigentum. Wie sollte der Nachweis geführt werden, dass er Kenntnis über die schuldhafte Vernachlässigung des Voreigentümers hatte oder haben musste? Soll hier ernsthaft eine Rückwirkung statuiert werden?

Fragwürdiger bürokratischer Aufwand

Alles in allem ist angesichts der vorgeschlagenen Bestimmungen der Eindruck zu gewinnen, dass ein drängender politischer Wille zu einem juristischen Wagemut geführt hat, der allen Beteiligten (vor allem dem Magistrat!) noch großes Kopfzerbrechen bereiten wird. Es ist dringend davon abgeraten, diese Bestimmungen zu beschließen, auch weil sie einen fragwürdigen bürokratischen Aufwand bedeuten. Der Schutz des Gründerzeithauses könnte und sollte über das Mietrecht und eine Lockerung der rigorosen Preisbeschränkungen (insbesondere nach Durchführung einer thermischen Sanierung) erfolgen. Dieser Weg wäre viel aussichtsreicher und ein besserer Anreiz für die Immobilieneigentümer!