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Günstiges Pflaster

Leistbarer Wohnraum. Abseits des Speckgürtels kann man in Niederösterreich durchaus noch günstig wohnen.
Ursula Rischanek

Leistbarer Wohnraum. Abseits des Speckgürtels kann man in Niederösterreich durchaus noch günstig wohnen.

Mödling, Baden, die Hinterbrühl, aber auch Klosterneuburg, Stockerau und Korneuburg, alles Städte im so genannten Speckgürtel, haben eines gemeinsam – sie gehören zu den beliebtesten Wohngegenden. Aus einem einfachen Grund: man wohnt nicht in Wien, ist aber gleich dort und auch die Infrastruktur inklusive Anbindung an den öffentlichen Verkehr passt. Dazu sind die Preise noch immer günstiger als in Wien: Während in der Bundeshauptstadt laut immopreise.at im März die durchschnittliche Quadratmetermiete für Wohnungen bei mindestens 12,50 Euro lag, waren es in Mödling und Baden rund 9,62 Euro. Und Wohnungseigentum war in der Bundeshauptstadt unter 3.300 Euro gar nicht zu haben. Zum Vergleich: der durchschnittliche Quadratmeterpreis für ein Haus im Bezirk Mödling lag im März laut immopreise.at bei 3.550 Euro, im Bezirk Wien-Umgebung waren es 3.156 Euro.

Allerdings: „Tatsache ist, dass der Speckgürtel für durchschnittliche Jungfamilien unleistbar ist“, sagt Niederösterreichs Fachgruppenobmann Georg Edlauer. Er gehe zwar davon aus, dass beispielsweise in Baden mit einem Quadratmeterpreis von 5.000 Euro für eine klassische Neubau-Eigentumswohnung der Zenit erreicht sei, betont auch Immo Contract-Geschäftsführer Stephan Pasquali, „aber leistbar ist das abgesehen vom Vergleich mit Wien trotzdem nicht“.

Bei diesen Preisen ist es also kein Wunder, dass die Zuzugs-Welle weiter schwappt und mittlerweile Tulln, Hollabrunn, Mistelbach oder auch Poysdorf, Gänserndorf oder Bruck an der Leitha erreicht hat. Hier sind die Preise noch mäßig – auch wenn sie in den letzten Jahren angesichts steigender Nachfrage angezogen haben. So muss man beispielsweise in Tulln beim Kauf einer Neubau-Eigentumswohnung auch bereits rund 2.800 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen, für den Quadratmeter Mietwohnung rund 8,11 Euro. Eine gebrauchte Eigentumswohnung hingegen ist laut Immopreisatlas.at um durchschnittlich 1.700 Euro zu haben. Anders als in Wien, wo nach Angaben Edlauers zwischen 6.000 und 7.000 Wohnungen fehlen, gibt es in den niederösterreichischen Städten keine derartigen Lücken. Maximal bei Wohnungseigentum werde es etwa in der Landeshauptstadt St. Pölten gelegentlich eng.

St. Pölten freut sich ebenfalls über regen Zuzug, ist Wien doch dank der guten Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel auch von hier gleichsam nur einen Katzensprung entfernt. „Dazu kommt, dass es durchaus noch preiswerte Wohnungen gibt“, so Edlauer. So bewegen sich die Mieten für Wohnungen mit durchschnittlichem Wohnwert bei 5,50 bis sechs Euro. Spitzenmieten würden schon einmal auch neun Euro erreichen, aber dies seien Ausnahmen. Wolle man ein Einfamilienhaus kaufen, müsse man mit durchschnittlichen Quadratmeterpreisen von 1.500 bis 1.700 Euro rechnen. „Die Kunden sind oft verblüfft, weil man um den Preis einer 80 Quadratmeter großen Eigentumswohnung in Wien hier ein schönes Einfamilienhaus bekommt“, sagen Edlauer und Pasquali. Apropos Einfamilienhaus: Baugründe schlagen je nach Lage mit 120 bis 200 Euro zu Buche. Dass diese in den nächsten Jahren massiv anziehen werden, glaube Edlauer nicht, habe doch die Stadt ausreichend für Baulandreserven gesorgt.

Eigentum gesucht

Generell sei Niederösterreich eher ein Eigentümermarkt, sagt Michael Molnar, Geschäftsführer von S Real. Gefragt seien bisher vor allem Einfamilienhäuser oder Reihenhäuser. Mittlerweile jedoch würden auch immer mehr urbane Typen den niederösterreichischen Wohnungsmarkt entdecken, so Edlauer. „Die wollen kein Haus und keinen Garten, sondern eine Wohnung“, sagt Molnar, der den Trend zu Wohnungen vor allem in Orten mit Wiennähe wie Korneuburg, Stockerau, aber auch Tulln und St. Pölten registriert. Diese sollten Balkon oder Dachterrasse und im Idealfall einen Autoabstellplatz aufweisen – und sich in Zentrumslage befinden. Kein Wunder, dass in diesem Segment zunehmend nun auch Investoren im frei finanzierten Bereich auf den Plan treten. Und zwar sowohl im Eigentums- als auch im Mietwohnungsbereich.

Denn auch die Nachfrage in letztgenanntem Segment wächst, scheut doch eine zunehmende Zahl an Wohnungssuchenden die finanziellen Risiken beim Kauf. Bisher allerdings sei der Mietwohnungsmarkt in der Regel von geförderten Wohnungen dominiert worden, so Molnar. Die meist gemeinnützigen Bauträger würden einen enormen Beitrag zum wirklich leistbaren Wohnen abdecken, ist Edlauer überzeugt. Zu Recht: einer ÖVI-Studie zum Thema „Leistbares Leben“ zufolge liegt die Wohnkostenbelastung für Haushalte in Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen bei 27 Prozent, für jene in Hauptmietwohnungen bei durchschnittlich 34 Prozent. Ein Manko gebe es allerdings: Durch überbordende Förderungsbestimmungen müssten die Bauträger oftmals so teuer bauen, dass man das nicht mehr als Beitrag zur Deckung des Grundbedürfnisses Wohnen bezeichnen könne. „Die Wohnbauförderung soll zielgerichtet sein“, fordert der NÖ Fachgruppenobmann.

Infrastruktur zieht

Eines haben die neuen Wachstumsgemeinden bzw. –regionen gemeinsam: Sie alle liegen an Schnellstraßen, Autobahnen, Zug- oder S-Bahnlinien. Der Preis allein ist demnach kein Argument, um nach Niederösterreich zu ziehen. „Die Infrastruktur ist auch im ländlichen Bereich enorm wichtig“, sagt Christine Weber, ÖVI-Landesstellenleiterin in Niederösterreich. „Gegenden, wo man nur auf den Individualverkehr angewiesen ist, werden zunehmend problematisch“, sind Edlauer und Molnar überzeugt. Die fehlende Anbindung ans Schienennetz werde auch in Zukunft dort die Immobilienpreise niedrig halten. Wie etwa im Waldviertel. „Die Gegend ist von Abwanderung geprägt“, sagt Pasquali. Günstig ist sie aber allemal: Der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei Mietwohnungen liegt unter fünf Euro und jener für ein Einfamilienhaus unter 700 Euro, dafür müssen eineinhalb bis zwei Stunden Fahrtzeit nach Wien in Kauf genommen werden. Meist mit dem Auto, da auch die Bahnverbindungen, sofern vorhanden, die Fahrtzeit nicht wesentlich verkürzen.

Günstig wohnen heißt nicht günstig leben

Allerdings: „Günstig wohnen heißt nicht gleichzeitig günstig leben“, so Molnar. Vielfach seien dann zwei Autos pro Familie notwendig – mit allen dafür anfallenden Kosten. „Da sollte man sich schon einmal durchrechnen, ob nicht beispielsweise eine höhere Miete für eine zentralere Wohnung unterm Strich billiger kommt“. Die Dominanz des Autos habe sich gedreht, nicht jeder wolle mehr ein eigenes haben, ist Molnar überzeugt. Angesichts dessen würden sich – zumindest im Speckgürtel – sicher zunehmend auch Alternativen wie Car Sharing durchsetzen.

Preise ziehen weiter an

Einig sind sich die Experten darin, dass auch am äußeren Rand des Speckgürtels die Preise noch anziehen werden. „Die Situation ist mit dem U-Bahnbau in Wien vergleichbar“, sagt Molnar. Sobald mit dem Bau einer Linie begonnen wurde, habe sich die Nachfrage verändert und die Preise hätten angezogen. Eine Überhitzung wie im bisherigen Speckgürtel erwarten die Experten jedoch nicht. Und auch da dürfte die Preiskurve demnächst abflachen: Es werde zwar immer eine schmale Kundengruppe geben, die sich auch diese Preise leisten könnten und wollten, aber „diese Käuferschicht wird kleiner“, ist Edlauer überzeugt.

Potentielle Käufer agieren verhaltener

„Die Preis-Rallye hat sich in Niederösterreich nicht so dramatisch eingebremst wie in Wien“, so Wilhelm Fetscher, RE/MAX DCI. „Wobei anzumerken ist, dass die Objekte deutlich länger am Markt bleiben als in den vergangenen Jahren.“ Die Investoren sind im Jahr 2014 weniger geworden, weil „die Angst, bei riskanten Investments Geld zu verlieren, gewichen ist!“ Für den durchschnittlichen Käufer von Wohnungen und Häusern ist es derzeit eher schwierig, weil „die Banken stark mit sich selbst beschäftigt sind und bei der Kreditvergabe sehr zurückhaltend agieren.“ Generell bemerkt man, dass aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage die potentiellen Käufer verhaltener agieren, als in den letzten Jahren.

Unrealistische Angebotspreise

Wohnungssuchende sollten sich allerdings von den hohen Preisen in den Einschaltungen nicht verunsichern lassen. Angebotspreise für gebrauchte Immobilien in Ostösterreich liegen um bis zu 25 Prozent über dem tatsächlichen Marktwert.

Dies will zumindest die Raiffeisen Immobilien Vermittlung (RIV) in einer Untersuchung festgestellt haben. Bei gebrauchten Immobilien driften die Angebotspreise und Marktwerte immer stärker auseinander. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Preise für gebrauchte Objekte zu stark an Neubauten orientieren. „Die meisten Verkäufer gebrauchter Häuser berücksichtigen die Wertminderung ihrer Gebäude nicht entsprechend. Das führt zu einer Aufwärtsspirale bei den Immobilienpreisen: Unrealistische Vorstellungen finden als Angebotspreise ihren Weg auf Internetplattformen und in Zeitungsinserate und verlocken dort zukünftige Verkäufer zu neuerlich überhöhten Preisvorstellungen.

Den Schaden haben am Ende die Verkäufer, die lange Monate auf unrealistisch ausgepreisten Objekten sitzen bleiben.“ erläutert Peter Weinberger, Geschäftsführer der RIV. Was vor einigen Jahren noch im Schnitt nach vier Monaten verkauft oder vermietet war, benötigt aktuell sechs Monate, um einen Abnehmer zu finden - trotz der im Zuge der Finanzkrise und des Bevölkerungswachstums stark gestiegenen Immobiliennachfrage.


"Für den Preis einer 80 Quadratmeter Wohnung in Wien bekommt man in St. Pölten ein ganzes Haus." - Stephan Pasquali, Immo-Contract Geschäftsführer

[caption id="attachment_758" align="aligncenter" width="150"]Stephan Pasquali (c) Immofokus Stephan Pasquali (c) Immofokus[/caption]

"Günstig wohnen heißt nicht gleichzeitig günstig leben." - Michael Molnar, S Real Geschäftsführer

[caption id="attachment_759" align="aligncenter" width="150"]Michael Molnar (c) ImmoFokus Michael Molnar (c) ImmoFokus[/caption]

"Infrastruktur ist auch im ländlichen Bereich enorm wichtig." - Christine Weber, ÖVI-Landesstellenleiterin in Niederöstereich

[caption id="attachment_760" align="aligncenter" width="150"]Christine Weber (c) ImmoFokus Christine Weber (c) ImmoFokus[/caption]
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