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Handel im Wandel

B-Lagen zunehmend unter Druck. Generell profitiert der Retailimmobilienmarkt in Österreich von der hohen Kaufkraft, der Nähe zum deutschen Markt, dem florierenden Tourismus und der daraus resultierenden Nachfrage nach Flächen.
Andreas Altstädter

B-Lagen zunehmend unter Druck. Generell profitiert der Retailimmobilienmarkt in Österreich von der hohen Kaufkraft, der Nähe zum deutschen Markt, dem florierenden Tourismus und der daraus resultierenden Nachfrage nach Flächen.

Der Trend zur Konzentration auf erstklassige Einkaufsstraßen und ausgewählte, frequenzstarke Einkaufszentren hat sich auch im ersten Halbjahr 2017 weiter fortgesetzt.

In diesen Lagen konnte das Mietniveau durchwegs gehalten werden und die angebotenen Flächen sind fast vollständig vermietet. Im breiteren Markt sind hingegen Preisrückgänge und steigende Leerstände zu verzeichnen. Die Nachfrageschwäche seitens der etablierten, großen Ketten kann durch Newcomer und den unverändert gerade in Wien starken Lebensmittelsektor nicht ausgeglichen werden. Die Situation ist nach wie herausfordernd. Die Gründe dafür sind die Verschiebung der Handelsumsätze in Richtung online sowie ein geändertes Konsumverhalten mit höheren Ausgaben für Gastronomie, Freizeit oder Reisen zu Lasten des klassischen Einzelhandels. Als Konsequenz daraus sinkt seit einigen Jahren die Einzelhandelsfläche pro Kopf.

210 Fußballfelder

Diese Abnahme an Pro-Kopf-Verkaufsfläche gibt es seit nunmehr vier Jahren in Folge. Heuer sind es immerhin um fast 200.000 Quadratmeter weniger als im Vorjahr. „Bis 2020 wird der stationäre Handel, gemessen am Höchststand 2013, etwa 8 Prozent an Fläche eingebüßt haben“, so RegioData-Chef Wolfgang Richter und weiter: „Das entspricht einem Minus von ungefähr 1,5 Millionen Quadratmetern – oder vergleichsweise 210 Fußballfeldern.“ Obwohl die Tendenz der Verkaufsflächendichte deutlich negativ ist, verfügt Österreich aktuell mit knapp 1,7 Quadratmetern pro Einwohner noch immer über eine der höchsten Dichten in Europa.

Während die Internetumsätze nach wie vor steigen und in einigen Branchen schon über ein Viertel des gesamten Umsatzes vom stationären Handel abziehen, steigen die Kosten für die Bewirtschaftung der Handelsflächen: Miete, Betriebskosten, Marketingaufwendungen etc. Viele Unternehmen verkleinern daher ihre Betriebstypen oder geben Standorte komplett auf. Neue Großflächen sind extrem selten geworden.

Sinkende Mieten bei Nachvermietungen

Im ersten Halbjahr 2017 wurden bei Nachvermietungen tendenziell sinkende Mieten verzeichnet. Eine Ausnahme stellen einige wenige Luxuslagen dar. EHL-Retailexperte Jörg Bitzer: „Der Trend zur Konzentration auf die Toplagen verstärkt sich immer mehr und mehr. Dies führt zu zunehmenden Problemen in sekundären Lagen. Mitunter sind das auch Lagen, die noch vor wenigen Jahren attraktive Standorte waren. Doch konzentrieren sich die Unternehmen jedoch zunehmend auf die absoluten Spitzenlagen und in diesen können die Spitzenmieten auch weiter ihr hohes Niveau halten. Die Quadratmetermieten betragen aktuell bis zu 400 Euro am Kohlmarkt, bis zu 250 Euro in der Kärntner Straße und bis zu 120 Euro in der Mariahilfer Straße. Vermieter abseits der absoluten Topstandorte, wie z.B. der Kärntner Straße, müssen aktuell bei Nachvermietungen gegebenenfalls auch eine geringere Miete akzeptieren.“

Von dieser Sonderentwicklung profitieren auch an Toplagen angrenzende Straßenzüge wie etwa Am Hof, wo für kleinere Geschäftslokale beachtliche 80 Euro pro Quadratmeter erzielt werden konnten. Allgemein ist die Entwicklung aber unbefriedigend. Das gilt nicht nur für Einkaufsstraßen mit lokaler Bedeutung, die schon traditionelle Sorgenkinder sind, sondern auch für Einkaufsstraßen, die noch vor wenigen Jahren ausgezeichnet performten. Beispiel dafür ist u.a. die Wollzeile, in der bereits fünf großflächige Leerstände verzeichnet werden, obwohl die Mietforderungen zuletzt deutlich reduziert worden sind.

Bei den Einkaufszentren konnten Donauzentrum, SCS und Auhof Center, die seit längerem überdurchschnittlich erfolgreich sind, die Mieten stabil halten und sind auch weitgehend vollvermietet. Schlechter gelegene oder noch nicht so gut etablierte Zentren, wie etwa Citygate oder die SCN, verzeichnen hingegen weiterhin hohe Leerstände. Das Gleiche gilt außerhalb der Großstädte auch für einen guten Teil der Fachmarktzentren, die die Onlinekonkurrenz und die veränderte Ausgabenallokation ebenfalls stark spüren. Von diesem Trend profitieren insbesondere frequenzstarke Ankermieter (z.B. auch Systemgastronomie), denen Flächen oft sogar noch deutlich günstiger als zu den sonst üblichen Konditionen angeboten werden.

Ein signifikantes Wachstum verzeichnet lediglich der Gastrobereich, in dem zu den etablierten Platzhirschen zusätzlich neue Anbieter nach Österreich drängen (z.B. Jamie’s Italian am Stubentor). Insbesondere in den Einkaufszentren entfallen auf Gastronomie und Entertainmentangebote immer größere Anteile der Gesamtmietfläche. Dieser Sektor ist für die Centerbetreiber nicht nur direkt als Mieter von stark steigender Bedeutung, sondern spielt auch eine Schlüsselrolle bei Modernisierungen und Aufwertungen. Damit sollen die Zentren insgesamt attraktiv gehalten werden, um der Onlinekonkurrenz zum Trotz ausreichend hohe Frequenzen sicherzustellen.

Tiefgreifender Wandel

„Der Einzelhandel erlebt einen tiefgreifenden Wandel“ sagt Bitzer. „Selbst für bestens eingeführte Einkaufsstraßen und Einkaufszentren reicht es nicht mehr, sich auf die traditionellen Platzhirsche zu verlassen. Wer nachhaltig erfolgreich sein will, muss auch neue, innovative Einzelhändler für sich gewinnen. Nur so bleiben Standorte spannend und es können Kundengruppen gewonnen werden, die sonst möglicherweise ins Internet abwandern würden.“ Auch wenn die Newcomer anfangs meist keine allzu großen Flächen anmieten, hätten diese doch das bei weitem größte Wachstums- potenzial: „Die Branchenriesen reduzieren tendenziell ihre Filialnetze, Wachstum kommt von den neuen Playern“, betont Bitzer. „Wir scannen daher kontinuierlich den internationalen Markt, identifizieren Konzepte, die nach Österreich passen und sprechen die Ketten dann auch direkt an, um mit ihnen Strategien für ein Roll-out in Österreich zu entwickeln.“

Stationär Präsenz zeigen

Walter Wölfler, Retail-Experte von CBRE, betont: „Für internationale Marken ist es wichtig, stationär Präsenz zu zeigen.“ Während der Buch- oder der Elektronikhandel flächenmäßig eher schrumpfen, sieht Wölfler in der Fashion-Branche wachsende Flächen. Hier gelte es, den Kunden ein Erlebnis – etwa durch Workshops und Live-Events auf der Geschäftsfläche – zu bieten und das gesamte Sortiment vorrätig zu haben.

Der Prozess ist nicht mehr zu stoppen

Keine Frage, der Onlinehandel verändert die Shopping-Landschaft. „Der Prozess ist nicht mehr zu stoppen.“ Ein Trend, der nicht nur den Handel an sich, sondern auch die Betreiber von Shoppingcentern vor neue Herausforderungen stellt. Konnten noch vor einigen Jahren Shoppingcenter durch einen differenzierten Branchenmix punkten, steht heute das Shopping-Erlebnis im Mittelpunkt – dabei spielt der Wohlfühlfaktor bei der Auswahl des Shoppingcenters eine wesentliche Rolle. „Viele Einkaufscenter stehen vor großen Herausforderungen. Verkaufsflächen werden zu Präsentationsflächen. Die Flächen werden andere Aufgaben bekommen“, sieht Claus Stadler, UBM Development AG, einen neuen Trend. „Die Shoppingcenter haben die Funktion des Dorfplatzes übernommen“, stimmt Michael Zöchling, SIGNA, zu. Ein gutes Beispiel sei hier das G3 in Gerasdorf. „Man trifft einander im G3, um gemeinsam Freizeit zu verbringen. Die Dörfer nördlich von Gerasdorf sind ausgestorben. Man geht nicht zum Wirten im Waldviertel essen, sondern zum Waldviertler Wirten im Einkaufscenter. Es ist eine Entwicklung, die man gesellschaftspolitisch nicht mögen muss, aber sie ist da. Das kann man nicht leugnen.“

Mehr Food und Entertainment

Gerade der Food- & Entertainment-Bereich gewinnt zunehmend an Bedeutung. Waren früher in Einkaufszentren etwa 5 Prozent der Flächen für den Bereich „Food and Beverage“ vorgesehen waren, sind es heute bereits 10 bis zu 15 Prozent, so Wölfler. Künftig seien auch 20 bis 30 Prozent denkbar. Ein weiterer Trend: „Fine Dining als Gegenstück zu Fast Food.“ „Gerade die Gastronomie hat vielfältige Möglichkeiten, sich den Rahmenbedingungen der Shoppingcenter anzupassen“, unterstreicht Ian Hanlon, Associate Director JLL Food Consulting, beim „Shoppingcenter Symposium“ Anfang Mai in Wien. Hanlon sieht den Gastronomieanteil in den Shoppingcentern mit zwischen 8 Prozent und 10 Prozent ein wenig niedriger. Wie Wölfler rechnet Hanlon mit einem Anstieg auf über 20 Prozent.

„Österreich bzw. Wien sollten auch in Zukunft zu den beliebtesten Einzelhandels-Destinationen gehören – vor allem aufgrund der Stabilität sowie der hohen Kaufkraft“, so Wölfler. Per Ende 2016 waren 38,3 Prozent der internationalen Einzelhändler bereits in Österreich vertreten, aufgrund dieses eher mittleren Internationalisierungsgrades werden auch bis Jahresende 2017 zahlreiche Neueintritte erwartet: u.a. Bolia, Bialetti, Decathlon, Jamie's Deli, Jamie´s Italian, Lipo, Tezyo, Tod´s, Wagamama, XXL, Yuno Pearls.