Der von der Hahn Gruppe jährlich herausgegebene Bericht wurde wieder in Kooperation mit CBRE, bulwiengesa und dem EHI Retail Institute erstellt. Dies sind einige der zentralen Erkenntnisse des Researchs und der Expertenbefragungen:
Grund- und Nahversorger wollen weiter expandieren
Trotz der wirtschaftlich eingetrübten Lage und den Widrigkeiten durch die Corona-Pandemie zählen Lebensmittelmärkte, Drogeriemärkte, Bau- und Gartenmärkte, Möbel sowie Hobby & Freizeit weiterhin zu den expandierenden Einzelhandelsbranchen. Sie weisen zudem eine überwiegend optimistische Umsatzerwartung für die zweite Jahreshälfte 2020 auf, so das Ergebnis der im Rahmen des HAHN Retail Real Estate Reports durchgeführten Expertenbefragung. Die genannten Sortimente waren von den Auswirkungen des Corona-bedingten Shutdowns am geringsten betroffen. Im Kontrast dazu hat die Expertenbefragung des Einzelhandels ergeben, dass die Händler in der Gesamtheit ihre Expansionsbestrebungen im Vergleich zu den Vorjahren zurückgefahren haben. So möchte mit 58 Prozent (Vorjahr: 44 Prozent) eine Mehrheit das jeweils bestehende Filialnetz halten oder sogar ausdünnen (siehe Grafik). Nur noch 42 Prozent der Befragten (Vorjahr: 56 Prozent) planen, zum Jahresende über mehr Standorte zu verfügen.
Fachmarktzentren sind das bevorzugte Expansionsziel des Handels
Bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie waren divergierende Trends hinsichtlich der präferierten Einzelhandelslagen und Objekttypen zu erkennen, welche nun durch die Corona-Krise nochmal an Dynamik hinzugewonnen haben. So gehen 77 Prozent der Befragten des Einzelhandels davon aus, dass sich Shopping-Center langfristig eher negativ entwickeln werden. 59 Prozent sind der Meinung, dass auch Nebenlagen von Oberzentren zukünftig an Attraktivität als bedeutende Einzelhandelsstandorte verlieren werden (siehe Grafik). Toplagen in Oberzentren (68 Prozent) und die Stadtkerne von Mittelzentren (64 Prozent) werden langfristig ähnlich positiv und als krisenresilient eingestuft. Noch besser schneiden Mixed-Use-Immobilien (84 Prozent) ab, die sich bereits Prä-Corona als Assetklasse steigender Beliebtheit bei Investoren und Händlern gleichermaßen etabliert haben. Die größte Zuversicht für eine langfristig positive bzw. stabile Entwicklung, auch nach Überwindung der Krise, haben die befragten Expansionsbeauftragten des Einzelhandels bei Fachmarktzentren (88 Prozent). Durch die in der Regel (nah-)versorgungsorientierte Ausrichtung dieser Standorte und die lebensmittelgeankerten Mieterstruktur waren diese Standorte nur am Rande von den Corona-bedingten Schließungen betroffen.
Kaufinteresse hat überraschend zugenommen – doch Investoren sind wählerisch Trotz der wirtschaftlichen Sondersituation nehmen die im Rahmen des HAHN Retail Real Estate Reports befragten Investoren hinsichtlich ihrer derzeitigen Investmentstrategie eine optimistischere Haltung als im Vorjahr ein. So wollen 58 Prozent bis zum Jahresende 2020 zum bestehenden Immobilienbestand stark bzw. moderat hinzukaufen (Vorjahr: 44 Prozent), siehe Grafik. Weitere 33 Prozent der befragten Investoren möchten den verwalteten Immobilienbestand halten (Vorjahr: 32 Prozent). Ein im Vergleich zu den Vorjahren geringerer Anteil von 8 Prozent möchte in den kommenden sechs Monaten den Immobilienbestand moderat beziehungsweise stark verkleinern (Vorjahr: 24 Prozent).
Die Investorennachfrage fokussiert sich aber auf nur einige wenige Objekttypen, nämlich Lebensmittelformate oder Objekte mit einem Ankermieter aus dem Lebensmitteleinzelhandel. Auf der Wunschliste ganz oben stehen entsprechend Supermärkte und Lebensmittel-Discounter (65 Prozent), dahinter Fachmarktzentren (61 Prozent) und SB-Warenhäuser/Verbrauchermärkte (43 Prozent). Ein deutlich verringertes Investmentinteresse besteht in diesem Jahr an Geschäftshäusern in 1A-Lagen (26 Prozent). Das Schlusslicht bilden Shopping-Center, die derzeit als mögliche Neuinvestitionen kaum eine Rolle in den Überlegungen der Investoren spielen.
Investoren/Banken sehen E-Commerce und Wirtschaftsentwicklung kritisch
Die bereits Prä-Corona existierenden Herausforderungen für den stationären Einzelhandel als auch für Handelsimmobilien-Investments haben nach Einschätzung der befragten Investoren und Banken beziehungsweise Finanzinstitute im Vergleich zum vergangenen Jahr teilweise weiter an Bedeutung gewonnen. Die jährlich wachsende Konkurrenz im Einzelhandel durch den E-Commerce (81 Prozent ggü. 91 Prozent im Vorjahr) sowie die Eintrübung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (79 Prozent ggü. 50 Prozent im Vorjahr) werden in diesem Jahr als die größten Herausforderungen bei Handelsimmobilien-Investments angesehen (siehe Grafik). Neu dahinter folgt die Corona-Pandemie mit 58 Prozent Nennungen. Der dynamische Wandel der Konsumpräferenzen hat im Vorjahresvergleich an Bedeutung eingebüßt (45 Prozent gegenüber 63 Prozent im Vorjahr).
Einzelhandelslandschaft wird durch Megatrends geprägt
bulwiengesa hat vier große Trends im Einzelhandel herausgearbeitet, die durch die Corona-Krise noch beschleunigt worden sind:
Standortpolitik
Insolvenzen bei Textil und Mode führen zu einem Flächenüberhang, gerade bei Shopping-Centern und Innenstadtlagen, und entsprechender Standortselektion des Handels. Die Gewinner sind gut eingeführte Standorte, die eine hohe Attraktivität auf die Kunden ausüben. Darüber hinaus gewinnen Nahversorgungszentren und Fachmärkte, die Lebensmittelhandel integriert haben.
Omnichannel
Stationärer Handel und Distanzhandel verschmelzen mit hoher Geschwindigkeit. Inzwischen setzen fast alle Händler auf einen funktionierenden Online-Kanal. Der wachsenden Konkurrenz aus dem Online Handel begegnet man mit Internetpräsenz. Zudem erwartet der Kunde Multi-Channel-Services wie Click & Collect oder die Abgabe von Retouren im stationären Handel.
Digitalisierung
Der Motor für die Digitalisierung im Handel sind Kosteneinsparungen. Angefangen bei der Steuerung der Warenwirtschaft über Self-Check-out bis zum Einsatz von Algorithmen zur Erfassung von Kundenwünschen werden Abläufe im stationären Handel zunehmend digitalisiert.
Nachhaltigkeit
Verstärkte Anforderungen an die Nachhaltigkeit haben immensen Einfluss auf die Warenwirtschaft (Verkehre, Verpackungen, Recycling), Produkte und Produktentwicklung (Bio-Produkte, nachhaltige Modeproduktion und Unternehmensführung sowie der Umgang mit den Zulieferern).
Pandemie und Gesamtwirtschaft entscheiden über Nachfrage am Investmentmarkt Im weiteren Jahresverlauf dürfte gemäß den Erwartungen von CBRE das Einzelhandelsimmobilientransaktionsvolumen in den verschiedenen Segmenten, zum einen durch mangelndes Angebot, zum anderen aufgrund einer verhaltenen Nachfrage, gebremst werden. Die meiste Dynamik dürfte bei kleineren und mittelgroßen Fachmarktzentren, die keinen größeren Fashion-Anteil haben, sowie bei Supermärkten und Discountern zu erwarten sein. Gleichzeitig dürfte der Druck institutioneller Anleger, in Immobilien zu investieren, im Jahresverlauf deutlich zunehmen. Treiber dieser Entwicklung sind der Nachholbedarf der Investoren, aufgrund des verhaltenen zweiten Quartals, sowie insbesondere auch die weiterhin niedrigen Niveaus fest verzinslicher Alternativinvestments. Davon dürften letztlich auch Einzelhandelsimmobilien in Deutschland, als einem der größten Märkte in Europa, der die Corona-Krise bisher vergleichsweise gut überstanden hat, profitieren.