Brauchen wir noch Büros? Definitiv, aber sie werden anders“, schickten die Gastgeber des Tages, Karl Friedl, Geschäftsführer von M.O.O.CON und Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer von DELTA, gleich zu Beginn vorweg. Wie radikal anders wir unsere Arbeitsumgebungen denken müssen, zeigten einige der Impulsvorträge am Podium.
So zum Beispiel war der Keynote-Speaker und Zukunftsforscher Harry Gatterer der Meinung, dass wir über Arbeitsplatzgestaltung und Technologie erst dann reden können, wenn wir ein neues Bild von Organisationen vor Augen haben. Dazu sei es notwendig, sich Fragen zu stellen wie: In welcher Wirtschaft operieren wir? Befinden wir uns noch immer in der Wachstums- oder eher in einer Postwachstumsphase? Was ist überhaupt ein Wirtschaftssystem und was heißt das alles für uns als Individuen und Unternehmen? Gesellschaft und Individuen müssen überhaupt viel stärker in das Denken eines Unternehmens integriert werden.
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6. Bauherrenkongress Linz, 28.01.2016[/caption] Schließlich müssen wir darauf vorbereitet sein, dass es auch anders kommen könnte, „denn Störung ist ja zu einem Grundprinzip unseres Alltags geworden.“ Deshalb müsse man auch den „Keine-Ahnung-wofür-Raum“ einplanen, in dem Neues entstehen kann, so Gatterer.
„Wir planen immer Keine-Ahnung-wofür-Räume“, versicherte Marta Schreieck, die Architektin des Erste Campus von Henke Schreieck Architekten. Unternehmen und Abteilungen können schrumpfen oder wachsen, Büros werden zunächst klein- dann großteilig gedacht. „Wichtig ist neutrale aber spannende Räume mit unterschiedlichen Atmosphären zu schaffen“, so die Architektin, „in denen Nutzungsänderungen möglich sind.“
So ist der Erste Campus als ein organischer Gebäudekomplex mit einer geschwungenen Fassade konzipiert worden. Dank dieser Form sind gute Sichtbeziehungen zwischen allen Arbeitsplätzen und der Stadt entstanden – mehr als 4.000 Mitarbeiter sollen hier künftig tätig sein – und Anpassungen in der Nutzung leicht möglich.
Als Heimathafen mit einer Vielfalt an Arbeitsumgebungen, die je nach Tätigkeit im Wechselspiel von allen Mitarbeiter genützt werden können, wurde das kürzlich umgebaute Wiener Büro von M.O.O.CON konzipiert. Austausch und Vernetzung, Flexibilität und Mobilität werden hier groß geschrieben und von verschiedenen Arbeitsmodulen unterstützt. Die Tätigkeiten der Mitarbeiter stehen hier im Vordergrund und geteilt wird alles – vom Schreibtisch bis zur Solo-Box. „Es geht nicht mehr um den eigenen Schreibtisch, sondern um das gemeinsame Büro verstanden als Heimathafen, in den die Mitarbeiter gerne einkehren, weil sie hier Motivation und Unterstützung finden, lernen und Wissen weitergeben und die beste Arbeitsumgebung für sich finden“, erklärte der zuständige Projektleiter Bernhard Herzog von M.O.O.CON.
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6. Bauherrenkongress Linz, 28.01.2016[/caption] Dass der eigene Arbeitsplatz zunehmend an Stellenwert verliert, erläuterte auch Arnold Koller, Geschäftsführer von DELTA, in seinem Impulsvortrag über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Objekte und Services. „Während die Einrichtung mit einer Lebensdauer von durchschnittlich 15 Jahren und Gebäude mit rund 30 Jahren langlebig sind, prägen die Errungenschaften der IT unsere Arbeitswelt mit der Regelmäßigkeit von drei Jahren immer wieder auf’s Neue“, erklärt Arnold Koller. „Es lohnt sich daher bei der IT sechs bis neun Jahre in die Zukunft zu blicken, um potenzielle Anforderungen bereits bei der Anschaffung von Möbeln oder der Planung von Räumen zu berücksichtigen.“
Mit dem Blick auf das Kommunikationsverhalten der heutigen Jugend prognostiziert Koller, dass künftig die Kommunikation ausschließlich über Produktivnetzwerke wie Projektplattformen verlaufen wird. Das mobile Arbeiten ist alleine schon wegen der Digital Natives der Trend der Zukunft, was laut Koller den Ausbau von Cloud Computing und Funknetzwerken pushen wird, um jederzeit den Zugriff auf alle Daten sicherstellen zu können. Bei all den Möglichkeiten, die die digitalen Trends dem Menschen bieten – wie z.B. innovative Displays oder die Miniaturisierung von Hardware – wird ein Thema die Arbeitswelten von morgen ganz besonders bestimmen: Die IT-Sicherheit. „Nur 6,5 Prozent aller Unternehmen sind ausreichend gegen Attacken geschützt“, mahnt Koller. „Die durchschnittliche Schadenssumme einer erfolgreichen Cyber-Attacke in Österreich beträgt 400.000 Euro.“
Mit Chris Müller, dem Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden in der Tabakfabrik Linz, kam ein weiterer Visionär auf die Bühne. Zwar malte der Querdenker zunächst den Teufel an die Wand, indem er mit seinen Beispielen wie 3D gedruckte Häuser oder Hotels, in denen nur noch humanoide Roboter arbeiten, die Frage aufwarf, ob wir durch unsere Erfindungen nicht den Menschen komplett wegrationalisiert hätten und quasi einen Frankenstein erschaffen hätten? Gleichzeitig setzte er aber dieser düsteren Vorstellung etwas entgegen, das humanistischer denn je klingt: „Je mehr Technik, desto mehr Achtsamkeit, Emotion, Empathie und Handschlagqualität brauchen wir“, so der sympathische Redner. Ein radikal neues Verständnis von Mensch und Arbeit sei von Nöten. Roboter würden zwar unsere Arbeit ersetzen, aber jenseits aller Ängste, die damit verbunden sind, müssen wir dies auch als Chance begreifen. Technologische Errungenschaften bieten auch mehr Freiraum und Freizeit und damit Platz für Neues.
Wichtig sei dabei, die Kreativität der Menschen zu aktivieren, was in der Tabakfabrik Linz bereits exemplarisch geschehe. In dem in den 30er Jahren entstandenen und heute denkmalgeschützten Gebäudekomplex, in dem einst Tausende Zigaretten täglich produziert wurden, ist der „erste kollaborative Konzern der Welt“, eine universelle Fabrik der Zukunft für vorläufig 320 Menschen aus der Kunst und Forschung, Wissenschaft, Industrie, dem Handwerk und Kreativwirtschaft entstanden. Mit der nächsten Ausbaustufe sollen weitere 30.000 Quadratmeter und damit noch mehr Platz für Ich-AGs und Querdenker entstehen, die nicht neben-, sondern miteinander arbeiten. „Aus Konkurrenten soll Kooperation und im besten Fall Kollaboration entstehen“, so Müller. Oder: Eine verdichtete Diversität, die neue Formen des menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens entwickelt.