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Heumarkt: "Wohnscheibe" statt Turm

Der einst vorgesehene 75 Meter hohe Hochhausturm beim umstrittenen Heumarkt-Projekt in Wien scheint Geschichte: Stattdessen ist nun eine "Wohnscheibe" geplant,
Michael Neubauer
Heumarkt
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© APA/HELMUT FOHRINGER

Wertinvest setzt auf Neubau des Hotel Intercontinental und eine 56,5 Meter hohe Wohnscheibe, einem T-förmig vom Hotel Intercontinental abstehender Flügel mit 56,5 Metern Höhe, gab Daniela Enzi, Geschäftsführerin des Projektbetreibers Wertinvest am Mittwoch bekannt. Keine wesentlichen Beeinträchtigungen für das historische Zentrum habe ein Feststellungsverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ergeben.

Der Neubau des Hotel Intercontinental ist den derzeitigen Plänen zufolge mit 47,85 Meter Höhe dimensioniert, die Wohnscheibe soll im rechten Winkel dazu errichtet werden. Zwischen Hotelkomplex und Konzerthaus wird sich das Heumarktgebäude befinden, unterhalb der "Hotel- und Wohnflügel" befindet sich eine frei zugängliche Stadtterrasse und ein Konferenzzentrum. Der Entwurf sieht außerdem eine zentrale Freifläche von etwa 6.000 Quadratmetern vor, die im Winter als Eislauffläche für den Wiener Eisverein dienen soll und sonst als öffentlicher Platz mit u.a. Schanigärten fungiert.

"Und es gibt keine Hinterseite mehr", betonte Enzi. Der hinter dem Areal liegende Teil des dritten Bezirks soll demnach eine Aufwertung erfahren. Die Fahrbahn der Lothringerstraße wird um zehn Meter in Richtung Innere Stadt verlegt, "nicht zulasten der Bäume", es soll mit der Pflanzung weiterer Bäume eine Art "grüner Boulevard" entstehen. Enzi wies generell auf Green Building und andere grüne Aspekte des Projektes hin: So wolle man u.a. das Grün des Stadtparks "weiterziehen" und mit Regenwassermanagement die Temperatur auf dem Areal im Sommer positiv beeinflussen.

Das neue Projekt wurde den Angaben zufolge einer UVP-Feststellungsprüfung unterzogen, von der Stadt Wien dafür ein Gutachten in Auftrag gebeben. Christa Reicher, deutsche Professorin für Städtebau, kam dabei den Unterlagen der Projektbetreiber zufolge zum Ergebnis, die bei Umsetzung der neuen Pläne "zu erwartenden Beeinträchtigungen des Schutzzwecks der UNESCO-Welterbestätte 'Historisches Wien' sind nicht als erheblich bzw. wesentlich einzustufen". Enzi: "Nach den Bestimmungen des neuen UVP-Gesetzes ergibt sich dadurch, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt durchzuführen ist."

Mit dem neuen Entwurf könnten zwei große Ziele umgesetzt werden, sagte der Wiener Landtagspräsident und UNESCO-Beauftragte Ernst Woller (SPÖ): dass der Weltkulturerbestatus erhalte bleibe und das Areal einer zeitgemäßen und angemessenen Entwicklung zugeführt wird. "Mit dem neuen Modell wird der negative Einfluss auf die Sichtachsen wesentlich reduziert", fügte er hinzu. Für ihn sei es "undenkbar", dass Wien sein Weltkulturerbe verliere. Ob Wien tatsächlich von der Roten Liste genommen wird, entscheidet sich bei der Welterbekonferenz im September in Riad.

Das Projekt Heumarkt beschäftigt seit Jahren die Wiener Politik und diversen Interessensvertreter. Aufgrund der drohenden Aberkennung des Weltkulturerbestatus für die Innere Stadt durch die UNESCO wurde der Entwurf schon einmal redimensioniert. Das reichte den Welterbe-Schützern nicht, weshalb Wien auf der Roten Liste landete. Mit den nun präsentierten Plänen könne man allen Ansprüchen gerecht werden. "Unser Ziel war es, ein welterbeverträgliches Projekt vorzulegen, das gleichzeitig über eine hohe architektonische Qualität verfügt und alle Vorteile für die Menschen in Wien sicherstellt", so Enzi. "Heumarkt neu" werde "so ein Highlight werden wie das Museumsquartier", prophezeite Wollner.

Hoffnungen in das Projekt setzt auch Brigitte Trattner, Direktorin des Intercontinental. Das Hotel entspreche nicht mehr internationalen Standards. "Seit zehn Jahren sehen wir einer ungewissen Zukunft entgegen", es habe sich ein "enormer Investitionsrückstand" gebildet. Von Seiten des Wiener Eislaufvereins hieß es, die technischen Anlagen stammen aus 1962 und würden endlich einer dringen Modernisierung benötigen.

Das ohne Einbindung von Bevölkerung und Opposition "ausgepackelte Neu-Projekt" soll das UNESCO-Welterbe "also 'nicht wesentlich oder erheblich beeinträchtigen'", echauffierte sich der Wiener FPÖ-Planungssprecher Toni Mahdalik in einer Reaktion. Seine Partei werde "einer etwaigen Stadtbildzerstörung" nicht tatenlos zusehen. Eine dem Welterbe konforme Lösung müsse sichergestellt werden, forderte auch Elisabeth Olischar, Planungssprecherin der Wiener ÖVP, in einer Aussendung. Volle Transparenz sei in diesem Zusammenhang das Gebot der Stunde. (apa)