Nach zwei Jahren Bauzeit und 65 Millionen Euro Baukosten soll, so die Projektentwicklerin der Kerbler-Gruppe Caroline Palfy, das „HoHo“ ein Restaurant, ein Hotel, Apartments, Büroflächen sowie Wellness- bzw. Gesundheitsbereiche beheimaten.
„Wir haben nichts neu erfunden, sondern nur neu gedacht“, so Caroline Palfy, Geschäftsführerin cetus Baudevelopment GmbH, Projektentwicklerin der Kerbler-Gruppe. Für die Realisierung des HoHo überarbeiteten Palfy, das Architektenteam RL+P, der Statiker Richard Woschitz, die RWT+ZT GmbH und der Brandschutzplaner Alexander Kunz bereits am Markt befindliche Hybridbauweisen. Der Holzbauanteil ab dem Erdgeschoss soll bei rund 75 Prozent liegen. Die Bruttogeschossfläche des HoHo Wien wird 48.250 Quadratmeter betragen.
[caption id="attachment_676" align="alignright" width="300"] Innenraumvisualierung Restaurant (c) ImmoFokus[/caption]Warum aber gerade in der Seestadt? Gäbe es hier nicht attraktivere Standorte? „Mit Holz mehr als achtzig Meter hoch zu bauen, ist eine bautechnische Herausforderung und bedarf genauester Planung, eines kreativen Teams und des geeigneten Baufelds - und das haben wir in Aspern“, erklärt Günter Kerbler. „Hochhäuser, die zu einem Großteil aus Holz bestehen, gibt es kaum. Wir sind sozusagen Pioniere im Holzhochbau! Ich habe schon immer neue, teilweise verrückte Ideen unterstützt. Der Tower ist so ein Projekt“.
„Das Projekt in der Seestadt hat mich als Projektentwicklerin selbst zum Umdenken gebracht“, so die Projektleiterin. „Günther Kerbler und ich kommen aus der klassischen Althaussanierung. Da baut man ein Dachgeschoss aus und fährt mit dem Auto, obwohl man auch mit einer U-Bahn fahren könnte.“ Innerstädtisch heißt es immer „Lage, Lage, Lage“ – in Aspern geht es aber in unseren Köpfen nicht um die Lage, außer vielleicht bei denjenigen, die im 22.Bezirk wohnen. Also braucht man hier etwas anderes, mit dem man sich identifizieren möchte. Aus diesen Überlegungen heraus entstanden die Pläne für das HoHo Wien“.
[caption id="attachment_673" align="alignleft" width="300"] (c) ImmoFokus[/caption]„Holzbauprojekte, die zu teuer und zu kompliziert sind, werden nicht verwirklicht. Unser Ansatz ist statisch bewusst einfach gewählt“, erklärt Woschitz. Rund um die Betonkerne der drei Hochhäuser dockt sich der Holzbau an. „Die Verbindungen der einzelnen Scheiben und die Anschlussdetails, dafür haben wir zum Teil neu gedacht“. In den unteren Geschossen weisen die Stützen aus blockverleimtem Brettschichtholz einen Querschnitt von bis zu 36 x 92 Zentimetern auf, in den oberen Geschossen noch 36 x 36 Zentimeter. Die Spannweite der Holzverbundträger wird bis zu 7 Meter betragen.
Beim HoHo Wien wurde ein klares, einfaches Konzept in Hybridbauweise gewählt. Den konstruktiven Anforderungen entsprechend werden für jeden Konstruktionsteil die adäquaten Materialien eingesetzt. Aussteifende Betonkerne dienen der vertikalen Erschließung und Versorgung. Angedockt ist die Holzbaukonstruktion für die Volumina der eigentlichen Gebäudenutzung. Das bewusst einfache System verwendet die Stapelung vier vorgefertigter, serieller Bauelemente. Diese sind Stützen, Unterzug, Deckenplatten und Fassadenelemente. Die Stützen aus blockverleimtem Brettschichtholz mit der vorgesetzten Fassade aus Massivholz tragen die Decken im HBV (Holzbetonverbund). Das bedeutet, die Decken aus Massivholz werden von einer dünnen Betonschicht ergänzt, um die bauphysikalischen Eigenschaften auf einfache Weise zu optimieren. Außerdem war es notwendig, lediglich ein Knotendetail zu entwickeln, welches immer für die Verbindungen der Bauteile angewendet werden kann. Auf diese Weise entsteht ein wirtschaftliches, hochflexibles und sicheres Gebäude mit einem beachtlichen Nachhaltigkeitsgrad.
Die strukturelle Trennung in der Errichtung der aussteifenden Kerne und der angedockten Nutzflächen aus Holz – ca. 80 Prozent der Gesamtfläche – erlaubt die zeitgleiche Herstellung und einen optimalen sowie reduzierten Bauablauf. „Die Einzelteile werden im Werk gefertigt und auf der Baustelle nur mehr zusammengesetzt“, so Woschitz. Millimetergenau vorgefertigte Bauteile können im Vergleich zu herkömmlichen Bauten durch Systembauweise eine doppelt so rasche Realisierung vom Rohbau über die Fassade bis zur Gebäudetechnik ermöglichen. Architektonisch besticht das HoHo Wien mit einer höhengestaffelten Silhouette und einer Fassadentextur, die an Baumrinde erinnert. Im Inneren des Holzhochhauses sorgen sichtbare Holzoberflächen bei Decken und Außenwänden für ein spürbares Erleben des Elements Holz.
[caption id="attachment_674" align="alignright" width="300"] Innenraumvisualierung Appartments (c) ImmoFokus[/caption]„Das HoHo Wien profitiert zum einen von einem modularen Aufbau, zum anderen von einer individuell maßgeschneiderten und jederzeit änderbaren Flächennutzungsgestaltung“, erklärt Rüdiger Lainer, Architekturbüros Rüdiger Lainer + Partner ZT GmbH. „Nachträgliche Veränderungen können ohne großen Aufwand vorgenommen werden.“
Der großen Herausforderung Brandschutz bei dem zu rund drei Viertel aus Holz bestehenden Hochhaus will man mit automatischen Löschanlagen und kleinen Brandschutzabschnitten begegnen. Vom derzeit laufenden Bauverfahren erwartet sich Lainer - aufgrund der engen Kooperation mit den Behörden im Vorfeld - einen positiven Ausgang.
Das HoHo wird dem Passivhausstandard entsprechen. Die Holzbauweise spart gegenüber einer Ausführung in Stahlbeton rund 2.800 Tonnen CO?-Äquivalente ein. Das entspricht ca. 20 Millionen PKW-Kilometern oder 1.300 Jahren täglich 40 Kilometer Autofahrt. Außerdem spart die Holzbauweise gegenüber der Ausführung in Stahlbeton rund 300.000 Megawattstunden Primärenergie ein. Das entspricht ca. der Monatsleistung (31 Tage) des Donaukraftwerks Ybbs Persenbeug.
Das weltweit erste Holzhochhaus, der„ LifeCycle Tower“, steht seit 2012 in Dornbirn mit acht Stockwerken und 27 Metern Höhe. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bauarten hatte die in Dornbirn verwendete Holz-Hybridbauweise eine um 90 Prozent verbesserte CO?-Bilanz vorzuweisen und entstand mit drastisch reduziertem Ressourcenaufwand bei gleichzeitig hoher Energieeffizienz und niedrigen Betriebskosten des Gebäudes. Dies überzeugte auch die Fachwelt und brachte dem LifeCycle Tower einige Auszeichnungen. Seither, so Manfred Hegger, Professor für Architektur an der TU Darmstadt, sei Holz kein Trend mehr, „es ist eine Bewegung“. Der in London errichtete „Timber Tower“, der mit seinen neun Stockwerken kurz als weltweit höchstes Holzwohnhaus galt, lediglich das Erdgeschoss ist aus Beton, entstand ebenso nach der in Österreich entwickelten Bauweise, die in Dornbirn erstmals Anwendung im Hochhausbau fand.
In Mailand stehen vier Neungeschosser komplett aus Brettsperrholz, die 124 Wohnungen sind ein Projekt des sozialen Wohnbaus und sozial schwächeren Familien vorbehalten. Das erste siebenstöckige Holzhaus in Frankreich wird von Studenten bewohnt. Viele große Holzländer, wie Kanada und Amerika, greifen laut „proHolz Austria“ auf die österreichische Bauweise zurück. Selbst in Australien wurde ein Zehngeschosser mit österreichischer Technologie errichtet.
Lange wird das in der Seestadt Aspern projektierte „HoHo“ aber wohl kaum das weltweit höchste Holzhochhaus sein, denn europäische und amerikanische Architekten haben bereits Hochhäuser aus Holz mit bis zu 100 Metern Höhe und 30 Stockwerken in Planung.
HOLZHOCHHAUS HOHO WIEN
[caption id="attachment_677" align="alignright" width="235"] Schnitt AA[/caption]Architektur und Planung:
Rüdiger Lainer + Partner ZT GmbH, Arch. Univ.-Prof. DI Rüdiger Lainer
Tragwerksplanung, Bauphysik und Gebäudetechnik:
RWT+ZT GmbH, Dipl.-Ing. Dr. techn. Richard Woschitz
Brandschutzplanung:
Kunz - die innovativen Brandschutzplaner, Bmstr. Dipl.-Ing. Alexander Kunz, MSc
Bruttogesamtfläche: 25.000 m²
Mietfläche: 19.500 m²
Grundstücksfläche: 3.920 m²
Gebäudeart: Hochhaus mit innovativer Holzbautechnik
Etagen: 24 Geschosse
Höhe: 84 Meter
Nutzung: Gewerbe
[caption id="attachment_678" align="alignright" width="215"] Schnitt BB[/caption]Baubeginn: voraussichtlich Herbst 2015
Fertigstellung: geplante Bauzeit 2 Jahre
Investitionsvolumen: rund 65 Millionen Euro