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„Hofburg Wien: Die Stadt in der Stadt“

Der 5. Europäische Kongress über die Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung historisch bedeutender Gebäude steht ganz im Zeichen der Finanzierung von historischen Gebäuden.
Michael Neubauer

Der 5. Europäische Kongress über die Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung historisch bedeutender Gebäude steht ganz im Zeichen der Finanzierung von historischen Gebäuden.

Reinhold Sahl: Bei unserem Kongress geht es darum, verschiedene Modelle kennenzulernen, wie international bedeutende historische Objekte erhalten, gepflegt und betrieben werden. Es gibt hier durchaus unterschiedliche Ansätze und Philosophien. Aber man kann sich überall ein Stück herausnehmen, adaptieren und weiterentwickeln. Wie Kultur in Verbindung mit historischer Substanz und historischem Erbe finanziert werden könnte – das ist eigentlich das Kerngeschäft. In der modernen Welt wird oft nur die betriebswirtschaftliche, enge Dimension gesehen. Dass aber historische Objekte darüber hinaus einen viel größeren Wert als den volkswirtschaftlichen Nutzen haben, wird gerne übersehen.

Dieser ist aber nicht zu unterschätzen. Es mag pathetisch klingen, aber wir denken in volkswirtschaftlichen Dimensionen. Wir generieren touristischen Background, ohne den der Tourismus nicht das wäre, was er ist. Und: Wir haben auch einen kulturpolitischen Auftrag, wir bewahren unsere Geschichte und Kultur. Wie man sie bewertet und damit umgeht, das ist eine andere Frage. Baukulturelles Erbe ist die Manifestation dieser Geschichte. Das ist Basis für unsere Zukunft.

Kann man diese volkswirtschaftlichen Werte auch beziffern?

Wir haben einen Wertschöpfungsfaktor von 1:6 bis 1:8, wenn man Umwegrentabilität mit Arbeitsplätzen und Tourismus hineinrechnet. Wir haben einen sehr hohen Wertschöpfungsfaktor, der aber nicht unmittelbar wahrgenommen werden kann, weil er sich erst volkswirtschaftlich niederschlägt. Wir haben in Österreich einen sehr, sehr hohen Anteil an Städtetourismus, der seine Grundlagen im baukulturellen Erbe und in den Institutionen hat. Daraus ergibt sich ein Benefit, der oft gar nicht wahrgenommen wird. Österreich ist hier kein Einzelfall. Auch andere Nationen verfügen durch diese kulturellen Grundlagen über eine enorme Wertschöpfungskette.

Wie oft spielen sie die Karte „Wertschöpfungskette“ bei Budgetverhandlungen, wenn’s wieder einmal um Budgetkürzungen geht?

(lacht) Lassen Sie es mich so sagen: Es ist natürlich unsere Aufgabe als Betreiber, Sanierer und Instandhalter der Objekte, das immer wieder zu betonen. Es muss in das Bewusstsein gehen. Wenn ich das Bewusstsein in diesen Dingen nicht habe, werde ich nicht in diesen Kategorien denken.

Sie sind seit Ende 2010 Burghauptmann. Hat sich in Sachen „Bewusstsein“ etwas geändert?

[caption id="attachment_9569" align="alignleft" width="192"]© cityfoto © cityfoto[/caption]

Ich glaube schon, dass die Überzeugungsarbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben, Wirkung gezeigt hat. So haben wir zum Beispiel die betriebswirtschaftliche Betrachtung unserer Häuser auf zivile, marktübliche Strukturen aufgebaut, sodass wir nun Benchmark-fähig sind.

Es wäre aber ein Fehler, Kennzahlen für den Neubau auf historische Gebäude einfach umlegen zu wollen. Wir beleben historische Gebäude. Wenn Sie als Maßstab zwölf Quadratmeter pro Mitarbeiter anlegen, dann ist die Benchmark hier einfach nicht anwendbar. Wenn man Räume zwanghaft teilt, verlieren die Objekte an Atmosphäre. Auf der anderen Seite darf man auch mehr Raumreserve haben. Organisationen verändern sich schneller als Objekte. Da ist natürlich der Neubau im Vorteil. Hier ist in der Regel mehr Veränderung möglich – wenn auch unter Umständen mit hohen Kosten verbunden. Diese Veränderungen sind im historischen Bestand nicht möglich beziehungsweise nicht gewollt.

Bewusstseinsbildung ist auch einer der Zwecke unseres Kongresses. Der Kongress dient dem Gedankenaustausch, dem Vernetzen über Landesgrenzen hinaus. Wir wollen die Arbeit anderer Nationen kennenlernen und auch verstehen, wie diese das machen. Damit wir im Vergleich auch wissen, ob wir kostengünstig arbeiten. Das Vernichten von Kulturschätzen in Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen hat die Welt aufgerüttelt. So traurig es auch ist.

Wenn wir nach England blicken. Wären in Österreich Trusts á la England umsetzbar?

Sicher. Möglichkeiten, ähnliche Organisationen zu gründen, haben wir, aber der Zugang zu dem Thema ist in England anders. Die Trusts in England werden zum Großteil vom Lottery Funds finanziert, die einen erheblichen Anteil der Gewinne für die Erhaltung von Kultur- und Naturerbe ausschütten. Ich glaube, wir haben gut funktionierende Finanzierungswerkzeuge, die man sicher auch nachbessern kann. Man darf das System aber auch nicht überfordern und alles auf einmal wollen. Man muss schrittweise an diesen Weg herankommen. Das Thema Finanzierung ist eng verknüpft mit dem Thema Werterhaltung der Objekte an sich und dem Erkennen des volkswirtschaftlichen Nutzens, den diese erzeugen. Dann ist die Verknüpfung mit Finanzierungsmodellen – egal welchen – einfacher.

Bei den englischen Trusts gibt es viele Freiwillige, die mithelfen.

Bei uns engagiert sich die Jugend in der Freiwilligen Feuerwehr. In England halten Volunteers historische Gebäude instand und bekommen dafür im Gegenzug ein Wochenende in einem historischen Haus zur Verfügung gestellt. Das ist eine Frage der Philosophie und der Werthaltung – das spielt sich im Kopf ab. Ganz interessant wird das Jahr 2018. Da kommt das Jahr des europäischen Kulturerbes. Auf dieses Jahr freue ich mich, wir werden dort sicher eine aktive Rolle spielen, weil wir bei den europäischen Kulturerbestätten eine der größeren sind.

Wie sieht es mit Sponsoring aus? In Italien zum Beispiel haben Nobelmarken die Restaurierung der Spanischen Treppe finanziert.

Das ist natürlich eine Gradwanderung. Wir haben hier sehr strikte Richtlinien. Es ist unsere Aufgabe, Angebote zu schaffen, die Sponsoren die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren, ohne dass sie das Areal völlig vereinnahmen.


The 5th European Congress for the use, management and maintenance of historically significant monuments has focused on the financing of historical buildings.

Reinhold Sahl:  Our congress has dealt with getting to know different strategies on how to preserve, maintain and run internationally significant historical monuments. There are various approaches and ideas about it, but one can still adapt them and further develop them. Our main objective is to find a way to finance important monuments and thus combine culture with historical substance and inheritance. The modern world of today often only sees the financial side of business and the fact that historical objects have a much greater value for the economy is often overlooked.

This cannot be underestimated, even if it sounds pathetic, but we do think in terms of economic dimensions. We generate touristic backgrounds without which the tourism industry would not be what it is today. We also have a cultural-political responsibility, which expects us to preserve our history and culture and there are many ways to evaluate and deal with those issues.  Architectural legacy is a direct manifestation of this history and that is the basis for our future.

Is it possible to estimate those economic values?

We have a valued-added factor of 1:6 to 1:8 when you consider indirect profitability with workplaces and tourism. We have a very high value-added factor, which we cannot directly appreciate; because it is not, on first glance, economically reflect.  In Austria we have a very high proportion of state tourism, which is largely based on architectural heritage and its institutions. There is enormous benefit in that, which is often not recognized, but Austria is not alone in this case. There are other countries that also possess cultural foundations with a tremendous value chain.

How often do you use this argument during budget negotiations especially when there is talks budget cuts once again?

(laughs) Let me put it this way:  As operators, restorers, and maintainers of the objects, it is naturally our task to stress the potential of chain value in order to create awareness. When the awareness is not there, one does not think about it.

You have been the Burghauptmann since the end of 2010. Has anything changed in terms of “awareness?”

I believe that the persuasive efforts in the last few years have shown results. We have, for instance, established private and more market standard management structures for our houses so that we are now more competitive. It would be a mistake, however, to compare the figures for old and new buildings, because what we are trying to do is  revive historical buildings. When you have a norm of 12 square, then you simply cannot apply the benchmark; because when you split up rooms, you forfeit the original atmosphere. On the other hand, it is sometimes important to have extra space. Because organizations change quicker than the buildings, the new constructions have the advantage. It is easier to modify them even if it sometimes more expensive. Such modifications are often not possible or not desired in old buildings.

Creating awareness is also one of the goals of our congress. The congress should be used for exchange of ideas and networking reaching beyond borders. We want to find out how the other countries deal with the issues at hand and try to understand them. We also want to know if we our efforts are economical. Unfortunately it took the destruction of many cultural treasures in the course of war-like confrontations for the world to be shaken into reality.

When we look at England, do you think organizations like the National Trust would be possible in Austria?

[caption id="attachment_9570" align="alignright" width="329"]© cityfoto © cityfoto[/caption]

Certainly. We have the possibility of establishing such organizations here, but the approach is somewhat different in England.  The trusts there are primarily financed by the Lottery Funds, which contribute a substantial amount of their profits for the conservation of the cultural and natural heritage. I think that we have well-functioning financing policies, which could obviously be improved. One cannot, however, overburden the system and expect to achieve everything at once. One has to take things one step at a time. The topic of financing is very closely connected with that of value retention of the objects in question and the recognition of the economic use that the given objects generate. When that is achieved, then the connection with financing models becomes easier irrelevant which ones are chosen.

There are many volunteers who help out at the in National Trust in England.

In Austria the young people volunteer in the fire departments. In England they volunteer in the maintenance of historical buildings and are allowed to spend a weekend in one of the stately homes. It is a question of attitude and personal preference. The year 2018 is going to be very interesting, because it has been declared as the year of European Cultural Heritage. I am very excited about it, because Austria is one of the leaders in terms of architectural heritage and we will certainly play an active part.

What about private sponsoring? In Italy, for example, the renovation of Spanish Steps has been financed by a luxury brand firm.

This is naturally a very complicated balancing act.  We have very strict guidelines in Austria. It is our duty to manage the offers in such a way that allow the private backers to present themselves without taking over the project entirely.