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Hohe Infaltion als Top-Game-Changer

Örag-Vorstand Stefan Brezovic über Auswirkungen der Pandemie und die Top-Game-Changer für die Immobilienwirtschaft.
Amelie Miller
Stefan Brezovich
Stefan Brezovich
© ÖRAG Immobilien

Wer ist der Top-Game-Changer: die Covid-Pandemie, ESG & EU-Taxonomie - oder doch die Zinswende?

Die Covid-Pandemie hat gesellschaftlich vielfach eine veränderte Einstellung zur Arbeit bewirkt. Auch Verzögerungen in den Lieferketten brems(t)en die wirtschaftliche Dynamik; mit weiteren Lockdowns in Europa rechne ich allerdings nicht.

Echte Top-Game-Changer für die Immobilienwirtschaft sind aus meiner Sicht eindeutig die anhaltend hohe Inflation und die damit verbundene Zinswende.

Beginnend mit den Unterstützungsmaßnahmen der EZB im Rahmen der Finanzkrise 2008/2009, fortgesetzt durch die ultralockere Geldpolitik der EZB bis hin zu den Unterstützungsmaßnahmen in der Covid-19-Krise war ein massives Anziehen der Inflation zu erwarten. Die enorm gestiegenen Energiepreise haben dieser Entwicklung einen zusätzlichen Schub gegeben. Das aus meiner Sicht zu späte Reagieren der EZB wird weitere große Zinsschritte erforderlich machen.

Dadurch kehrt eine neue alte Normalität in der Zinslandschaft zurück, die schmerzlich für jene sein könnte, die ihre Erfahrungen nur aus den letzten zehn Jahren schöpfen. Der Immobilienmarkt hat auch vor 20 Jahren bei einem 3M-Euribor von rund drei Prozent funktioniert.

Bremsspuren am Markt. Ist die Immobilien-Party vorbei? Rechnen Sie mit Preisabschlägen? Wenn ja - in welchen Asset-Klassen?

Jedenfalls sind immer weiter steigende Preise vorbei – und in diesem Sinne ist wohl die Party vorbei. Wertsteigerungen werden definitiv in den nächsten Jahren nicht durch reinen Zeitablauf erreicht werden.

Die Preisanstiege der vergangenen Jahre waren deutlich gefördert von stetig sinkenden Kapitalmarktzinsen bis hin zu Negativzinsen.

Man kann die Preisentwicklung der letzten Jahre bei Immobilien durchaus auch als vorgezogene Sachwertinflation aufgrund der Geldschwemme deuten.

Die nun steigenden Zinsen verteuern Finanzierungen erheblich – neue Kredite sowieso und bestehende dann, wenn sie nicht abgesichert sind, was laut Auskunft der Banken knapp die Hälfte der heimischen Immobilienfinanzierungen betrifft. Weiters wirkt sich das allgemeine Zinsniveau natürlich auch als Referenzwert erhöhend auf die Renditen von Immobilien aus. Wenn knapp zwei Prozent für 12M-Festgelder im Raum stehen, wird dies bei manchen Investoren das Interesse an Immobilien beeinflussen. Das heißt nicht, dass sie Immobilien abschwören, aber es bedeutet, dass sie sich höhere Renditen erwarten.

Der Mietmarkt ist weiterhin stark. Wir als ÖRAG verzeichnen eine solide Frage nach Büro-, Retail und Logistik-Flächen.

Eine allfällige längerfristige Rezession würde sich aber bremsend auf die Nachfrage nach gewerblichen Flächen auswirken.

Könnte die Krise zur Entspannung der Grundstücksmärkte in den Ballungszentren führen?

Das wäre eine logische Konsequenz und sehr zu begrüßen, aber aufgrund des so hohen Zuzugs nach Österreich ist eine Entspannung der Grundstücksmärkte in den Ballungszentren leider nicht zu erwarten.

Mehr Menschen brauchen mehr Wohnraum, auch wenn dieser Wohnraum bei hohen Zinsen, hohen Baukosten und etwaigen weiteren regulatorischen Eingriffen in die Mietzinsbildung vermehrt durch die öffentliche Hand bereitgestellt werden wird müssen.