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Ich habe es nicht bereut

Vor zehn Jahren übernahm Georg Muzicant die Geschäftsführung von seinem Vater Ariel. Ein Grund, mit ihm über das vergangene Dezennium zu sprechen. Am besten gleich bei Fabios, einem seiner Lieblings­italiener in Wien.
Michael Neubauer

Vor zehn Jahren übernahm Georg Muzicant die Geschäftsführung von seinem Vater Ariel. Ein Grund, mit ihm über das vergangene Dezennium zu sprechen. Am besten gleich bei Fabios, einem seiner Lieblings­italiener in Wien.

Das Fabios liegt - wie auch die Cantinetta Antinori - innerhalb eines Häuserblocks zu meinem Büro. Das ist einfach bequem - und über die Qualität muss man nicht diskutieren. Ich bin wirklich sehr gerne hier, das Essen ist vorzüglich“, gesteht Georg Muzicant. Selbst steht der bald 35jährige selten am Herd. „Ich esse sehr gerne und habe meiner Frau zu unserer Hochzeit versprochen, dass ich ihr einmal ein feines Abendessen koche. Das versprochene Abendessen schulde ich ihr immer noch.“

Während seines Studiums in den USA hat er mit einem Koch zusammengewohnt. „Der ist dann später Chef in einem der nobelsten Restaurants in Boston geworden. Bei seinem Auszug hat er sein ganzes Equipment zurückgelassen, somit hatte ich auf einmal eine voll ausgestattete Chef-Küche. Da lernt man kochen.“ Der USA-Fan blickt gerne auf seine Zeit in den Staaten zurück. „Ich habe in Boston Wirtschaft studiert, nach dem BA einen MBA angehängt, habe anschließend für ein paar Jahre in Boston und NY in der Immobilienwirtschaft gearbeitet und bin dann 2005 wieder zurückgekommen.

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Toller Job und toller Chef in den USA

Der Einstieg in das väterliche Unternehmen war nicht von vornherein geplant. „Hätte ich nicht meine Frau, eine Wienerin, kennengelernt, wäre ich wohl in den Staaten geblieben. Ich hatte einen tollen Job und einen super Chef, mit dem ich heute noch sehr gut bin.“ Muzicant arbeitete in Boston für einen der größten Developer der Stadt. „Ich war für die Akquisition zuständig – davor habe ich in NY und in Texas für eine Management-Consulting Firma gearbeitet.“ Bei seinem Weggang standen die Zeichen auf Expansion. „Das Unternehmen ist dann von 20 auf 170 Mitarbeiter gewachsen“. Ganz hat Muzicant seine Verbindungen nicht gekappt. „Wir machen noch immer gemeinsame Projekte“.

Der Einstieg in das Familienunternehmen sei zu seiner Überraschung extrem einfach gewesen. „Mein Vater hat mich vom Flughafen abgeholt und mir den Schlüssel mit den Worten „So und jetzt ist es deines, du machst das schon‘“ in die Hand gedrückt. Wir haben uns dann aber doch darauf geeinigt, dass er es zumindest noch zwei Jahre weitermacht“.

Einmal pro Woche in die USA und zurück

Der Anfang sei dennoch hart gewesen. „Ich habe damals ein Pensum absolviert, von dem ich nicht weiß, ob ich es heute noch überleben würde. Ich musste ja quasi parallel eine Firma führen lernen, Geschäft aufbauen und auch in den USA einige Projekte zu Ende bringen. Ich bin mehr oder weniger einmal in der Woche in die USA geflogen. Aber es war ok“. „Als dann meine erste Tochter geboren wurde, habe ich das dann alles dramatisch zurückgefahren. Ich habe heute vielleicht noch eine Geschäftsreise im Monat und da meistens nur für einen Tag nach Deutschland.“ Den Rückgang an gebuchten Flügen hat sogar einen Senior-Sales-Manager der Fluglinie veranlasst, bei Muzicant anzurufen, um sicherzugehen, dass ihm nichts passiert sei oder „… ob ich die Fluglinie gewechselt habe“.

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Langsam wird es Zeit zu bestellen. Das aufmerksame Personal hatte sich diskret zurückgezogen. Nun sind wir aber doch hungrig geworden. Muzicant wählt als Vorspeise Tomatensalat mit cremigem Ziegenkäse. Zur Hauptspeise gibt es Sogliola con asparagi e puré di patate – Seezungenfilet mit Kartoffelpüree & Spargel. Für mich gibt es klare Ochsenschwanzsuppe mit hausgemachten Agnolotti - mit Büffelricotta gefüllte Ravioli - in Limettensauce. Dazu trinken wir naturtrüben (gespritzten) Apfelsaft mit frischen Minzeblättern. „Ich trinke kaum Alkohol. Ab und zu beim Fliegen ein kleines Glas Bier. Da kann ich dann schlafen wie ein Baby“, so Muzicant.

Seine Rückkehr nach Wien bereut er keine Sekunde, wenngleich ihm seine guten Freunde in den USA fehlen. „Ich habe ja neun Jahre dort gelebt. Ich lebe gerne in Österreich, bin hier aufgewachsen. Meine Frau ist Wienerin und unsere beiden Familien leben auch komplett in Wien.“ Seine vier Jahre jüngere Frau, mit der er an derselben Schule war, hat er bei der Hochzeit eines seiner besten Schulfreunde kennengelernt. „Einige Monate später bin ich dann wieder nach Österreich zum Schifahren gekommen, dann jedes zweite Wochenende. Nach drei Monaten bin ich des vielen Fliegens überdrüssig geworden. Ich bin müde geworden. Da habe ich mir gedacht, es reicht“. Bald darauf wurde geheiratet. „Wenn das Familienunternehmen nicht gewesen wäre, wäre es gut möglich gewesen, dass meine Frau auch zu mir nach Boston gezogen wäre.“

Der Einstieg in den heimischen Markt fiel ihm nicht schwer. „Jeder Markt hat seine Eigenheiten – der österreichische besonders viele. Man muss halt lernen“. Der amerikanische Markt sei wesentlich schneller, die gehandelten Volumina wesentlich höher. „Wenn man in Wien ein 100 Millionen Euro Objekt verkauft, ist es so zusagen ,der Verkauf‘. Da kann es schon einmal ein halbes Jahr dauern, bis der Vertrag unter Dach und Fach ist. In New York wechselt ein 100 Millionen Dollar Haus oft in Stunden die Hände und ist vom Volumen her gleichbedeutend, als würde man in Wien eine Wohnung um 300.000 Euro verkaufen. In den USA haben wir 200 bis 400 Millionen Dollar pro Jahr an Immobilien akquiriert. Wenn ich das in Wien mache, gehört mir nach fünf Jahren die halbe Stadt“.

Die vielen Einzelkämpfer schaden dem Image

Ein weiterer wesentlicher Unterschied sind die Makler selbst: „Die Vermarktung ist hochprofessionell. In Österreich haben viele Großen der Branche den Wohnungsmarkt - ausgenommen das High-End-Segment - vernachlässigt, weil sich da kaum etwas verdienen lässt, sofern man auf Qualität schaut.“ Diese Qualität vermisst Muzicant bei dem einen oder anderen Einzelkämpfer, der sich in diesem Segment tummelt. „Ich möchte niemandem zu nahe treten. Einzelkämpfer sind da schon einmal überfordert. Einige üben den Beruf sogar nur als Nebenjob aus. „Das sind in der Regel 40-50-jährige Frauen, die wieder etwas machen wollen und deren Kinder schon Teenager sind. Diese Einzelkämpfer haben in der Regel nicht dieselbe Ausbildung wie ihre voll berufstätigen Kollegen“, so Muzicant. „Sie schaffen es nicht, mit der Doppelbelastung Beruf und Familie auf dem laufenden Stand der Dinge zu bleiben, was beispielsweise auch die neuen Regelungen und neuen Gesetzgebungen betrifft.“

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Die Immo-Card sei dabei keine Lösung. „Nein, die hilft am wenigsten“. Jetzt ist er so richtig in Fahrt: „Was haben das neue EU-Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (VRUG) und das damit verbundene Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) den Immobilienmaklern und Kunden gebracht? Unnötige Kosten und unnötige Verunsicherung“.

Hohe Qualität hat ihren Preis

In Amerika hingegen sei das alles sehr einfach geregelt. „Ein Käufer zahlt bei einem klassischen Wohnungsverkauf nie Provision, die zahlt immer der Verkäufer. Die Höhe ist auch fix: 6 Prozent – dafür bekommt er aber auch wirklich gute Qualität.“ „Alles nur online – aber gratis, bitte“, bringt es Muzicant auf den Punkt. In den USA hat ein Makler den Auftrag exklusiv und sucht . Und wenn er bei einem Kollegen fündig wird – „In den USA haben alle Makler Zugriff auf das gesamte Angebot“ – dann wird die Provision geteilt. Auch in den USA, zum Beispiel in NY, gebe es viele Einzelkämpfer, aber mit dem Unterschied, dass die sehr gut verdienen. Ich habe bei einem Projekt in Long Beach mit einer Maklerin zusammengearbeitet, die hat in knapp sechs Monaten 40 Wohnungen, die im Schnitt 250.000 Dollar gekostet haben, verkauft. Macht bei 6 Prozent Provision stolze 600.000 Dollar Umsatz. In Österreich habe man das Gefühl, der Wunsch der Politik sei es, den Immobilienmakler abzuschaffen.

Traumimmobilie gefunden

Seine eigene Traumimmobilie hat Muzicant schon gefunden. „Wir haben einen Dachgeschossausbau, ganz modern, aber sehr wohnlich. Ich fahre zwar sehr gerne auf Urlaub, aber es gibt trotzdem kein schöneres Gefühl, als dann wieder nach Hause zu kommen. Ich wollte zentral wohnen, da ich sehr gerne viel zu Fuß erledige“. So ist auch der Dachgeschossausbau ganz in der Nähe seines Büros. „Ein 10 Minuten Fußweg.“ Bei der Generalsanierung des in den 1860er Jahren erbauten Hauses war Muzicant in seinem Element. „Ich bin nur ungern reiner Trader. Kaufen und Entwickeln ist mehr mein Element.“ Umsiedelungen im Haus ermöglichten Flächenzusammenlegungen. „Dadurch wurden vernünftige Grundrisse möglich. Schöne große helle Flächen zur Straße hin und ruhige Schlafräume in den Hof.“

Am Schabbat macht die Arbeit Pause

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Meine Frau und ich kommen aus nicht sehr religiösen jüdischen Familien. Bei der Hochzeit haben wir aber beschlossen, einige Traditionen behalten zu wollen und diese möchten wir auch unseren Kindern vorleben. Dazu gehört unter anderem der Schabbat. Am Schabbat - am jüdischen Samstag – also Freitag Sonnenuntergang bis Samstag Sonnenuntergang haben wir unseren Ruhetag. „Da gibt es kein Arbeiten, es darf auch kein elektronisches Equipment verwendet werden – also kein Autofahren oder Geschäftsreisen. Zum Schabbat bin ich spätestens am Freitag wieder in Wien“.

Obwohl - eine Ausnahme gab es, wie Muzicant gesteht: „Das war der Louis Vuitton Deal, da musste ich den CFO von Louis Vuitton in Paris treffen. Es ging nicht anders. Der einzig freie Termin war am Freitag zu Mittag. Da bin ich nicht rechtzeitig von Paris weggekommen. Ich bin dann einen Tag alleine in Paris geblieben. Heute erreicht mich von Freitag Sonnenuntergang bis Samstag Sonnenuntergang niemand. Handy und Computer sind aus. Man kann mir jederzeit eine Nachricht hinterlassen oder ein Email schicken. Samstag Abend rufe ich dann zurück. Diese 24 Stunden sind ,for family only‘. Wir halten das jetzt seit 10 Jahren recht brav ein und das funktioniert auch gut.“