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Ideale Nutzung gesucht

Nachhaltig bewirtschaften. ImmoFokus-Heritage Burghauptmann Reinhold Sahl, ÖRAG Vorstand Peter Scharinger, die Präsidentin des Bundesdenkmalamtes Barbara Neubauer und ÖGNI-Gründungspräsident Phillipp Kaufmann zum Gedankenaustausch.
Amelie Miller

Nachhaltig bewirtschaften. ImmoFokus-Heritage Burghauptmann Reinhold Sahl, ÖRAG Vorstand Peter Scharinger, die Präsidentin des Bundesdenkmalamtes Barbara Neubauer und ÖGNI-Gründungspräsident Phillipp Kaufmann zum Gedankenaustausch.

Für Burghauptmann Reinhold Sahl steht fest: „Historische Gebäude können mehr, als man ihnen zutraut. Es kommt auf die ideale Nutzung an. Es gibt viele unterschiedliche Zugänge und Ideen. Ziel unseres Kongresses ist es auch zu sehen, wie das die anderen machen. Schauen Sie sich unsere Hofburg an, da gibt es im Gegensatz zu neuen Gebäuden keine monokulturelle Nutzung. Wir haben Büros, Museen, Gastronomie …MM-F_Roundtable-16

Für die Präsidentin des Bundesdenkmalamtes Barbara Neubauer ist gerade dies ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal. „Der Neubau ist zumeist auf eine Nutzung fokussiert. Das bringt neben den unbestritten vorhandenen Vorteilen auch einen entscheidenden Nachteil: Bei einer womöglich notwendigen Nachnutzung ist man stark eingeschränkt.“ Aus einem Büroturm könne man nur schwer Wohnungen oder ein Hotel machen. „Da sind so viele Vorschriften und Normen zu berücksichtigen, dass man das kaum hinbringt. Denken Sie allein an Barrierefreiheit, Arbeitnehmerschutzbestimmungen – da rechnet sich ein Projekt schnell nicht. Dann bleibt manchmal nur der Abriss. Unter Nachhaltigkeit verstehe ich etwas anderes.“ Diese sei dem Altbau auf den Leib geschrieben. „Die Bausubstanz ist in der Regel von höchster Qualität. Viele Gebäude sind 100 bis 150 Jahre alt.“ Doch eines steht für Neubauer fest: „Jedes Objekt hat eine Nutzungsüberforderung. Wer diese Grenze überschreitet, bürdet dem Gebäude zu viel auf und zerstört es.“

MM-F_Roundtable-14„Nachhaltigkeit wird zu oft nur unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit gesehen“, wirft ÖRAG Vorstand Peter Scharinger (Liegenschaftsverwaltung, Baumanagement) ein. „Das greift zu kurz.“ Flächeneffizienz sei in Neubauten kein Problem, in Altbauten nicht immer optimal zu realisieren. „Sie können in Altbauten kaum Mauern versetzen, Flächen können nicht so einfach geteilt oder neuen Entwicklungen angepasst werden.“ In diesem Bereich sei auch ein Umdenken notwendig. „Im Büro sprechen wir ausschließlich von Kosten pro Quadratmeter.“ Die Ziffer, auf die es aber ankomme, wären „Kosten pro Arbeitsplatz“. „Rechnen Sie alle Personalkosten zusammen, da fallen ab einer gewissen Unternehmensgröße die Kosten für die Bürofläche kaum ins Gewicht.“

Oft sind auch die vielen Normen ein Hemmschuh. „Es gibt zu viele Normen“, übt Scharinger Kritik. „Viele davon sind bei Altbausanierungen nicht umsetzbar – in einigen Fällen sogar widersprüchlich.“ Präsidentin Neubauer kann hier mit einem kuriosen Beispiel aufwarten. „Es gibt eine nur mit Pickel und Seil erreichbare Schutzhütte. Dem Betreiber wurde nicht nur das Anbringen eines höheren Geländers, sondern auch, aus Gründen des Brandschutzes, eine Fluchtstiege vorgeschrieben.“ Die Normen dürfen nicht zum Selbstzweck werden. „Das Austrian Standards Institut lebt davon, Normen zu machen. Die Produktion von Normen wurde zum Geschäftsmodell – das ist unsinnig“, mahnt Philipp Kaufmann, Gründungspräsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI).

Sahl: „Es immer eine Frage der Nutzung, aber auch der Phantasie, was aus einem Gebäude zu machen ist.“ Die Einstellung zu alten Gebäuden habe sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verändert. „Ende der 70er Jahre wollte man das Palais Ferstel abreißen“, blickt Neubauer zurück. Das Palais an der Freyung in der Wiener Innenstadt wurde als Nationalbank- und Börsengebäude errichtet. Nach dem Krieg schwerbeschädigt diente der große Börsensaal als Basketballplatz. Erst Bürgerproteste machten den Abrissplänen einen Strich durch die Rechnung. „Auch dank Robert Dornhelm und Peter Patzak, die sich mit einem Film gegen den Abriss stellten“.MM-F_Roundtable-1

Dass das Bundesdenkmalamt in der Öffentlichkeit oft als Hemmschuh bei neuen Nutzungen wahrgenommen wird, daran stößt sich die Präsidentin nicht. „Sehen wir die Sache realistisch – In Österreich stehen im Vergleich zu anderen EU-Ländern vergleichsweise wenig Gebäude unter Denkmalschutz. Das ist schon ziemlich eingedampft. Die Highlights sind zu erhalten. Österreich lebt davon. Es geht auch um unsere kulturelle Identität und unser kulturelles Erbe.“ Nicht ohne Grund habe die EU 2018 zum Jahr des kulturellen Erbes ausgerufen.

Philipp Kaufmann, Gründungspräsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI): „Bei der Nutzung stößt man auf Grenzen. Stellt sich die Frage: Wie findet man die ideale Nutzung.? Allein die vielen Auflagen, zum Beispiel in der Gastronomie, lassen sich kaum alle erfüllen. Bei Büros ist die Flächeneffizienz das Zünglein an der Waage.“ Für Kaufmann stellt sich die Frage, ob hier die Eigentümer nicht in eine Betreiberrolle gedrängt werden. In nicht jedem Schloss kann ein Museum einziehen. Vor allem aber: Dafür gibt es keinen Markt: „Ich habe noch kein Inserat gesehen: Habe Objekt, suche Museum.“ Vor allem Erben hätten es schwer. Professionelle Käufer wissen in der Regel, was sie zu tun haben und was sie können. Erben fehlt dieses Fachwissen. Vor allem aber - mit einem Altbau muss ich mich identifizieren können. Es wird schwierig einem Penthouse-Fan zu erklären, dass es sich auch in einer Beletage gut leben lässt. Entweder es sieht jemand die Qualitäten oder er sieht sie eben nicht.

Fehlt das Nutzungskonzept oder der Wille bzw. die Expertise eines umzusetzen, bleibt häufig nur der Verkauf. Auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat Schloss Puchenau, das Verwaltungszentrum der Bauhütte Leitl-Werke verkauft. Das Schloss wurde nach 2009 grundlegend renoviert und umgestaltet. Dabei wurden im Gebäude Wohnungen und Gewerbeflächen geschaffen. Zudem befindet sich im Schloss der Trausaal der Gemeinde Puchenau, der auch für weitere kulturelle Zwecke genutzt werden kann.

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„Also wenn Sie in der Salzburger Altstadt ein Objekt auf den Markt werfen, ist es in zwei, drei Monaten weg. Am Land ist es wohl schwieriger“, wirft Scharinger ein. Obwohl: „Größere Objekte in exponierter Lage, die eine besondere Nutzung brauchen, sind relativ günstig zu haben“, so der ÖRAG Vorstand. „Die Privaten bekommen viel zu wenig Unterstützung“, klagt Neubauer. „Wir haben immer wieder ohne Erfolg – zum Beispiel eine steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen durch Sanierungsmaßnahmen im Denkmalschutz – mehr Hilfestellung für private Bauherren durchzusetzen versucht.“ Es sei einfach kein Geld da. „Eine verkürzte Abschreibung – mehr kriegt man nicht – ist einfach zu wenig.“ In Deutschland hingegen gebe es ein ganzes Büchlein mit Hinweisen für steuerliche Begünstigungen. „In Österreich reicht dafür ein Blatt Papier“, bringt es Kaufmann auf den Punkt.

MM-F_Roundtable-52„Wer ein denkmalgeschütztes Objekt in Schuss hält, leistet einen Dienst an der Allgemeinheit. Dies sollte – gerade in einem Tourismusland – deutlich mehr als bisher Berücksichtigung finden“, mahnt Sahl und zieht Parallelen zur Landwirtschat. „Für die Pflege der Kulturlandschaft bekommt der Landwirt auch nichts.“ Dies führe zu der paradoxen Situation, dass vorhandene Gebäude unter Umständen verfallen, und ein paar Meter weiter auf der grünen Wiese ein Neubau entsteht. Ein Beispiel gefällig: Ein Schönheitschirurg möchte in einem Ort eine Ordination eröffnen und plant einen Neubau, obwohl im Ort ein – vielleicht auch durch teuren Umbau – adaptierbares Objekt vorhanden wäre. „In diesem Fall wäre doch eine finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand gerechtfertigt.“

Ausbildung zielt auf Neubau

Sahl und Neubauer sind sich sicher, dass man aus dem Altbestand – egal ob unter Denkmalschutz oder nicht – noch viel mehr herausholen könnte. „Die Architekturausbildung zielt auf den Neubau ab. Altbau und Sanierung finden auf der Uni kaum statt.“ Ein Umstand, der auch von Kaufmann kritisiert wird. „Wir haben beim Neubau einen Zuwachs von einem Prozent pro Jahr, gemessen am Bestand, ein bis zwei Prozent des Flächenbestandes werden jährlich saniert.“

Ein großes Manko, wie auch Sahl meint, denn: „Auch wenn alle auf den Neubau schauen. Jeder Neubau ist spätestens nach fünf Jahren ein Altbau.“ Es wäre an der Zeit, auch bei Bauprojekten wieder zu beginnen, langfristiger zu denken. „Das Problem Nutzungskonzepte wird uns in Zukunft immer stärker beschäftigen“, betont Kaufmann.


For the last 4 years, the Burghauptmannschaft has arranged an annual congress about historic buildings in Vienna.

In the offices of the Burghauptmann, the president of the Austrian federal monuments office, Barabra Neubauer, is already expecting me. Also present are ÖRAG managing director Peter Scharinger and ÖGNI founding president Philipp Kaufmann. Our host Reinhold Sahl fires away immediately: „Historic buildings offer more than people might expect. Just look at the palace, there is no monocultural usage here that you see with modern buildings. We have offices, museums, gastronomy...“

For Barbara Neubauer this fact constitutes a unique selling point. „A new structure focuses on single use. The main disadvantage comes with a possible subsequent use - an office block does not lend itself to conversion into flats or a hotel.“

Peter Scharinger (real estate management and development) agrees that any approach must be sensitive. Spatial efficiency is a concern in old buildings. Mr Sahl adds that „we need to think outside the box. It is not so much cost per square meter we should focus on but cost per workstation. All you need is a little imagination.“

Phillip Kaufmann proposes that imagination is sometimes not enough. „Not every castle is a candidate for a museum, apart from the fact there‘s no market for it. And you have to identify with historic buildings. A penthouse lover will not be convinced by historic features.“

Another point where imagination is key would be the support of those who own listed buildings. Old buildings fall to ruin, while a few metres along a new structure is built. Mr Sahl believes that owners who revitalise historic buildings should be eligible for public funding. And regulations should not restrict usage.

The monuments office is often perceived as a stumbling block for new uses in historic buildings. Ms Neubauer brings up the point that, compared to other countries, very few structures are listed in Austria. Furthermore, there are no tax breaks for investment or restoration that other countries have already introduced.

The final point is the training of future architects. „There is almost no attention on old buildings and restoration at university level“, both Mr Sahl and Ms Neubauer agree. The focus needs to shift towards sustainability and subsequent use, because „after five years an new building is already regarded as ‚old‘ „, as Mr Sahl concludes.