Mega-Verantwortung: Nimmt sich ein Investor die Bebauung eines ganzen Landschaftsabschnitts vor, ist die Frage seiner nachhaltigen Verantwortung größer als bei jedem anderen Vorhaben. Der abschreckende Von-Vorhinein-Ruf der Birkenstock-Revolutionäre ist dabei obligatorisch, denn alles, was jenseits eines Naturschutz-Reservats geplant ist, ist in deren Augen verdächtig. Gesellen sich dann noch Neidausstöße jener hinzu, die sich „so etwas Schönes, das da entsteht“ niemals leisten können, bewahrheit sich wieder einmal das Motto „viel Feind, viel Ehr“.
So geschehen bei den Großprojekten der Entwicklungsmagnaten Signa, die in einem 78.000 Quadratmeter großen Olivenhain am italienischen Gardasees Luxusimmobilien als Ferien-Zweitwohnsitze errichtet, sowie Orascom Development, die inmitten der Schweizer Gotthard-Berge 1,5 Millionen Quadratmeter zu einer Ganzjahresferiendestination ausbaut: das Dorf Andermatt.
Dabei weiß man eigentlich nicht, wessen Annäherung größer ist: Jene des ägyptischen Visionärs Samih Sawiris an die Schweizer Mentalität und Örtlichkeit, oder jene der Schweizer an das Unternehmensprofil des Milliarden-Investors. Heraus kommt eine schrittweise Nuance-Verschiebung von zwei Imagekontrasten zu einer interessanten Symbiose. Man könnte es auch das „Heidi“-Phänomen nennen. Genauso wie die japanische Anime-Serie es 1974 mit dem Stoff der Schweizer Schriftstellerin Johanna Spyri aus dem Jahr 1880 über den asiatischen Trickfilmspezialisten Zuiyo Enterprises schaffte, die einfache, natürliche und niedliche Wesensart der Heldin Heidi im romantischen und idealtypischen Bild der Schweiz in die Tourismusherzen aller Welt zu tragen, so erscheint auch das Herzstück des Projekts: das asiatisch-schweizerisch gestaltete 5-Sterne-Deluxe-Hotel „The Chedi Andermatt“.
In raffiniert-edler Schlichtheit mit Holz, Stein und Leder aus der Region wurde es vom belgischen Stararchitekten Jean-Michel Gathy nach BetreiberPhilosophie des Indonesiers Adrian Zecha und des Schweizers Hans R. Jenni unter dem Label GHM mit Sitz in Singapur geschaffen, die bereits drei Chedis in Bali/Indonesien und im arabischen Oman mit dem Ruf eines „Gesamtkunstwerks im umgebenden Raum“ entwickelten.
Gaumentechnisch belebt wird es im The Restaurant und The Japanese by Hide Yamamoto, geleitet vom deutsch-iranischen Michelin-Sterne-Koch Mansour Memarian. Und zur Wellness lädt ein exklusives Spa. Der Erfolg dieses internationalen Anziehungspunkts zeichnet sich laut Kommunikationsleiter der ausführenden Orascom-Tochter „Andermatt Swiss Alps AG“, Markus Berger, seit Eröffnung im Dezember 2013 in einer bisher „eingependelten durchschnittlichen Auslastung von 50 bis 60 Prozent“ ab, wobei mit Skisaison-Ende „für die Zeit bis zur Inbetriebnahme des Golfplatzes mit einer etwas tieferen Auslastung gerechnet wird.“ Ein Deluxe-Zimmer ist ab 650 Franken pro Nacht buchbar, inklusive, laut Kritikermeinung, „unübertrefflichem“ Frühstück.
Die von in Metropolen lebenden Menschen mit der Schweiz verbundene Heidi-Sehnsucht nach vorhandenen Bergen, Alpen, unberührter Natur und freiem Bauernleben stößt hiermit auf eine Luxusklasse allererster Sahne, wobei sich allerdings die Schweiz selbst mit hochstehender Technik, Fortschritt und Bankenwirtschaft identifiziert. Kein Wunder also, dass sich 2007 90 Prozent der Einheimischen des bis jetzt intimen Skigebiets Andermatt für Sawiris Vision von einem Resort mit sechs Hotels, 25 Villen, 490 Appartements, Kongresseinrichtungen, Schwimmbad, 18-Loch-Golfplatz, Parkhaus, Einkaufs- und Sportzentrum ausgesprochen haben, nachdem Sawiris sogar die Befreiung von der Lex Koller erwirkt hatte, wonach internationale Kunden eine Bewilligung von der Schweizer Regierung für den Immobilien-Kauf und -Verkauf brauchen.
Bemerkenswert dabei ist, dass der „Alltägliches in exquisite Destinationen verwandelnde“, fließend Deutsch sprechende Sawiris zuvor von den Eidgenossen in einer Phase lokaler Depression zur Besichtigung eingeladen worden war, nachdem der Ort als Militärstützpunkt keine Einnahmen mehr verzeichnet hatte, und immer mehr Menschen abwanderten. Trotzdem verläuft die Bebauung nicht hürdenfrei – angefangen bei Vorwürfen der Überdimensionierung, worauf Sawiris kontert, „wir werden, wenn alles gebaut ist, immer noch klein sein. Jetzt leben hier 1.500 Einwohner, danach werden es höchstens 3.500 sein.“
In der Orascom-Vorbild-Destination El Gouna beherbergt Sawiris 22.000 Einwohner auf 36,9 Millionen Quadratmeter, „und das ist auch nicht so groß“. Der Naturschutzverband Pro Natura Uri, mit dem Orascom neben anderen Nichtregierungsorganisationen nach eigenen Angaben in Hinblick auf höchste ökologische Standards zusammenarbeitet, kritisiert in Zeiten von Klimawandel und Gletscherschmelze eine Un-menge von Wasser- und Stromverbrauch, insbesondere durch die familienfreundliche Zusammenlegung der zwei Skigebiete Sedrun und Andermatt bis 2017/18 mit 14 neuen Liften an sonnigen Hängen inklusive Schneekanonen. Die Einhaltung ausgehandelter Kompromisse wird mit wachsamen Augen kontrolliert, obwohl Andermatt Swiss Alps weder etwas anderes kann, noch will, als „nachhaltig“ zu sein. Berger: „Das hängt mit der sehr langfristigen Planung der Umgebung von den Immobilien bis zum laufenden Betrieb nach dem Bau aus einer Hand zusammen, ausgeführt von keiner Investmentgesellschaft, sondern von einem persönlich engagierten Unternehmer.“
Berger betont, dass es eben „kein reines Luxus-Immobilien-Projekt“ sei: „Die 850 Hotelzimmer und die rund 500 Ferienwohnungen des Gesamtprojekts gibt’s auch im 4-Sterne-Bereich, Wohnungen auch einfach und preiswert. Samih Sawiris legt Wert auf eine gute Durchmischung, weshalb er weder ein Luxus- noch ein Massenghetto bauen wird. Diese breite Durchmischung macht jedoch die luxuriösen Immobilien (Hoteleinheiten im ‚The Chedi Andermatt‘, Penthäuser, Chalets, Maisonette-Wohnungen) besonders interessant und nachhaltig werterhaltend.“
Der wiederholt sein privates Geld in dreistelliger Millionenhöhe zuschießende Sawiris meinte gegenüber dem Schweizer Fernsehen: „Das ist nicht meine schwierigste, sondern teuerste Mission. In der Schweiz weiß man, wo man steht, und das ist immer gut. Wenn sie Zeit braucht, nehme auch ich als Ägypter mir Zeit. Manche Schweizer unterschätzen ihr Land und sehen deshalb dieses Projekt als riskant an. Das wundert mich, wo wir fantastischerweise bereits 275 Millionen durch Verkäufe eingenommen und nur 350 Millionen ausgegeben haben. Und das unter Umständen konzerninterner Unsicherheiten nach politischen Unruhen und schlechter Presse wie: Kommt die Schigebiets-Zusammenlegung? Hat Sawiris überhaupt Geld? Wird ihn Ägypten nicht kaputt machen? Werden ihm die Umweltorganisationen einen Strich durch die Rechnung machen?“
Im eher oberen Preissegment weitgehend verkauft sind die Appartements im „The Chedi Andermatt“. Im Moment ist laut Berger „die Nachfrage nach preiswerteren und voll eingerichteten Ferienwohnungen oder kleineren Einheiten im in drei Jahren fertigen Radisson Blu Hotel lebendig.“ Das breite Angebot umfasst alle Größen bis zu großräumigen Penthäusern und Chalets, zu Preisen von 550.000 bis 15 Millionen Franken und von Chalet-Projektskizzen über Rohbauten und Standardausbauten bis zur möblierten Wohnungseinheit mit umfassendem Hotelservice. Die Käufer kommen mehrheitlich aus der Schweiz, aus europäischen Ländern und zu einem Drittel aus der ganzen Welt. „Auch die Investition und Anlagemöglichkeit mit geringen rechtlichen Einschränkungen, dafür sehr hoher Sicherheit und viel Potenzial für Wertsteigerung“, sei Grund für die gute Nachfrage. Diesen Sommer wird das erste Chalet, im Herbst werden die Appartements in den beiden Häusern „Hirsch“ und „Steinadler“ ihren neuen Besitzern übergeben. Nach den restlichen Hotelresidenzen im „The Chedi Andermatt“ und dem dritten Appartementhaus „Gemse“ Ende dieses Jahres, werden 2015 das Haus „Biber“ und das Golf Club House fertig.
Signa äußert sich indessen gegenwärtig gar nicht zum Verkaufsstand und Baufortschritt des Luxus-Projekts Villa Eden Gardone, mit seinen sieben Unikat-Villen von 700 bis 1.200 Quadratmeter, einem Landmark Building mit vier Wohnhäusern à 270 Quadratmeter und dem Clubhouse mit fünf Appartements von 85 bis 195 Quadratmeter, jedes mit unverbaubarem Blick auf den Gardasee. Es scheint, als wären alle beteiligten Stararchitekten und Verkaufsstellen mit einem Schweigebann belegt, obwohl das ganze Projekt laut Aussage des Bauleiters Anfang 2013 „im Juni 2014 fertig werden sollte“. Lediglich von Stararchitekt Richard Meier tönt es bezüglich dessen Immobilie: „Vollendung noch vor Jahresende“. Und der, nach wie vor, „all jene“ Immobilien im deutschsprachigen Raum anbietende Luxusmakler Engel & Völkers, meldet weniger Nachfrage, seit Signa nicht mehr dafür werbe, und das, obwohl im Oktober 2013 zumindest die Villa von Matteo Thun an einen Schweizer, sowie zwei Appartements sicher verkauft gewesen wären.
Signa-Boss René Benko sprach dagegen schon früher gegenüber diversen Medien von mindestens zwei verkauften Häusern vor Baustart Anfang 2012, nämlich an einen griechischen und einen italienischen Kunden, zuvor war noch von unterzeichnungsbereiten Kaufverträgen mit Interessenten aus Süddeutschland und Luxemburg die Rede. Zwischendurch fielen Star-Namen wie Sebastian Vettel, Dietrich Mateschitz, Tina Turners Mann und Angelina Jolie mit Brad Pitt. Letzteren wären die Häuser aber zu klein gewesen. „Die Villen kosten zwischen 10 und 15 Millionen Euro, da muss man schon eine gewisse Vermögensstruktur haben. Man darf nicht vergessen, wie viele vermögende Menschen es gibt“, sagte Benko vor drei Jahren bei der Projekt-Bewerbung, „Immobilien sind in dieser Wirtschaftskrise – neben Rohstoffen – die sicherste Veranlagungsform und das spüren wir natürlich.“ Soll die kryptische Geheimniskrämerei also dazu dienen, die künftigen Besitzer zu schützen oder rangeln mehrere um dieselben Objekte und wird erst bei Fertigstellung endgültig unterschrieben? – Es wäre verständlich. Denn das Projekt ist bei näherer Betrachtung der Häuser hinsichtlich Wertgewinn und Nachhaltigkeit gründlich durchdacht, selbst wenn es auch hier kritische Bemerkungen vom Zubau des letzten grünen Hangs und endgültigen Ausschluss der „niederen“ Öffentlichkeit zugunsten einer kleinen Elite gibt.
Wenn entlang der auf gehobenen Tourismus ausgerichteten Gardasee-Küste tausende von unverkauften Wohnmöglichkeiten auf ihren Absatz warten, liegt das wohl daran, dass es, wie Benko sagt, „hier keine Standardvillen mit Wohnräumen bis zu 100 Quadratmeter, keine hochwertige zeitgenössische Architektur gibt.“ Berühmte und zahlungskräftige Interessenten fragten aber heute danach. Und wahrscheinlich auch nach den im Konzept enthaltenen buchbaren Services wie dem Clubhouse mit extra Swimmingpool – denn jedes Haus hat ja seinen Privatpool –, Gourmetrestaurant, Hubschrauberlandeplatz, 24h-Security, Gärntner-, Reinigungs- und Wäschedienst, Resort-eigener Concierge, Kinderbetreuung und Putting Green, „damit man die Zeit hier für sich richtig nutzen kann. Freizeit ist oberstes Credo, Entspannen mit allen Annehmlichkeiten eines Hotels.“ Benko geht da wohl von seinen eigenen Bedürfnissen aus, denn er besitzt selbst im nahen Sirmione eine 200 Jahre alte Privatvilla mit modernen Möbeln, in die er oft Geschäftspartner lädt. „Ich fühle mich schon seit meiner Jugend sehr wohl am Gardasee. Es vereint mein ureigenstes Interesse für Architektur und den Gardasee als Rückzugsgebiet mit mediterraner Lebensqualität.“
Die Einfühlung in den baumgrünen Hang beginnt mit der Platzierung der Villen. Matteo Thun bildet mit seinem wie Wasser blau-grün verglasten Clubhouse einerseits den Eingang des Resorts am unteren Teil des Grundstücks, wo Restaurantbesucher parken und einkehren können. Andererseits thront seine 500-Quadratmeter -Villa wie eine mit Glasfronten versehene Wohnbrücke zum See, mit umwerfendem Panorama-Blick am oberen Teil des Komplexes. Die Terrasse mit Infinity-Pool kommt neben dem Eingang über eine Natursteintreppe als erhabene Verlängerung des Gardasees daher. „Unsere Architekten sind sehr bedacht im Umgang mit der Natur. Sie räumen auch dem Landschaftspark, den Enzo Enea gestalten wird, mit extra Ruhe-Oasen für die Villenbesitzer eine wichtige Rolle ein.“
Die Architektur nimmt sich selbstbewusst zurück und scheint fast verwachsen mit Hang und Olivenbäumen, die behutsam versetzt werden. David Chipperfield sagt über seine hintereinander gestaffelten Naturstein-Mauerwerk-Gebäude: „Sie sollen sich so unauffällig in die Landschaft fügen wie die jahrhundertealten bewachsenen Limonaie (alte Zitronenhäuser) aus Stein.“ Das für Richard Meier typisch weiße Haus mit zahlreichen Ausblicken hält das Farbspektakel der Umgebung fest, gibt die Sicht bei Lichtdurchflutung nach innen und ständigem Bezug zur Hanglage auf das Panorama frei. Und das Architekturbüro sphere bildet mit drei eleganten futuristischen Klötzen einen Kontrapunkt, weil hier dem klassischen ein urbaner Loft-Wohnungsstil entgegengehalten wird, erreichbar durch Tiefgarage oder Treppenturm: ein großartiges, großzügiges Raumerlebnis.
Für die Naturschützer ist es vielleicht ein Trost, dass Benko das Grundstück einem Investor abkaufte, der hier 130 kleine Appartements errichten wollte. Er hätte dafür pro Quadratmeter auch nur halb so viel wie Benko verlangen können, was die Gegend zusätzlich abgewertet hätte. Bevor man den Tiroler aber nun zum Retter in der Not hochstilisiert, sei noch gesagt, dass jener Investor für seine Idee ohnehin keine Bewilligung bekommen hatte, und deshalb um 10 Millionen an Signa verkaufte. Benko, der durch alle Instanzen bis Rom gelaufen war, um sie letztlich zu erhalten, hatte also doch das verantwortungsvollere Konzept und investiert 65 Millionen Euro.