Der österreichische Investmentmarkt durchlebte im ersten Halbjahr 2024 eine äußerst herausfordernde Phase, die durch verschiedene Faktoren verursacht wurde: Die nach wie vor zu hohe Inflation sowie das seit Beginn der Ukrainekrise stark gestiegenen Zinsniveau haben eine allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit ausgelöst. Getrieben von der rezessiven Entwicklung in der Industrie und einer regelrechten Insolvenzwelle, insbesondere im Immobiliensektor, ist die österreichische Wirtschaft seit vier Quartalen in Folge nicht mehr gewachsen. Die Wirtschaftsforscher prognostizieren auch für das 2. Halbjahr 2024 nur ein verhaltenes Wachstum. Diese wirtschaftliche Entwicklung spiegelte sich auch in einem deutlichen Rückgang des Transaktionsvolumens am Immobilienmarkt wider, das mit knapp über EUR 1,0 Mrd. deutlich unter den Vorjahreswerten lag.
Aktivität bei den Investoren gibt es vor allem bei absoluten Core-Immobilien, wo auch der Großteil der registrierten Transaktionen stattgefunden hat. Kaufinteressenten sichern sich außergewöhnliche Immobilien, die in stabilen Zeiten nicht auf den Markt kommen. Auch wenn die Talsohle der Preisentwicklung noch nicht endgültig erreicht scheint, steht für einige Investoren, die „Sicherung“ absoluter Trophy-Immobilien im Vordergrund.
Der Rückgang der Immobilienpreise findet in allen Assetklassen statt, insbesondere in peripheren und 1b-Lagen. Hier bietet sich die Möglichkeit, vor allem Gewerbeimmobilien im Bestandsbereich mit attraktiven Renditen zu erwerben, die auch einen entsprechenden Leverage ermöglichen.
Ein für den Markt positives Signal war die erste Zinssenkung der EZB. Auch wenn die 25 Basispunkte noch keine Veränderung der grundsätzlichen Situation am Markt gebracht hat, war er als psychologisches Signal für alle Marktteilnehmer sehr wichtig. Für das 2. Halbjahr 2024 werden weitere Zinssenkungen im Ausmaß von 50 bis 75 Basispunkten erwartet, die das Sentiment verbessern sollten, auch wenn eine Transaktionstätigkeit wie vor 2022 wahrscheinlich auch im nächsten Jahr nicht zu verzeichnen sein wird.
Büroimmobilien dominieren Investmentmarkt
Das Gesamtvolumen der Immobilieninvestitionen im 1. Halbjahr 2024 betrug knapp über EUR 1,0 Mrd. Die Verteilung des Volumens auf die verschiedenen Assetklassen zeigt die Präferenzen der Investoren und die Markttrends in den jeweiligen Segmenten: Mit etwa 43 % des Gesamtvolumens dominieren Büroimmobilien den Investmentmarkt.
Diese hohe Quote spiegelt die anhaltende Bedeutung von Büroflächen wider, trotz der Herausforderungen durch Homeoffice/Remote-Arbeit und veränderte Arbeitsmodelle. Wohnimmobilien machten rund 24 % des Investitionsvolumens aus. Für beide Assetklassen gilt: In Spitzenlagen bleiben die Preisrückgänge noch vergleichsweise moderat, während in weniger zentralen Lagen stark rückläufige Preise zu verzeichnen sind.
Gemischt genutzte Immobilien, die etwa 12 % des Gesamtvolumens ausmachten, zeigen das zunehmende Interesse an diversifizierten Nutzungskonzepten. Diese Immobilien kombinieren Wohn-, Büro- und Einzelhandelsflächen, wodurch sie Investoren eine Risikostreuung bei leicht attraktiveren Renditen bieten. Hotelimmobilien, auf die 11 % des Transaktionsvolumens entfielen, profitieren von der dynamischen Erholung des Tourismus. Während vor allem der Anteil der privaten Reisen beinahe wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht hat, hinken die Zuwachsraten bei Geschäftsreisen hier noch etwas hinterher.
Einzelhandelsimmobilien trugen etwa 5 % zum Gesamtvolumen bei. Während die Nachfrage nach Supermärkten und Fachmarktzentren besteht, die überwiegend Nahversorgungsfunktion haben, konnte seit längerer Zeit keine Transaktion über ein großes, überregional strahlendes Shoppingcenter in Österreich verzeichnet werden.
Die Nachfrage nach Logistikflächen ist, obwohl der Umsatz im Online-Bereich im vergangenen Jahr das erste Mal nicht gewachsen ist, noch vergleichsweise solide. Insgesamt kann sich aber auch der Logistikbereich der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und den Auswirkungen durch die gestiegenen Zinsen nicht entziehen.
Heimische Investoren geben Ton an
Die Käuferstruktur zeigt eine deutliche Dominanz einheimischer Investoren. Etwa 95 % der Investitionen stammen von österreichischen Käufern, während deutsche Investoren nur etwa 5 % des Marktes ausmachen. Das Interesse seitens nicht deutschsprachiger Investoren ist zwar im 1. Halbjahr merkbar gestiegen, hat sich aber noch nicht in Transaktionen niedergeschlagen.
Diese Verteilung ist wahrscheinlich wie in den meisten europäischen Ländern auf die Marktkenntnisse der lokalen Investoren und die damit verbundenen Fokussierung und in vielen Fällen auch Einschränkung auf den Heimmarkt zurückzuführen. Um wieder stärker internationales Kapital anzulocken, müssen die Renditen noch steigen und gegenüber anderen Ländern wieder an Konkurrenzfähigkeit gewinnen.
In Bezug auf die Käuferart entfällt der größte Teil der Investitionen mit 58 % auf Kapital von Privatinvestoren, Family Offices und den öffentlichen Sektor. Nur rund 38 % der Investitionen wurden von institutionellen Käufern umgesetzt. Entwickler kommen aufgrund der „verstopften“ Exit-Kanäle hingegen nur auf 4 %.
Renditen seit 2022 merklich gestiegen
Die sinkenden Preise haben die Renditen gegenüber dem Niveau vor 2022 bereits merklich nach oben gedrückt. In Bestlagen ist der Preisrückgang zwar wesentlich moderater, aber keine Lage oder Assetklasse kann sich dem generellen Trend gänzlich entziehen.
Auf dem aktuellen Preisniveau werden Büro- und Wohnimmobilien von den Investoren zunehmend wieder als attraktive Veranlagungen wahrgenommen, die den Vergleich mit anderen Assetklassen merklich öfter wieder bestehen.
Die Renditen für institutionelle Wohninvestments sind im Jahresvergleich trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Situation nahezu unverändert geblieben. Einerseits unterbindet die Kapitalmarktsituation mit einem nach wie vor hohen Zinsniveau Preisanstiege, andererseits ist absehbar, dass es aufgrund der stark rückläufigen Baugenehmigungen und der auf ein „all-time-low“ reduzierten Zahl an Baubeginnen zu einem absehbaren Nachfrageüberhang kommen wird, der die Preise nach oben drücken dürfte. Im Vermietungsbereich ist diese Entwicklung bereits konkret spürbar. Für Wohnimmobilien in Wien liegt die Top-Rendite zwischen 4,25 % und 4,75 %, während sie in den Bundesländern bei 4,75 % bis 5,25 % liegt.
Büroimmobilien in guten, zentrumsnahen Clusterlagen bieten aktuell Top-Renditen von 5,00 % bis 5,50 %. Der erforderliche Renditeaufschlag in schwächeren Lagen steigt überproportional mit Abnahme der Lage- und Objektqualität.
Die Renditen für Einzelhandelsimmobilien sind in einigen Bereichen wie Shoppingcenter aufgrund der fehlenden Evidenz durch Transaktionen schwer festzumachen. Für Highstreet-Immobilien im historischen Zentrum sind die Preise nahezu unverändert, während für weniger frequentierte Einkaufsstraßen oft ein nicht unbeträchtliches Rendite-Premium zu berücksichtigen ist. Auch Objekte auf der Mariahilferstraße können bedingt durch die Situation um das geplante Kaufhaus Lamarr und den Beeinträchtigungen durch den U-Bahn Bau nur noch in Ausnahmefällen mit Renditen von unter 5 % verkauft werden. Ebenso im Fachmarktbereich waren im 1. Halbjahr 2024 äußerst wenige Transaktionen zu verzeichnen.
Die Spitzenrenditen für Fachmarktzentren mit Lebensmittelhändlern als Ankermieter liegen im Bereich von 5,50 % bis 6,00 %.
Die Flächennachfragen im Logistikbereich ist nach wie vor robuster als in den anderen gewerblichen Assetklassen, aber es gibt hier mittlerweile einiges an Leerständen. Die Top-Renditen für Logistikimmobilien in den besten Verkehrslagen liegen im Bereich von 5,00 % bis 5,50 %, in weniger starken Lagen ist auch hier ein spürbarer Renditeauftrieb zu verzeichnen.
Durchwachsenes 2. Halbjahr 2024 erwartet
Die Entwicklung im 2. Halbjahr 2024 wird von einigen teils globalen Risikofaktoren überschattet. Neben der Präsidentenwahl in den USA sind hier vor allem die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten zu nennen. Obwohl erwartet wird, dass die EZB den eingeschlagenen Kurs der Zinssenkungen beibehalten wird, ist ein durchwachsenes Halbjahr zu erwarten, das auch noch nicht ausreichend Wirtschaftswachstum ausweisen wird. Weiters ist zu erwarten, dass die Insolvenzwelle im Immobilienbereich bis ins 4. Quartal weitergehen wird.
Investoren fokussieren daher vor allem auf Bestandsimmobilien mit möglichst sicherem Cash-Flow. In diesem Segment war in den ersten 6 Monaten des Jahres die weitaus überwiegende Zahl der Transaktionen zu verzeichnen und wir erwarten eine ähnliche Entwicklung im 2. Halbjahr. Die angesprochenen Zinssenkungen können auch einen gewissen Rückenwind für die Entwicklung der Transaktionsvolumina bringen, wobei ein Transaktionsniveau wie vor der Ukrainekrise noch in weiter Ferne liegt.