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Immobilien-Manager 4.0

Angelika Fleischl
Angelika Fleischl

Herausforderungen und Chancen. Durch die Änderung der Berufsbilder muss sich auch die Immobilienbranche anpassen. Beim neunten Real Circle wurde auf Einladung des ImmoFokus, Facilitycomfort und ImmoUnited wieder angeregt  - über Digitalisierung - diskutiert.

Keine Frage, die Arbeitswelt ist schneller geworden“, bringt es Sandra Bauernfeind, EHL Immobilien, auf den Punkt. „Allein durch die Mobiltelefone kann man viel schneller reagieren. Auch wenn manchmal auf Kundenseite das Verständnis dafür fehlt, wenn man einmal nicht erreichbar sein kann.“ „Mit unseren Mobiles, Tablets und Laptops können wir ortsunabhängig arbeiten. Das ist auch ein unheimlicher Vorteil“, ergänzt Georg Greutter, Simacek Facility Management Group GmbH.

Produktivität ist sicher gestiegen

In einem ist sich die Gruppe rasch einig. „Dank Digitalisierung kann man schneller Umsatz generieren. Die Produktivität ist sicher gestiegen.“ Die Einkommen seien allerdings nicht zwangsläufig höher geworden. „Es gibt keine Branche in der Immobilienwirtschaft, die nicht von der Digitalisierung profitiert.“ Andreas Millonig, Imabis: „Die Digitalisierung führt auch zu einem Mehr an Transparenz. Die Kunden sind besser informiert. Sie sehen zum Beispiel im Bereich Miete und Eigentum, welche Immobilien zu welchen Konditionen am Markt sind. Ist der Wissensstand der Beteiligten hoch, beschleunigt das auch die Entscheidungsprozesse.“

Voraussetzung sei allerdings, dass alle ihre Hausaufgaben gemacht haben. Wilhelm Sterl, Immofinanz: „Es geht um interne Prozesse. Man muss sich erst einmal mit sich selbst beschäftigen und die eigene Unternehmensstruktur hinterfragen – und, wenn notwendig, Prozesse neu aufsetzen“. Das sei aber manchmal schwierig. Greutter: „Wir sind Gewohnheitstiere. Wir wechseln nur, wenn wichtige Gründe vorliegen.“ Für Millonig spielt hier die Datensicherheit eine wesentliche Rolle. „Da darf nichts passieren.“ Oft ist man mit einem System „verheiratet“ –  da tut eine Scheidung emotional weh – und kostet eine Menge Geld.

Vor allem aber: „Wir haben das Gefühl, schnell sein zu müssen. Wir sollten durchaus hin und wieder mehr Gelassenheit an den Tag legen.“ „Den Druck bauen wir aber selbst auf“, wirft Greutter ein. „Diese Gelassenheit aber kommt mit der Routine und der Berufserfahrung“, kontert Bauernfeind. Wobei die Immobilienexpertin ihren Kollegen in einem Punkt beipflichtet: „Die Kommunikation ist sicher impulsiver geworden. Es empfiehlt sich, die eine oder andere Mail nicht in der ersten Emotion zu schreiben.“ In schwierigen Fällen einmal eine Nacht darüber zu schlafen, mache sicher Sinn. „Da braucht man auch einen guten Partner.“ Doch die Digitalisierung habe auch ihre Schattenseiten. Das Volumen an Daten werde immer größer – ob aber die daraus gezogene Information qualitativ besser werde, sei fraglich.

Wir haben gelernt, damit umzugehen

Übereinstimmung herrscht auch darüber, dass die Immobilienbranche in Sachen Automatisation nach wie vor anderen Branchen hinterherhinke. Greutter: „Wer kann sich noch erinnern, wie groß der Widerstand gegen die Check-in Schalter am Flughafen war? Wie lautstark wurde da gejammert, dass sich keiner mehr um einen kümmert. Heute ist das alltäglich. Wir haben gelernt, damit umzugehen.“ Für den Simacek-Manager ist die Immobilienbranche noch zu stark nach den Einzelgewerken organisiert. „In der Übergabe und der gemeinsamen Nutzung von Daten liegt der Erfolg.“

Gut, wenn man über den Zaun blicken kann

Was die Ausbildung des Immobilienmanagers 4.0 betrifft, ist sich Franz Pöltl, EHL Immobilien, sicher: „Es ist gut, wenn man ein breites Fundament hat, damit man ein bisschen über den Zaun blicken kann.“ Dem stimmt Gernot Ressler, LeitnerLeitner, zu und ergänzt: „In unserem Beruf neigt man dazu, sich sehr stark zu fokussieren und einzuengen.“ Laut Eva Aschauer, RBI, sollte man sich ausbildungstechnisch nicht zu früh spezialisieren. Generell denkt sie: „Weiter im Berufsleben braucht es beides – sowohl Spezialisten als auch Generalisten.“ Fritz Hrusa, Grohe GmbH, ist der Meinung, „dass es immer schwieriger wird, Generalist zu sein. Die Informationen werden immer vielfältiger. Ohne Spezialisierung wird es in Zukunft nicht mehr gehen.“ Deshalb ist es für Alfred Hagenauer, A-Null, wichtig, dass man flexibel ist: „Man muss bereit sein, etwas Neues zu lernen.“ Sonst laufe man Gefahr, bald nicht mehr up to date zu sein.

 Der richtige Mix mache es aus

Ob Generalisten oder Spezialisten gefragt sind, hänge ebenso von der konkreten Tätigkeit ab – der richtige Mix mache es aus. Teamarbeit und Soft Skills werden immer wichtiger. Dennoch scheint eine einschlägige Ausbildung in der Branche unumgänglich. Für einen Mitarbeiter ist das Interesse an der Sache ausschlaggebend – und zwar über den Tellerrand hinaus. Dabei wird die Work-Life-Balance in den letzten Jahren immer mehr zum Thema. Hrusa: „Das ist in Ordnung – aber wenn man mehr will, dann muss man mehr geben.“ Aschauer sieht darin neue Aufgaben für Führungskräfte, mit den nachfolgenden Generationen umgehen zu können. Es sei in mancherlei Hinsicht einfacher, weil man bei den nachfolgenden Generationen wisse, woran man ist. „Eine offene Diskussion muss man als Führungskraft aushalten können.“ Pöltl erklärt: „Grundsätzlich denke ich, dass den Spezialisten über weite Bereiche die Zukunft gehört.“ Die Outperformer werden zusätzlich die Randbereiche abdecken, die nicht mehr zu ihrem Spezialgebiet gehören.

Wie teilt man die Wertschöpfung auf

Durch den technologischen Wandel werde man schon zu einer gewissen Spezifikation gezwungen. Qualifizierung sei die einzige Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Auch das Handwerk werde sich dadurch fundamental verändern. „Man wird eine gewisse IT-Kenntnis brauchen, weil die Handwerker von  gestern durch HTL-Ingenieure ersetzt werden. Parallel dazu wird es die Hilfskräfte geben, die die unqualifizierte Tätigkeit verrichten“, so die Experten. Dadurch wird die Schere zwischen den Fachkräften und den Hilfskräften geöffnet: „Das ist ein grundsätzliches und gesellschaftliches Problem – es geht in der Tat ein gewisses Mittelsegment verloren.“ Die Entwicklung kann und soll man nicht aufhalten. Im Endeffekt ist es eine sozialpolitische Frage – „Wie teilt man die Wertschöpfung aus Mensch und Maschine auf alle auf? Das ist der Punkt“, so Aschauer abschließend.

Work-Life-Balance wird immer wichtiger

Junge Mitarbeiter sind in der Gruppe von Ronald Goigitzer gefragt. „Die Qualität eines Unternehmens steht und fällt mit der Qualität und Qualifikation der Mitarbeiter. Aber es kommt auch auf deren Leistungs- und Einsatzbereitschaft an“, erklärt Hermann F. Kolar, Facilitycomfort.

Diese Leistungs- und Karrierebereitschaft sei bei den Jungen kaum mehr vorhanden. Die Work-Life-Balance wird immer wichtiger. Roland Schmid, IMMOUnited: „Wir wollen nicht den Besten für den Job, sondern den Richtigen – das kann auch der sein, der um 16:30 das Büro verlässt.“ Dies könne aber nicht in jeder Position funktionieren. Seeberger gibt zu bedenken: „Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Die Freizeitfokussierung hat zugenommen, aber: Was bietet denn das Unternehmen noch?“

„Früher haben sich die Menschen in einem Unternehmen stark an die Gegebenheiten angepasst. Heute ist das umgekehrt“, so Goigitzer. Birgit Trofer, Realkompetenz, sieht es als ein Geben und Nehmen. „Man muss Kompromisse machen“, so Schmid weiter.

Ausbildung in der Branche immer besser

Für Hans-Peter Waltenberger, Generali, wird die Ausbildung in der Branche immer besser. Jedoch: „Wenn man jemand Passenden gefunden hat, ist es ein permanenter Prozess, das interne Marketing am Laufen zu halten. Die Guten sind die ersten, die gehen“, erklärt Kolar. Vor 20 Jahren hat man sich für eine Firma für das ganze Leben beworben – das sei schon lange nicht mehr so. Trofer: „Die Motivation ist wichtig. Heute bewerben sich Kandidaten und Unternehmen gleichermaßen.“

Michael Seeberger, PROJECT PI Real Estate CEE AG: „Wenn man in unserer Branche arbeiten will, ist es notwendig, Spaß an Immobilien zu haben. Wenn einen das Thema nicht interessiert, ist die Bereitschaft, sich dort weiterzuentwickeln, nicht gegeben.“ Als Arbeitnehmer ist es in einem gewissen Maß wichtig, flexibel zu sein und einmal länger zu bleiben. Als Arbeitgeber müsse man aber auch darauf achten, dass das nicht jeden Tag passiert. Für Schmid geht der Trend in Richtung Employer Branding. Die Bezahlung sei heutzutage generell ein Problem. Waltenberger ruft ins Bewusstsein: „If you pay peanuts, you get monkeys.“

Ein Zaubermittel für eine Anstellung gibt es nicht. Für Seeberger kommt es auf die Person an, wie sie sich gibt und reagiert. Der Immo-United-Geschäftsführer ergänzt: „Man muss das Gefühl haben, dass der Bewerber es wirklich will.“ Wesentlich ist auch die weitere Entwicklung auf beiden Seiten – das emotionale Gehalt. „Wenn ich trotz aller Widrigkeiten gern da bin, ist es das richtige Unternehmen“, folgert Kolar. Wertschätzung und Anerkennung sind wichtig. „Man braucht den persönlichen Erfolg, egal in welcher Position. Sonst empfindet man sich als nutzlos und sucht sich andere Alternativen“, so Schmid. Trofer erklärt: „Wenn man das als Arbeitgeber aufnimmt, hat man in der Mitarbeiterbindung schon viel gewonnen.“

Gewohnt, von Menschen beraten zu werden

In der Gruppe von Alexander Bosak, Bosak und die Wölfe, gibt es eine hitzige Diskussion darüber, ob ein Computer den Menschen ersetzen kann. Für ihn stellt sich die Frage, ob man sich überhaupt auf die Ergebnisse verlassen darf, wenn Daten automatisch analysiert werden – „Wäre es bei Unikaten überhaupt zulässig, Verallgemeinerungen zu treffen?“ Marcus Berger, Planet Home Immobilien GmbH, widerspricht. Man dürfe nicht versuchen, mit dem heutigen Kenntnisstand die Zukunft vorherzusagen. „Wir sind es gewohnt, dass wir von Menschen beraten werden, das ist aber nicht in Stein gemeißelt.“ Thomas Glanzer, BIG, sieht das ähnlich und zitiert: „Jedes Unternehmen, das sich nicht mit der Thematik 4.0 auseinandersetzt, wird scheitern.“

Bosak wirft ein: „95 Prozent sind Bestandsimmobilien. Man wäre nicht gut beraten, wenn man sich die Immobilie nicht persönlich ansehen würde.“ Trotzdem: Der Mensch hätte keine Chance mitzuhalten – die Daten, die man erst zusammensuchen muss, hat der Computer in Sekunden parat. „Ich wüsste nicht, wieso das nicht auch intelligent sein sollte“, so Berger. Das könne aber eine Generationenfrage sein.

Digitalisierung nicht immer förderlich

Sandra Hochleitner, RESH: „Wir sind selbst so fasziniert von dieser digitalen Welt, aber wir legen vielleicht zu viel Vision hinein.“ Nicht immer sei Digitalisierung förderlich. Nicht alles sei schwarz oder weiß. „Das subjektive Empfinden des Menschen kann mir kein Online-Tool beschreiben“, so Hochleitner. Natürlich werden Daten verwendet – jedoch dienen sie eher zur Unterstützung. Berger erklärt: „Man konnte sich vieles, das heute möglich ist, vor Jahren noch nicht vorstellen – vielleicht Emotionen. Das kann ein Programm nicht erfassen.“ Berger: „Aber auch der Mensch kann vieles nicht mit Gewissheit sagen. Seine Annahmen können genauso falsch sein wie die des Computers.“

Der Makler werde nicht völlig aussterben, das Anforderungsprofil sich aber drastisch ändern. Die Verwaltungs- und Bewertungsberufe seien mindestens genauso betroffen. Aber man müsse sich sicher sein können, dass die Systeme funktionieren. Die Frage ist, wie weit man geht, nur weil etwas möglich ist. Berger: „Es kann sein, dass vieles gar nicht kommt, weil der Mensch das nicht will.“ Glanzer: „Das Berufsbild 2030? Ich glaube, die ehrlichste Antwort ist: Wir wissen es alle nicht.“

Starker weiblicher Einfluss

Auch wenn die Immobilienbranche oft als Männerdomäne wahrgenommen wird, sehen die Diskutanten rund um Christian Call, Facilitycomfort, starken weiblichen Einfluss in der Branche. Georg Spiegelfeld, Spiegelfeld Immobilien: „Die Frauen geben an, was gemietet wird, und sind die besseren Vermittlerinnen und Verkäuferinnen.“ Christian Ofner, Reamis, bestätigt: „Die Frauenwelt beeinflusst den Immobilienkauf massiv. Eine Immobilie unterliegt der persönlichen Wahrnehmung – es ist ein emotionaler Kauf.“

So werden verstärkt Frauen als Maklerinnen angestellt und sind im Facilitybereich ebenso gut vertreten. Es herrsche ein ausgewogenes Verhältnis. Die Gruppe ist sich einig: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“ Dennoch muss sich die Herrenrunde eingestehen – in Führungspositionen ist der Frauenanteil noch gering. Dies sieht Christoph Pramböck, BDO, als zeitliches Problem: „Karriere und Kinder lassen sich schwer vereinbaren.“ Teilzeitmodelle spielen eine erhebliche Rolle und würden sich positiv auf die Familiengestaltung auswirken. Aber die, die es wollen, würden es nach oben schaffen. Michael Pisecky, S Real, sieht ein: „Da gehören wir noch zu den nachhinkenden Branchen. Ich hoffe, das ändert sich“ – denn es sei nachgewiesen, dass in den ausgewogenen Bereichen die besten Leute arbeiten.

Compliance: Strafen werden immer härter werden

Ein weiterer Bereich, der die Immobilienbranche beeinflusst, ist Compliance. So genannte „Goodies“ stellen viele Konzerne vor eine Herausforderung. Christian Bichlmeier, IMMOUnited, kritisiert: „Teilweise ist die Definition etwas vage – was darf man, was nicht?“ Auch würde ein Compliance Officer wohl nur selten den Vorstand anschwärzen – das Thema werde oft nach unten gedrückt. Pramböck ist sicher: „Compliance wird noch stärker kommen und die Vermischung von Beruflichem und Privatem wird immer klarer gestaltet, weil die Strafen immer härter werden.“ Es sei schon wichtig, um sich keinen persönlichen Vorteil zu verschaffen und Bestechung vorzubeugen, aber „aufgrund der scharfen Regelungen ist vieles nicht mehr möglich“, so Call. Ofner: „Natürlich muss alles seine Richtigkeit haben. Aber wenn man überlegen muss, ob man jemanden zum Mittagessen einladen darf, dann ist das nicht mehr lustig.“

Die Migration ist ebenso Thema der Runde – egal, ob von den Bundesländern oder dem Ausland. Für Pisecky bringt das neue und unterschiedliche Anforderungen. Gerade die Zuziehenden seien auf den privaten Wohnbau angewiesen. Spiegelfeld: „Ich finde diese Durchmischung und Internationalisierung gut. Das betrifft nicht nur Wohnbau, sondern den Bau und Immobilien generell“, denn Vielfalt sei wichtig in einer Stadt.

Native Speaker sind für Unternehmen ein guter Ansatz, vor allem, wenn man auf einen Bereich spezialisiert ist. Pramböck: „Man hat auch den Vorteil, die Mentalität besser zu verstehen.“ Auf die Vielfalt wird in der Runde Wert gelegt. An einem Büroplatz sollen möglichst unterschiedliche Menschen, Frauen sowie Männer, sitzen. Ofner schließt: „Man darf den Faktor Mensch nicht unterschätzen. Man soll sich vor Neuem nicht verschließen. Es muss ein vernünftiges Mittelmaß geben.“ Darauf laufe es hinaus.