Die angespannte Lage an den Immobilienmärkten lähmt das Geschäft der großen Immobilienfinanzierer. Im ersten Halbjahr 2023 ist das Kreditneugeschäft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Viertel zurückgegangen. Der Neugeschäftsreport* von JLL, der die Aktivitäten von zwölf deutschen Banken analysiert, kommt auf ein Zusagevolumen von insgesamt 13,9 Milliarden Euro. Zum Ende des Jahres 2022 hatten die Banken ihr Neugeschäft noch in etwa auf dem Vorjahresniveau gehalten. Bei der Analyse wurden ausschließlich neu ausgegebene Finanzierungen für deutsche Immobilien berücksichtigt.
„Besonders in herausfordernden Zeiten wie diesen fokussieren sich Investoren wie auch Finanzierer auf vermeintlich sichere und cashflowstarke Investments. Bei den Banken wird das dadurch deutlich, dass sie sich verstärkt auf Prolongationen der bestehenden Finanzierungen sowie auf krisenresistente Assetklassen wie Wohnen und Logistik konzentrieren“, erläutert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.
Von den zwölf Kreditinstituten haben lediglich zwei ihr Neugeschäft im Jahresvergleich ausgebaut: Die Berlin Hyp steigerte das Abschlussvolumen von 2,0 Milliarden auf 2,1 Milliarden Euro, die Deka Bank sagte gewerbliche Immobilienkredite im Umfang von 0,2 Milliarden Euro zu – im ersten Halbjahr 2022 vergab die Bank aus dem Sparkassenlager gar keine Immobilienkredite in Deutschland. Zwei weitere Banken, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die Deutsche Hypo hielten ihr Neugeschäft konstant, die restlichen acht Institute zeigten sich bei der Kreditvergabe merklich zurückhaltend.
Am deutlichsten drosselte die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) das Neugeschäft, das um zwei Drittel von 1,8 Milliarden auf 0,6 Milliarden Euro sank. Auch die Aareal Bank (minus 60 Prozent) und die Münchener Hypothekenbank (minus 50 Prozent) traten kräftig auf die Bremse. Der aktivste Immobilienfinanzierer bleibt mit einem Abschlussvolumen von 2,7 Milliarden Euro die DZ Hyp, gefolgt von der BayernLB (2,3 Milliarden Euro) und der LBBW sowie der Berlin Hyp (jeweils 2,1 Milliarden Euro).
Kreditbestände nehmen weiterhin zu
Die stärkere Fokussierung auf Kreditverlängerungen beschert den Banken höhere Erträge. So berichteten acht Banken, dass sie innerhalb der ersten sechs Monate 2023 bei Prolongationen bestehender Darlehen höhere Margen durchsetzen konnten. Eine Bank hielt die Margen stabil, drei Institute machten hierzu keine Angabe.
Weil vorzeitige Ablösungen aufgrund des schwachen Transaktionsgeschehens praktisch nicht mehr stattfinden, wachsen die Kreditbestände der Banken. Im ersten Halbjahr 2023 gab es ein Plus von vier Prozent auf insgesamt rund 295 Milliarden Euro. Neun der zwölf Banken haben ihre Bestände ausgebaut, am deutlichsten die Deutsche Hypo mit drei Milliarden auf 15,2 Milliarden Euro. Die Helaba hat den Kreditbestand mit 38,4 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau gehalten, Deka Bank und Hamburg Commercial Bank verzeichnen jeweils einen Rückgang um 600 Millionen Euro. Wie beim Neugeschäft ist auch beim Darlehensbestand die DZ Hyp der Spitzenreiter: Beim genossenschaftlichen Institut summierten sich die gewerblichen Immobilienkredite zum Ende des ersten Halbjahrs auf 42,8 Milliarden Euro.
Dass sich im zweiten Halbjahr 2023 an der Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe etwas Grundlegendes ändert, scheint ausgeschlossen. So erwarten fast alle analysierten Kreditinstitute im Gesamtjahr 2023 einen Rückgang des Neugeschäfts im Vergleich zum Vorjahr. Nur die Hamburg Commercial Bank und die Aareal Bank rechnen mit einem ähnlichen Ergebnis.
Insbesondere bei Projektentwicklungen zeigen sich die Kreditinstitute skeptisch und erwarten ein erschwertes Neugeschäft verglichen mit dem Vorjahr. Lediglich die Helaba geht davon aus, dass sie ein vergleichbares Neugeschäftsvolumen für Developments erreichen wird. Acht Banken rechnen mit einem niedrigeren Volumen, die Berlin Hyp sieht sogar einen deutlichen Einbruch. Zwei Institute machten keine Angaben.
Liquiditätsdruck nimmt zu und öffnet Tür für alternative Kreditgeber
„Nach wie vor ist Liquidität vorhanden, jedoch nur noch für einen recht engen Marktausschnitt und unter verschärften Bedingungen. Das spüren insbesondere Projektentwickler, aber auch bei Bestandshaltern kommt der Liquiditätsdruck mittlerweile an“, sagt Timo Wagner, Team Leader Debt Advisory bei JLL Germany.
Das zögerliche Agieren der traditionellen Immobilienfinanzierer ermögliche alternativen Kapitalgebern einen besseren Zugang zum deutschen Immobilienmarkt. „Der Margenunterschied zwischen Banken und alternativen Kreditgebern ist mit dem allgemein höheren Zinsniveau überschaubarer geworden. Bestandshalter sind deshalb deutlich offener gegenüber den Angeboten alternativer Finanzierer geworden“, stellt Wagner fest. Jedoch seien auch bei diesen Marktteilnehmer die gleichen Faktoren für eine Kreditvergabe ausschlaggebend wie bei den traditionellen deutschen Immobilienbanken: „Stabile Cashflows, Nachhaltigkeitskriterien und Preisstabilität der jeweiligen Assetklasse beeinflussen nicht nur die grundsätzliche Finanzierbarkeit, sondern auch die Höhe der möglichen Kreditsumme“, erläutert Wagner.
*Um die Situation für die gewerbliche Immobilienfinanzierung auf dem deutschen Finanzierungsmarkt quantitativ zu beurteilen, hat JLL neben den tatsächlich realisierten Neugeschäftszahlen auch Planzahlen für die Neugeschäftsvergabe sowie Kreditbestände analysiert und ausgewertet. Die gewerbliche Immobilienfinanzierung beinhaltet dabei neben der Finanzierung gewerblich genutzter Immobilien auch die gewerbliche Wohnimmobilienfinanzierung. Diese Analyse umfasst eine Auswahl an deutschen Banken, deren Reporting die entsprechenden Zahlen gesondert ausweist und somit einen Vergleich ermöglicht. Die Angaben zu den Neugeschäftszahlen beziehen sich auf das Volumen in Deutschland, während die Kreditbestände das Gesamtvolumen im In- und Ausland wiedergeben. Nicht eingeflossen sind die Mittelbeschaffungen über Kapitalmarktprodukte wie Kapitalerhöhungen oder Bondemissionen.