IMMOunited

Immobilienexperten warnen vor Wohnbaukrise in Deutschland

150.000 neue Wohnungen pro Jahr erwartet - Zielmarke von 400.000 rückt in weite Ferne
Patrick Baldia
Berlin
Berlin
© AdobeStock | In Deutschland sollen heuer rund 150.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. Von der deutschen Regierung angestrebt waren 400.000 Einheiten

Die deutsche Regierung wird ihr Wohnungsbauziel nach Prognose der sogenannten Immobilienweisen künftig noch deutlicher verfehlen. "Die Krise ist tiefer, als die Baufertigstellungs- und Baugenehmigungszahlen bislang zeigen", heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Frühjahrsgutachten.

Noch zehre der Wohnungsbau von Projekten, die vor den deutlichen Zinserhöhungen begonnen worden seien. Angesichts der eingebrochenen Genehmigungszahlen und unter Berücksichtigung der Bauzeiten dürften die Fertigstellungen voraussichtlich bis auf 150.000 pro Jahr sinken. Die von der deutschen Regierung angestrebte Marke von 400.000 rückt damit in weite Ferne.

2023 wurde die Marke Schätzungen zufolge mit etwa 270.000 erneut deutlich verfehlt. "Mit den aktuellen Niveaus von Zinsen, Baulandpreisen, Baukosten und Mieten rechnet sich der Neubau von Wohnungen nicht", warnen die Experten.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), der das Gutachten an die deutsche Bauministerin Klara Geywitz übergab, warnt vor einem sozialen Debakel. In Deutschland fehlten bereits heuer mehr als 600.000 Wohnungen. Bis zum kommenden Jahr steige diese Zahl auf 720.000, bis 2027 sogar auf 830.000. "Die Analyse der Experten ist nicht nur ein Wake-up-Call, sondern in einigen Punkten ein regelrechter Sirenen-Alarm", sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner.

Hauptgrund für die Entwicklung sind die seit dem Frühjahr 2022 gestiegenen Zinsen. Damit seien fast schlagartig alle Wohnungsbauprojekte unwirtschaftlich geworden, sagte der Immobilienweise Harald Simons. Die Folge sei praktisch ein Stopp des Wohnungsbaus. "Der Wohnungsneubau befindet sich in einer tiefen Krise", sagte der Experte. Eine "schwarze Null" bei Wohnungsneuentwicklungen wird dem ZIA zufolge erst bei einer Durchschnittsmiete von 21 Euro pro Quadratmeter erzielt. "Das ist nicht möglich", sagte ZIA-Präsident Mattner. "Wer also baut, geht bankrott."

Um an der Misere etwas zu ändern, schlägt der ZIA etwa ein Programm der staatlichen Förderbank KfW vor, das die Marktzinsen auf zwei Prozent reduzieren soll. Das würde bei einer Fördersumme von drei Milliarden Euro etwa 100.000 zusätzliche Wohnungen bringen. Auch ein temporärer Verzicht auf die Grunderwerbsteuer oder kommunale Abschöpfungen beim Wohnungsbau wären "der Superturbo", sagte Mattner.

Deutschland ist mit seinen Problemen auf dem Immobilienmarkt nicht alleine. In Europa würden die Investitionen in neue Wohngebäude 2026 um 6,4 Prozent niedriger ausfallen als 2023, wie das Ifo-Institut mitteilte. Es verwies auf Prognosen der Forschergruppe Euroconstruct, der das Ifo-Institut angehört. In Europa wird die Zahl der fertiggestellten Wohnungen demnach bis 2026 nur noch bei gut 1,5 Millionen Einheiten liegen - ein Minus von 13 Prozent gegenüber 2023.

Besonders schwierig ist die Lage in Schweden mit einem Minus von 47 Prozent. Als Gründe dafür gelten stark gestiegenen Baukosten, teure Kredite sowie weniger finanzielle Spielräume der Privathaushalte, wie Ifo-Experte Ludwig Dorffmeister sagte. (apa)