Die Baukrise schlägt auf Immobilienfonds durch. Der Auftragseinbruch und mehrere Insolvenzen von Immobilienentwicklern und Bauträgern erschrecken Anleger, die in Deutschland in diesem Jahr bisher weniger als halb so viel Geld neu in Immobilienfonds investiert haben wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Gefahr einer kurzfristigen Investorenflucht besteht nach Einschätzung der Ratingagentur Scope ebenso wie des Branchenverband BVI und des Finanzanalysten Peter Barkow aber nicht.
Denn auch für die sogenannten offenen Fonds gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. "Derzeit ist zumindest eine deutliche Verlangsamung der Mittelzuflüsse zu beobachten", sagt Barkow, Gründer und Chef des Beratungsunternehmens Barkow Consulting. "Im ersten Halbjahr sind sie im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zurückgegangen. Das sind auch die niedrigsten Zuflüsse in einem ersten Halbjahr seit 2011, und damals gab es noch keine Kündigungsfrist."
Besorgnis hat kürzlich die Insolvenz des Nürnberger Immobilienentwicklers Project Immobilien ausgelöst. Der nicht insolvente Investmentzweig der Firmengruppe sammelte mit der Auflage von Fonds das Geld für die Bauprojekte ein: insgesamt 1,4 Mrd. Euro, gezeichnet von über 32.000 Anlegerinnen und Anlegern.
Insolvenzen in diesem Geschäft können weitreichende negative Folgen haben: Anleger verlieren Geld, Käufer stehen vor unfertigen Bauten, Baufirmen bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen.
In den Jahren der Tiefstzinsen waren Immobilienfonds beliebt, weil sie nennenswerte Renditen erwirtschafteten. Dementsprechend haben Immobilien-Spezialfonds für institutionelle Investoren von 2012 bis Ende Juni dieses Jahres den Nettowert des angelegten Vermögens um 371 Prozent auf 176 Mrd. Euro vermehrt, wie Barkow unter Verweis auf Rohdaten der Bundesbank sagt.
Publikumsfonds - an denen sich jedermann mit ausreichenden Finanzmitteln beteiligen kann - wuchsen innerhalb dieser elfeinhalb Jahre um 58 Prozent auf 132 Milliarden.
Unterschieden wird zwischen offenen und geschlossenen Fonds. Geschlossen bedeutet nicht, dass der jeweilige Fonds die Tätigkeit eingestellt und seine Türen geschlossen hätte, sondern dass die Investoren einmal erworbene Anteile nicht zurückgeben können.
Bei "offenen" Fonds hingegen können die Anleger aussteigen, aber erst nach der einjährigen Kündigungsfrist. Zuvor müssen sie die Anteile nach dem Kauf mindestens zwei Jahre halten, wie ein Sprecher des Fonds-Bundesverbands BVI erläutert.
"Der Regulator hatte mit diesen Regelungen auf die Auswirkungen der Finanzkrise reagiert, um einen stabilisierenden Effekt zu erzielen", sagt Hosna Houbani, Analystin bei der auf Immobilienfonds spezialisierten Ratingagentur Scope. Denn während der internationalen Finanzkrise hatte es tatsächlich Fluchtbewegungen von Investoren gegeben, im Anschluss wurde die Regulierung verschärft.
"Medienwirksame Insolvenzen führen zumindest nicht zu höheren Mittelzuflüssen in Immobilienfonds", meint Finanzfachmann Barkow. "Aber wenn Anleger ihre Anteile zurückgeben wollen, sehen wir das erst in zwölf Monaten."
Wer vor Ablauf der einjährigen Kündigungsfrist sein Geld braucht, "kann Anteile der offenen Immobilien-Publikumsfonds über die Börse verkaufen", sagt der BVI-Sprecher. "Der Verkauf über die Börse ist aber gebührenpflichtig. "Und der Preis des Anteils ist - im Gegensatz zur Rückgabe an die Fondsgesellschaft - abhängig von Angebot und Nachfrage."
Auch in der ersten Jahreshälfte haben die Anleger demnach im Saldo zusätzliches Geld in offenen Immobilienfonds angelegt: "Das Netto-Mittelaufkommen ist seit 2019 zurückgegangen, doch auch im laufenden Jahr übersteigen die Zuflüsse die Abflüsse zum Stichtag 30. Juni um 1,2 Milliarden Euro", sagt Analystin Houbani. Das liegt aber weit unter den Spitzenwerten der jüngeren Vergangenheit: Der Rekord wurde nach Scope-Daten im Jahr 2019 mit einem Nettozufluss von 10,1 Mrd. Euro aufgestellt, 2022 waren es noch 4,5 Milliarden.
Derzeit gibt es wenig Anzeichen für einen Aufschwung auf dem Immobilienmarkt. Das Geschäftsmodell der insolventen Project Immobilien war jedoch eine Ausnahme: Die Finanzierung von Wohnungsbauten über Fonds ist eher unüblich. Nach Daten des Branchenverbands BVI legen offene Immobilienfonds das Geld ihrer Anleger überwiegend in gewerblich genutzten Gebäuden an: 55 Prozent in Büros und Praxen, 22 Prozent in Handel und Gastronomie, der Rest entfällt unter anderem auf Hotels und Lagerhallen. Wohngebäude machen laut BVI nur einen Anteil von vier Prozent aus. (apa/red)