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Intelligente Nahwärmenetze

Michael Westermaier, Leiter Vertrieb & Marketing von ratiotherm über Rahmenbedingungen , technische Voraussetzungen und Vorteilsargumentationen.
Lisa Grüner
Intelligente Nahwärmenetze
© ImmoFokus

Mutige Gemeinden nehmen ihr „Energie-Schicksal“ selbst in die Hand und entscheiden sich für eine neue, innovative Form der Energieversorgung – das sogenannte „Intelligente Nahwärmenetz“. Für diese besonders ressourcenschonende Form der Wärmeversorgung lohnt sich auf jeden Fall ein Blick hinter die Kulissen: Welche Vor-Ort-Bedingungen und technische Ausstattungen ermöglichen den optimalen Betrieb von Nahwärmenetzen, welche zentralen Vorteilsargumentationen sprechen für Anschlussteilnehmer und Betreiber?

Rahmenbedingungen für effizienten Betrieb eines „intelligenten Nahwärmenetzes“ 

Im Idealfall wird bei der Planung eines Neubaugebietes (geringe Heizlasten moderner Gebäude), die komplette Infrastruktur (Leitungen, Bau der Straßen ec.) bereits von Anfang an mitgeplant, wobei diese Planung sich vorrangig auf ländliche Gebiete konzentrieren sollte.   Auf dem Land gibt es tendenziell keine (zu) hohe Belegungsdichte des Netzes, da die Versorgung der Abnehmer sonst nicht sichergestellt werden kann. Die Innenstadt von München könnte beispielsweise nie mit kalter Nahwärme versorgt werden, da die Leitungsquerschnitte sehr groß sein müssten, um die erforderlichen Wärmemengen transportieren zu können. In ländlichen Gebieten sollte man auf jeden Fall auch die lokal verfügbare Bioenergie mit einbinden, z.B. Biogas oder Biomasse im Bayerischen Wald – das schafft Akzeptanz und CO2 Neutralität. Die solaren Erträge sollte man beim „Intelligenten Nahwärmenetz“ am besten durch die Kombination von PV (Strom für die Wärmepumpen) und Solarthermie (Anhebung der Netztemperatur) maximieren. 

Bezüglich der Anzahl der Anschlussteilnehmer an ein „Intelligentes Nahwärmenetz“ gibt es im Prinzip keine Beschränkungen: Die Leitungsquerschnitte dürfen nur nicht zu groß werden und ggfs. sind mehrere Quellen zu erschließen, damit die Regeneration der Kollektorfläche im Falle von Sonden oder Erdregistern zu jeder Zeit gegeben ist. In ein solches Netz kann auch an mehreren Stellen eingespeist werden. Bei gleitenden und warm/kalten Netzen sind die Erzeuger im Heizhaus an die Abnahme anzupassen – auch hier gibt es ansonsten keine Einschränkungen. 

Allerdings ist im Bestandsbau ein rein kaltes Netz nicht leistungsfähig genug, da die Gebäude statt 40 kWh/(m²·a) bis zu 200 kWh/(m²·a) an Energie benötigen – das schafft das 10 °C Netz nicht adäquat! Hier haben die anderen Netzformen wie warm/kalte Netze oder das gleitende Netz die Nase vorn. Grundsätzlich ist man gut beraten mit realistischen Zielsetzungen bezüglich der Reduzierung des Energieaufwands und gleichzeitiger CO2-Einsparung. Eine seriöse Zielsetzung ist bei vielen Betreibern ein Einspar-Effekt von 50 % beim Energieaufwand. Der Hilfsenergieaufwand für kalte Netze ist oft höher, da Leitungen und Pumpengruppen größer zu dimensionieren sind und Volumenströme größer sind. Strahlungsverluste sinken in den „Intelligenten Netzen“ dafür deutlich ab. 

Die technische Ausstattung eines solchen Nahwärmenetzes   

Beim kalten Nahwärmenetz (Quelle ca. 10 °C) ist keine Heiz- respektive Energiezentrale vorhanden. Die Energieernte erfolgt über ein Sondenfeld oder mehrere Grundwasserbrunnen. Alternativ könnten auch Gewässer, Abwasserkanäle oder auch alte Grubenschächte der Bergbauindustrie, die von selbst voll Wasser laufen, die Funktion einer Energiezentrale übernehmen.  Häufig gibt es ein kleines Gebäude (Garagengröße) mit Pumpengruppen und Netz-Überwachungstechnik via Software und PC. Ansonsten wird die Wärmeenergie gleich über eine ungedämmte Leitung in die Gebäude verteilt, wo die Wärmepumpen sitzen. 

Und nicht zuletzt ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Effizienz eines kalten Nahwärmenetzes die intelligente, bedarfsgerechte IT-Steuerung der Wärmeversorgung. Beim kalt/warmen bzw. gleitenden Nahwärmenetz gibt es eine hydraulisch günstig gelegene Heizzentrale mit einer Kombination von verschiedenen Wärmeerzeugern. Zumeist mit einer Solarthermie-Anlage (evtl. in Kombination mit PV) auf dem Dach, um den „Gratis-Anteil“ der Sonne mitzunehmen. 

Dazu ein BHKW, um möglichst viel Strom selbst erzeugen zu können. Zusätzlich ein Spitzenlasterzeuger, meist ein Öl- oder Gaskessel, der die komplette Netzlast abdecken kann (Backup). Je nach Vor-Ort-Bedingungen kann diese Netzlast auch durch einen Biomassekessel abgedeckt werden. 

Beschreibung der Übergabestationen beim Anschlussteilnehmer  

Beim Anschlussteilnehmer steht eine kleine, auf die nötige Heizleistung des Gebäudes ausgerichtete Wärmepumpeneinheit, welche die Warmwassererzeugung und – abhängig von der Netzstrategie – die Heizlasten ganz oder teilweise abdeckt. Es gibt Varianten, bei denen in die Wärmepumpen ein Fernwärmeüberträger integriert ist, um im Nahwärmenetz die Direktübertragung auf das Heizsystem zu übernehmen. Es gibt aber auch Wärmepumpen-Typen, die diesen Vorgang in zwei Komponenten trennen. 

Häufig werden diese Übergabestationen mit einem Pufferspeicher ausgestattet, um Lastverschiebung praktizieren zu können. Im rein kalten Netz kommen häufig herkömmliche Wasser/Wasser- bzw. Sole/Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz. Die Einsatzgrenzen solcher herkömmlichen Wärmepumpen liegen bei ca. 25 Grad Quellnetztemperatur. Spezielle Wärmepumpen-Typen können auch höhere Quellnetz-Temperaturen bis 55 °C nutzen, das steigert den COP (Wirkungsgrad) der Wärmepumpe deutlich.