Im Jahr 2020 könnte der Investmentmarkt in Österreich infolge der Corona-Krise eine deutliche Verschnaufpause einlegen.
„Im ersten Quartal ist das Transaktionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent zurück gegangen, wobei das erste Quartal 2019 ein außergewöhnlich starker Jahresauftakt war“, analysiert Dkfm. Christoph Lukaschek, MBA, MRICS, Leiter Investment bei Otto Immobilien in einem aktuellen Marktupdate für den Immobilien Kompass, Allerdings konnten trotz operativer Einschränkungen mehrere großvolumige und bereits fortgeschrittene Transaktionen abgeschlossen werden.
Ebenfalls deutliche Rückgänge seien im Jahresvergleich für das zweite Quartal zu erwarten, hier ist man allerdings optimistischer. Angesichts der anhaltend hohen Verfügbarkeit von Kapital sind viele Investoren weiterhin auf der Suche nach geeigneten Produkten.
„Die meisten Transaktionen befinden sich zwar aus operativen Gründen on hold, Abbrüche von Ankäufen sind jedoch am österreichischen Markt derzeit die Ausnahme“, berichtet Dkfm. Lukaschek, der davon ausgeht, dass die nach wie vor extrem niedrigen Zinsen für risikolose Anlagen sowie die Verwerfungen an den Aktienmärkten mittelfristig sogar noch mehr Geld in die Immobilienmärkte spülen könnten. Und zwar nicht nur aus Österreich selbst, sondern, wie bereits in den vergangenen Jahren, zum überwiegenden Teil aus dem Ausland. „Angesichts des erfolgreichen Umgangs Österreichs mit der Corona-Krise ist bereits ein verstärktes Interesse am heimischen Markt wahrzunehmen. Internationale Investoren werden ihre regionale Strategie eher zugunsten Österreichs verschieben“, ist Dkfm. Lukaschek überzeugt.
Dass diese aus einem größeren Angebot wählen können, glaubt er allerdings nicht: „Notverkäufe aufgrund von Mietausfällen sind bisher angesichts der hohen Kooperations- und Verhandlungsbereitschaft seitens der Mieter, Vermieter und Banken nicht zu verzeichnen. Im Gegensatz zur Finanzkrise sind auch in den Offenen Immobilienfonds derzeit keine signifikanten Mittelabflüsse zu erkennen und aufgrund geänderter Regularien auch nicht zu erwarten“, sagt Dkfm. Lukaschek.
Wie in allen Krisen suche die Mehrzahl der Investoren aktuell den sicheren Hafen und lege den Fokus daher auf die sichere Assetklasse Wohnen.
„Wir gehen davon aus, dass in diesem Segment sehr zeitnah wieder die ersten Transaktionen stattfinden werden. Das liegt daran, dass das Grundbedürfnis nach (leistbarem) Wohnraum stärker von demografischen Entwicklungen, als von kurzfristigen wirtschaftlichen Schwankungen abhängt“, erklärt Investment Consultant Mag. Georg Kretschmer, MSc, MRICS. Eine Eintrübung am Vermietungsmarkt sei nur im Falle eines längerfristigen Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Österreich zu erwarten. „Diese zeichnet sich in den aktuell vorliegenden Studien jedoch nicht ab“, sagt Kretschmer.
Ebenfalls gefragt seien langfristig vermietete Core-Objekte mit stabilen gewerblichen Mietern, um mögliche Ausfallsrisiken zu minimieren. Dazu gehören beispielsweise Logistikimmobilien. Zwar wurden auch in dieser Assetklasse von Seiten mancher Mieter Mietstundungen und –freistellungen, neuerdings Rent-Holidays genannt, gefordert, dennoch gelten Logistikimmobilien aktuell als eine der Krisengewinner.
„Dies ist sowohl auf die zweistelligen Wachstumsraten einzelner Onlinehändler und den damit einhergehenden erhöhten Bedarf nach Lager- und Distributionsflächen, als auch auf die gestiegene Nachfrage von Nahversorgern zurückzuführen“, sagt Dkfm. Lukaschek.
Anders sieht es in der Assetklasse Büro aus. Die aktuell bestehende Nachfrage der Investoren richte sich klar auf langfristig vermietete Objekte, die gegenüber risikolosen Anlageformen zwar einen Renditevorteil haben, aber aufgrund der schwer einschätzbaren Entwicklung des Segmentes zumindest mittelfristig keine Vermietungsaktivitäten fordern.
„Die Vermietungsleistung wird aufgrund ausgesetzter Expansionen an den meisten Standorten allerdings merklich geringer ausfallen als in den Vorjahren“, ist Dkfm. Lukaschek überzeugt.
Bei den von erhöhtem Leerstand betroffenen oder bedrohten Büroimmobilien sei vorerst ein geringeres Transaktionsvolumen zu erwarten, da potentielle Verkäufer ihre Objekte nicht der aktuellen Unsicherheit des Marktes aussetzen wollen.
„Die Assetklasse Retail zählt mit Sicherheit zu den am stärksten betroffenen Bereichen der Immobilienwirtschaft“, sagt Dkfm. Lukaschek.
Zum einen hätten die in fast allen Ländern erfolgten Schließungen von Geschäften den Konsum noch mehr auf den ohnehin boomenden Onlinehandel verlagert. Zum anderen würden die durch Mietfreistellungen, Umsatzmieten und Insolvenzen ausgelösten Mietausfälle die Sicht der Investoren auf diese Assetklasse nachhaltig prägen und verändern.
„Gerade ausländische Investoren waren sich der gesetzlichen Regelung in Österreich, die im Falle einer Epidemie das wirtschaftliche Risiko beim Vermieter sieht, nicht bewusst“, sagt Dkfm. Lukaschek.
Trotz der mit Sicherheit weiterhin steigenden Renditen in diesem Bereich werde es voraussichtlich bis 2021 dauern, bis sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern wieder finden und Transaktionen stattfinden werden.