Knapp die Hälfte der Filialen von Deutschlands Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, die der milliardenschweren Signa-Holding des Tiroler Investors Rene Benko gehört, stehen nun vor dem Aus. 52 von 129 Filialen sollen geschlossen werden. Das teilte nach einer Meldung des Gesamtbetriebsrats nun auch das Unternehmen mit. Die Schließungen sollen in zwei Wellen zum 30. Juni 2023 und zum 31. Jänner 2024 erfolgen. Laut Betriebsrat sind mehr als 5.000 Stellen bedroht.
"Dies ist ein rabenschwarzer Tag." Die Gewerkschaft Verdi kündigte an, für jeden Arbeitsplatz kämpfen zu wollen. Galeria brauche nun ein neues Management, forderte die bei Verdi für den Handel zuständige Stefanie Nutzenberger. Galeria stelle nun "die Weichen für eine sichere Zukunft", erklärte dagegen das Unternehmen. 77 Filialen und rund 11.000 Arbeitsplätze blieben erhalten.
Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats werden im Zuge des Insolvenzverfahrens "weit über 5.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren". Es würden nicht nur Stellen in den Schließungsfilialen wegfallen. Geplant seien auch Flächenreduzierungen und ein Personalabbau in den verbleibenden Häusern und in den Zentralfunktionen.
Das Unternehmen selbst sprach von mehr als 4.000 Betroffenen. Sie sollen das Angebot erhalten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, um sich für eine neue Stelle weiter zu qualifizieren.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine seien nur zu einem kleinen Teil für die Pläne verantwortlich, erklärte der Gesamtbetriebsrat weiter. Vielmehr sei es die fehlende Strategie für eine regionale Ausrichtung gewesen, kritisierte die Arbeitnehmervertretung. "52 Filialen können nicht fortgeführt werden", erklärte Galeria. Für sie bestehe "angesichts der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der lokalen Bedingungen und auch nach intensiven Verhandlungen mit Vermietern und Städten keine positive Fortführungsperspektive". Der Deutsche Städtetag hatte gewarnt, Schließungen der Warenhäuser seien "für die betroffenen Städte ein tiefer Einschnitt".
"Das ist zweifellos heute für uns alle ein schwerer Tag", sagte der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz. Galeria habe um jeden Standort gerungen. Die betroffenen Filialen würden in zwei Wellen zum 30. Juni 2023 und zum 31. Jänner 2024 geschlossen. Auf der Liste für Ende Juni stehen Filialen in Städten von Celle bis Wiesbaden, zum Jahreswechsel folgen weitere 31 Häuser von Bayreuth bis Wuppertal. Die Gewerkschaft Verdi kündigte dagegen an, sie wolle nun die vorgelegte Schließungsliste genau prüfen, um nach Möglichkeiten zu suchen, um einige der Filialen doch noch zu erhalten.
Die verbleibenden Filialen sollen sich künftig "in den Segmenten Bekleidung, Beauty und Home eindeutiger positionieren", kündigte Galeria an. "Um die lokalen Strukturen zu stärken, geben wir den Filialen mehr Eigenständigkeit", versprach Galeria-Chef Miguel Müllenbach. Das Warenhaus habe in Deutschland eine Zukunft.
Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielten die betroffenen Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe des zweifachen Monats-Brutto-Entgelts, erklärte der Gesamtbetriebsrat. "Die Bevölkerung muss sich im Klaren sein, dass es nur eine attraktive Innenstadt geben wird, wenn die regionalen Einzelhändler genutzt werden", appellierte das Gremium an die Verbraucher. Über die Fortführung von Galeria wird nun in einer Gläubigerversammlung am 27. März entschieden.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, betonte, in vielen von Warenhausschließungen betroffenen Städten werde die aktuelle Entwicklung auch als städtebauliche Chance verstanden. "Es gibt schon Ideen oder Pläne, wie neues Leben in die Kaufhäuser einziehen kann: als Universitätsstandort oder Schule, mit Start-ups, Co-Working-Labs, Künstler-Ateliers oder mit dem Bürgerservice, als Mehr-Generationenhaus oder Wohngebäude." Ehemalige Kaufhausstandorte, die bereits umgenutzt worden seien, böten dafür gute Beispiele.
Auch der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung, Boris Hedde, sagte: "Das Warenhaus hat nicht mehr die große Bedeutung für die Innenstädte wie früher. Man muss ihm nicht nachweinen, sondern neue Konzepte für den Handel in der Innenstadt finden." Der Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms blickt eher skeptisch auf die geplanten Maßnahmen: "Es ist die Frage, ob der Einschnitt diesmal wirklich tief genug geht. Ich hätte es eher für sinnvoll gehalten, dass weniger Warenhäuser fortgeführt werden, damit auch wirklich genug Geld und Managementkapazität für die notwendige Modernisierung der verbleibenden Häuser vorhanden ist."
Die Warenhauskette schlittert seit Jahren von einer Krise in die nächste, die Beschäftigten mussten immer wieder um ihre Stellen zittern. Zuletzt hatten die behördlichen Auflagen in der Corona-Krise das Geschäft belastet, der Konzern griff nach Staatshilfen, dann litten die Filialen an der Zurückhaltung der Verbraucher nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Zudem machten hausgemachte Probleme dem Konzern zu schaffen, der der milliardenschweren Signa-Holding des österreichischen Investors Rene Benko gehört, der Karstadt und Kaufhof zusammengeführt hatte. Vor mehr als zwei Jahren hatte Galeria Karstadt Kaufhof bereits im damaligen Insolvenzverfahren gut 40 von damals 172 Filialen geschlossen, wobei rund 5.000 Mitarbeiter ihre Stellen verloren. Im Februar war das aktuelle Insolvenzverfahren durch das Amtsgericht Essen eröffnet worden.
Karstadt und die ehemalige Metro-Tochter Kaufhof blicken angesichts der Konkurrenz durch den Online-Handel von Amazon bis Zalando sowie durch Shopping-Center auf einen stetigen Niedergang zurück. Immer neue Konzepte für die Ketten wurden ohne nachhaltigen Erfolg präsentiert, Manager von Thomas Middelhoff bis Stephan Fanderl, Eigner wie Nicolas Berggruen, die nordamerikanische Handelskette HBC oder die Signa Holding des Investors Rene Benko hatten sich an der Sanierung der Ketten versucht, deren Zusammengehen 2018 besiegelt worden war. Seit 2019 hat Benkos Signa bei Galeria Karstadt Kaufhof das Sagen, die HBC hatte sich zurückgezogen. Signa gebietet auch über zahlreiche Immobilien der Warenhäuser. Die Arbeitnehmer hatten immer wieder an Benko appelliert, zu seiner Verantwortung als Eigner zu stehen und Geld für eine langfristige Sanierung in die Hand zu nehmen. (apa)