Wir leben in einer Welt der Pandemie, der Fakenews, der politischen Unsicherheiten, der Territorialkriege, der digitalen Vereinsamung und doch: Wir leben gerne und es gibt viel Schönes da draußen auf der Wiese. Mitten in dieses Getöse, dieses ständige Brummen hinein, möchte ich mit der geschätzten Leserin einen Ausflug 20 Millionen Jahre zurück machen. Lassen Sie sich darauf ein, es lohnt sich:
Der Mensch stammt nicht vom Affen ab, er ist einer. Zwergschimpanse – Bonono – oder Pan paniscus und der Homo sapiens sapiens haben 98,77 Prozent idente genetische Information. Zum Vergleich: Zwei Hominis haben 99,9 Prozent Identität. Matthias Glaubrecht schreibt in seinem äußerst empfehlenswerten Buch „Vom Ende der Evolution“: „Man kann den Affen aus dem Urwald nehmen, nicht aber den Urwald aus dem Affen!“. Und weiter: „Der Mensch ist ein Emporkömmling, der zum gefährlichsten Räuber Nummer 1 auf diesem Planeten wurde. Er ist eine Katastrophe auf zwei Beinen.“
Wir sind aus Afrika losgewandert, haben aber noch immer das Bild der offenen Savanne, der Akazien mit den niedrigen Ästen, die kleinen Wälder an Flussläufen und Seen in uns. Wir lieben eine Durchschnittstemperatur von 29° Celsius bei geringer Luftfeuchtigkeit und genießen neun Stunden Sonne am Tag. Schon 1980 hat Gordon Orians, ein amerikanischer Biologe, dieses innere Schaubild aus unserer menschlichen Urzeit in seiner „Garten Eden Theorie“ beschrieben und es hat sich nicht verändert. Jegliche Immobilienentwicklung müsste wohl deshalb diesem „schönsten Ort“ entsprechen.
Der Homo ist aber nicht nur Affe, er ist ein smartes Wesen, das erkannt hat, dass nur kooperatives Verhalten, ein soziales Gefüge, wohl auch das Modell der Familie das Überleben der Art sichern.
Seit nunmehr 500 Jahren – mit Beginn der Neuzeit und den großen Entdeckungsfahrten – arbeitet der weise Homo allerdings daran, seine eigene Evolution radikal zu beenden. Alle zwölf Jahre kommt eine Milliarde Menschen dazu, 2050 wird die Weltbevölkerung nicht mehr ernährt werden können. Pro Stunde kommen in Delhi 29 Einwohner, in Berlin 1 Einwohner dazu, die größte Stadt der Erde ist Chongqinq mit 30 Millionen Einwohnern, zwei Drittel aller Ernten gehen als Schwund verloren.
Wenn wir heute über den Globus und seine Zukunft und damit über uns selbst nachdenken, dann gilt es nur über drei Fragen nachzudenken, den Rest können wir getrost vergessen: Die Bevölkerungsexplosion, das Artensterben und den Klimawandel.
Mit dem Klimawandel haben wir uns im BLUEPRINT schon sehr oft und eingehend beschäftigt. Wieder darf ich auszugsweise und verkürzt Glaubrecht zitieren: „In den Niederlanden sind 47 Prozent der Schmetterlingsarten nicht mehr vorhanden, das Verschwinden von Insekten als Bestäuber hat dramatische Auswirkungen auf den Anbau von Nutzpflanzen, wir fischen um ein Drittel mehr Fische als nachwachsen können, die Aussterberate an Arten hat sich um das 1.500 fache erhöht, wobei wir nicht einmal genau wissen, wie viele Arten es überhaupt gibt.“
Die Mayas sind ausgestorben, weil sie den Regenwald abgeholzt haben und damit ihre eigene Lebensgrundlage vernichteten. Fällt Ihnen etwas auf, wenn Sie dabei an Südamerika und den Amazonas denken? Tatsächlich sägen wir tagtäglich – aber mit größtem Engagement – an jenem Ast, auf dem wir sitzen. Das ist – intellektuell betrachtet – ziemlich dämlich.
Ernst Cassirer, ein in den USA verstorbener deutscher Philosoph schreibt: „Der Mensch ist geneigt den kleinen Bereich in dem er lebt als das Zentrum der Welt anzusehen, ja als das Universum an sich. So entscheidet und denkt er zutiefst provinziell.“
Damit haben wir aber auch schon eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach dem österreichischen Wohnrecht. Heerscharen an Spezialisten beschäftigen sich mit MRG, WGG, ABGB, WEG und der geradezu „zentralen“ gesamtgesellschaftlichen Frage von E-Ladestationen. Wir bauen noch weitere Spuren auf den Autobahnen und ignorieren jegliche Information, die unser erlerntes Weltbild und die tägliche Bequemlichkeit stört.
Das soll aber schon der Befund – das Lamento – gewesen sein, können wir etwas tun, jetzt gleich?
Ich rufe auf zum gemeinsamen Aufstand gegen vergangenheitsorientierte frontale Bildungssysteme, ersetzen wir den Begriff Wachstum durch Veränderung, die Begriffe Effektivität und Wirtschaftlichkeit durch Fortschritt. Erklären wir das Wort „realpolitisch“ zum Unwort der nächsten Jahrzehnte und fürchten wir uns nicht davor, in ein Gesetz zu schreiben: „Es handelt sich um eine Maßnahme, die dem Arten- und Klimaschutz dient“, mag das auch in den Ohren des Juristen unbestimmt klingen, bestimmbar ist es jedenfalls.
Nein, das österreichische Wohnrecht kann mit oder ohne Ladestationen den Globus nicht retten, sehr wohl aber unsere eigene Haltung zu den drei großen angesprochenen Fragen.
Und: Lösen wir uns endlich aus der unerträglichen Provinzialität und kommen wir ins Handeln.