Der geplante Ausbau des Kaunertalkraftwerks zu einem Pumpspeicherkraftwerk erregt in Tirol weiter die Gemüter. Für Sonntag planen Umweltorganisationen eine Demo am Landhausplatz, zuvor rückten am Freitag die Verantwortlichen des Landesenergieversorgers Tiwag aus, um für das Projekt zu werben, das essenziell für das Erreichen des Ziels der Energieautonomie bis 2050 sei. Der Behördenbescheid dürfte "frühestens 2028, allerfrühestens 2027" vorlegen, hieß es vor Journalisten.
Sollte die Bewilligung erteilt werden, rechnete Projektleiter Wolfgang Stroppa mit einer sechsjährigen Bauzeit. In den Jahren 2032 bis 2034 dürfte die gesamte "Kraftwerkskette", die mit dem Projekt einhergeht, fertiggestellt sein. Im Februar hatte die Tiwag die Erweiterung wieder vollumfänglich bei der Behörde zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingereicht, nachdem die UVP wegen eines Widerstreitverfahrens des Unternehmens mit der Gemeinde Sölden im Ötztal großteils auf Eis gelegen war. Das Gerichtsurteil zur Ableitung von Wasser aus dem Ötztal fiel dann zugunsten der Tiwag aus. Derzeit warte man noch auf eine weitere Stellungnahme der Behörde, die etwa das Begehr auf weitere Informationen oder einen weiteren Verbesserungsauftrag zur Folge haben kann.
Hinsichtlich der Kosten hielten sich Stroppa und Tiwag-Vorstandsdirektor Alexander Speckle indes noch einigermaßen bedeckt. Ursprünglich waren diese mit zwei Mrd. Euro taxiert worden. Angesichts von Teuerung und gestiegenen Preisen wollte man sich am Freitag nicht auf diese Marke festnageln lassen. "Wir gehen jedenfalls von über zwei Mrd. Euro aus", erklärte Speckle. Erst mit der rechtskräftigen Bewilligung und den "hunderten, wenn nicht tausenden Nebenbestimmungen in einem solchen Bescheid", werde klar sein, wie der gesamthafte Umfang aussehe. Dann werde man als Tiwag die Kostenschätzung aktualisieren.
Und sollte eine Bewilligung vorliegen, sei es immer noch eine "politische Entscheidung" seitens der Landesregierung, ob es zum Ausbau komme, betonte Speckle. Diese werde "jedenfalls zu respektieren" sein. In der Tiroler Bevölkerung als Gesamtes gesehen ortete der Vorstandsdirektor jedenfalls eine Stimmung "klar pro Wasserkraft" und damit für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. In den von Kraftwerksprojekten betroffenen Regionen schaue es hingegen, wie auch im Falle des Kaunertal-Projektes, mitunter anders aus, räumte Speckle ein. Der Tiwag-Manager kündigte jedenfalls eine umfassende Information der Menschen vor Ort an: "Wir wollen aktiv an die Bevölkerung herantreten".
Anschließend rührten die Verantwortlichen einmal mehr ordentlich die Werbetrommel für das Projekt, gegen das die Umweltschutzorganisationen Sturm laufen. Durch die gesamte Kraftwerkskette vom Pumpspeicherkraftwerk Versetz im Kaunertal über das Kraftwerk Prutz inklusive Prutz 2 und die beiden Kraftwerke Imst und Imst 2 bis zum neuen Kraftwerk Imst-Haiming könne "eine Terawattstunde Energie zusätzlich für Tirol gewonnen werden." Der Auftrag der Landesregierung an die Tiwag laute eine Steigerung der Stromproduktion um knapp zwei Terawattstunden durch Ausbau der Wasserkraft, verdeutlichte Speckle die Dimension des Projekts.
Speckle wie Stroppa betonten, den Ausbau so "umweltfreundlich wie möglich" gestalten zu wollen. Die entsprechende Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen werde dann die UVP-Behörde zu treffen haben. Jene Nachteile, die nicht vermieden werden können, würden durch verschiedenste ökologische Maßnahmen ausgeglichen, wurde versichert. Die Einreichung zur UVP habe 20.000 Seiten umfasst, mehr als 100 Experten hätten Berichte erstellt. 50 Gutachter der Behörde würden diese Unterlagen nun im Detail prüfen.
Stroppa sah sämtliche massive Bedenken und Vorbringen der Organisationen wie etwa des WWF als de facto unbegründet an. Die Moorflächen in der Region würden renaturiert, die Wasserversorgung des Ötztals sowohl durch dien Trinkwasserquellen und durch rechtlich abgesicherte zusätzliche Vorgaben gewährleistet. Auch dass der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal die Instabilität um den Gepatschspeicher weiter erhöhen könnte und ähnliches wie der kürzliche massive Felssturz vom Gipfel des Fluchthorns im Silvrettagebiet passieren könnte, ortete der Projektleiter nicht. Alles sei intensiv beurteilt und mitberücksichtigt worden und nun liege es an der Behörde, final zu entscheiden.
Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren erstmals 2009 eingereicht worden. Die UVP war erstmals 2012 gestellt worden. Für das Projekt plant die Tiwag, bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal - einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols - auszuleiten. Zudem würden im Platzertal neun Fußballfelder an Moorflächen geflutet. Mit seinen 120 Metern wäre der Staudamm fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl - Vergleiche, die die Naturschutzorganisationen beständig zur Abschreckung heranziehen. Zuletzt legte der WWF mit einer neuen Studie nach. Darin wird davor gewarnt, dass der Kraftwerksausbau die Wasserversorgung im Ötztal bedrohen könnte. Die Studie folgte wiederum auf zwei Gutachten vom Jänner diesen Jahres. In diesen wird dargelegt, dass die Berghänge rund um das Kaunertal-Kraftwerk instabil seien und diese durch einen Ausbau zum Pumpspeicherkraftwerk noch instabiler werden würden. Als Grund dafür wurde eine Verstärkung der Wasserspiegelschwankungen durch den Ausbau genannt. (apa)