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(K)Ein Blick in die Glaskugel

Transparenz & Objektivität. PropTechs werden das Angebot der klassischen Immobilienbewertung nie ersetzen, durchaus aber ergänzen können, erklärt Michael Buchmeier, Leiter der Bewertungsabteilung der BAR, bareal Immobilientreuhand GmbH, im Interview mit dem ImmoFokus.
Michael Neubauer

Transparenz & Objektivität. PropTechs werden das Angebot der klassischen Immobilienbewertung nie ersetzen, durchaus aber ergänzen können, erklärt Michael Buchmeier, Leiter der Bewertungsabteilung der BAR, bareal Immobilientreuhand GmbH, im Interview mit dem ImmoFokus.

Was sind momentan die großen Themen der Immobilienbewertung?

Michael Buchmeier: Den Markt vorhersehen, das ist momentan die große Herausforderung. Die Preise steigen im Halbjahresrhythmus, wenn nicht sogar im Monatsrhythmus die Renditen sinken. Für Immobilienbewerter wird es immer schwieriger, den Markt nachzuvollziehen und diesen darzustellen, wir machen Stichtagsbewertungen.

Wie sehr ist man dem Druck ausgesetzt, „positive“ Gutachten zu erstellen?

Als Gutachter muss man immer versuchen, den Markt am Stichtag abzubilden. Der Verkehrswert soll den Preis abbilden, auf den Verkäufer und Käufer sich einigen. Das schreibt das Liegenschaftsbewertungsgesetz vor. Das Wesentliche ist, Transparenz zu schaffen und mit möglichst vielen Vergleichswerten und Marktdaten das Gutachten zu untermauern. Heutzutage wird einem das durch die Menge an Daten, die einem zur Verfügung gestellt werden, vereinfacht. Langsam setzt sich auch in Österreich ein internationaler Standard durch. Im Wesentlichen geht es darum, das Ergebnis der Bewertung mit aktuellen Marktdaten zu plausibilisieren.

Klingt nach deutlich mehr Aufwand und weniger Honorar?

Wenn ich jetzt jammern darf – ja, natürlich (lacht). Nein, generell ist es ja so, dass am Markt das Produkt „Gutachen“ wesentlich stärker nachgefragt wird, als noch vor 10 oder 15 Jahren.

… durch Regulatoren von Basel III & Co.?

Ja, durch börsennotierte Fonds, Banken, Versicherungen  und so weiter. Die Nachfrage ist größer geworden. Aber wenn ein Produkt stärker nachgefragt wird, gibt es auch mehr, die es anbieten. Dadurch verändern sich die Preise stärker. Der Mitbewerb ist härter geworden und die Honorare sind nicht mehr dort, wo sie eigentlich sein sollten - muss man ganz ehrlich sagen. Immerhin darf man nicht vergessen, wir haften für das, was wir tun.

Über negative Dinge spricht man ja wenig. Aber gab es schon Fälle, in denen die Haftung schlagend wurde?

Ich kenne persönlich niemanden. Ich habe nur gehört, dass es schon vorgekommen ist. Aber meistens nicht bei den renommierten Gutachtern.

[caption id="attachment_10134" align="alignright" width="276"]buchmeier-mag-michael-bar-real-estate-austria-_020 © cityfoto[/caption]

Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen professionellen Gutachter aus?

Seriosität, Erfahrung und Marktkenntnis sind sicher das Entscheidendste auf dem Gebiet der Immobilienbewertung. Je professioneller ein Gutachter mit seinem Team aufgestellt ist, je mehr Erfahrung vorhanden ist und je mehr Konnex er zum Markt hat, umso besser ist er.

Wenn man in einem Umfeld tätig ist, in dem die Marktzugangsdaten vorhanden sind, kann man Gutachten verlässlicher und besser erstellen. Es geht letztlich – und da müssen wir auch ehrlich sein – nicht um die ersten 40 Seiten, die der Gutachter schreibt, sondern um die letzten zwei oder drei. Natürlich gehört der Befund dazu, das schreibt das Gesetz so vor. Dafür müssen wir die Immobilie besichtigen,  die Lage beschreiben und erst dann geht es erst in das eigentliche Kernstück. Das ist letztlich Wertermittlung. Das Subjektive müssen wir weglassen – dann wir bilden einen Marktwert ab und der ist unabhängig von persönlichen Vorlieben.

Sachwertverfahren, Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren. Welcher Methode geben Sie den Vorzug, welche ist die beste?

Das kann man so einfach nicht sagen. Es werden alle drei verwendet – mittlerweile sind es eigentlich schon fünf. Drei sind im Liegenschaftsbewertungsgesetz geregelt und zwei weitere in der ÖNORM. Dann gibt es noch ein paar internationale Methoden. Für alles, was mit Bauträgerprojekten oder unbebauten Liegenschaften zu tun hat, verwendet man Residualwertverfahren. Für das klassische Zinshaus ist immer noch das Ertragswertverfahren gültig. Für Einfamilienhäuser das Sachwertverfahren, für Wohnungseigentumsobjekte das Vergleichswertverfahren. In Wahrheit werden alle Verfahren verwendet und manchmal auch miteinander kombiniert.

Wie geht man vor, wenn es keine Vergleichsziffern aus Datenbanken gibt?

Gar nichts zu haben, ist immer bitter. Das passiert aber nicht sehr oft. Es gibt immer Vergleichsdaten, wobei es dann auch entscheidend ist, sich die Kaufverträge dazu anzusehen. Ich bin ein großer Verfechter davon, weil in Kaufverträgen Informationen stehen, die in Datenbanktools nicht erfasst werden können. Man muss genau hinschauen. Was ich auch immer mache, ist, mit der Gemeinde zu sprechen, damit man auch da einen Einblick bekommt.

Sind die vielen von Immobilienplattformen publizierten Immobilienpreisspiegel eine Hilfe?

Die Immobilienpreisspiegel sind eher eine großzügige und weit gespannte Richtlinie. Ich würde nie etwas unkommentiert aus dem Immobilienpreisspiegel herausnehmen.

Das betrifft wahrscheinlich auch den größten Teil der auf Plattformen publizierten Daten? 

Ja, das ist keine gute Basis, sagen wir es so.

Wie sehr sehen Sie die Bewertung durch die fortschreitende Digitalisierung beeinflusst. In Deutschland gibt es Unternehmen, die durch standardisierte Verfahren Bewertungen billiger anbieten wollen. Ist es ein günstiges Ergänzungstool, dass man Vorarbeiten für den Gutachter kostengünstig auslagern kann? Können PropTechs zur Konkurrenz werden?

Wahrscheinlich ja. Vor allem im Massengeschäft – zum Beispiel bei Eigentumswohnungen – kann das passieren. Diese greifen auf einen wesentlich größeren Datenpool zurück, als wir wahrscheinlich je haben werden. Mich wird es nicht so treffen, weil das nicht unser Kerngeschäft ist. Aber auch im gewerblichen Bereich gibt es bereits einen Schritt in die Digitalisierung, dem man sich stellen muss. Die Frage lautet: Wie wird ein Gutachten in Zukunft erstellt? Wie kann man auf den ersten 40 Seiten komprimiert und auf elektronischer Basis arbeiten, dass diese Arbeit vereinfacht wird?

Auch stellt sich die Frage, wie ein Bericht zukünftig aussehen muss. Im internationalen Bereich sind sie teilweise schon sehr kurz und prägnant und nicht so ausschweifend wie bei uns. International sind Berichte sehr komprimiert, gerade für jene Kunden, die wissen, wo ihre Immobilie ist. Die kennen sie meist besser als wir, weil sie jeden Tag mit der Immobilie arbeiten. Denen braucht man vieles nicht beschreiben, die wissen das.

Ich fürchte mich aber nicht vor einer Digitalisierung – im Gegenteil: Man muss sich damit intensiv beschäftigen, weil man versuchen muss, das Gesamtkunstwerk in weniger Zeit umzusetzen.

Was war Ihr bisher schwierigste Bewertungsfall?

Da ist gar nicht einfach zu beantworten. Einfamilienhäuser, so banal es klingt, sind oft gar nicht so einfach, wie man denkt. Das können mitunter sehr spezielle Immobilien sein. Der Markt dahinter ist oft nicht ganz transparent. Auch die Datenqualität ist deutlich schlechter als im gewerblichen Bereich. Da ist es oft nicht so einfach, den richtigen Verkehrswert abzubilden.

Natürlich gibt es auch hochkomplexe Projektentwicklungen, die gerade im Entstehen sind, wo es zwar schon Flächenstudien gibt, aber wenn wir unterstellen müssen, welche Nutzung dort hineinkommt und das mit einem Ausmaß von 120.000 bis 150.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche – da wird die Arbeit schon sehr komplex. Auch wenn die Eingangsdaten transparent sind, ist das sicher die größte Herausforderung, das durchzukalkulieren und die Ergebnisse zu plausibilisieren.

Das heißt, ein Gebäude im Betrieb ist sicherer zu bewerten?

Grundsätzlich ja.


[caption id="attachment_10135" align="alignleft" width="214"] © cityfoto[/caption]

Michael Buchmeier

… ist studierter Betriebswirt, „allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für das Immobilienwesen“ und Member of the Royal Institution of Chartered Surveyors. Vor seiner Tätigkeit für BAR war Buchmeier vier Jahre lang geschäftsführender Gesellschafter bei der MRG Metzger Realitäten Beratungs- und BewertungsgesmbH. Davor war er über neun Jahre bei Raiffeisen Leasing Wien. Zudem war Buchmeier Aufsichtsrat und Geschäftsführer mehrerer ausländischer Projektgesellschaften. Seit September 2014 leitet er die Bewertungsabteilung der bareal Immobilientreuhand GmbH.