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Keine Pause bei europäischen Infrastrukturinvestitionen

Ein Kommentar von Morgane Delledonne, Head of Investment Strategy bei Global X
Patrick Baldia
Morgane_Delledonne
Morgane_Delledonne
© Global X

Bei der Europawahl 2024 stand insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Staaten im Vordergrund – wobei Infrastrukturausgaben einen Schlüsselfaktor bilden. Diese haben direkte Auswirkungen und stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit besseren Verkehrsnetzen, geringeren Logistik- und Transportkosten sowie einer höheren Produktions- und Liefergeschwindigkeit für alle Branchen. Eine verbesserte digitale Infrastruktur führt zu einer höheren Konnektivität und ermöglicht es Unternehmen, ihr Geschäft auszuweiten und dabei auch ländliche Gebiete einzubeziehen. Zuverlässige Energieversorgungsunternehmen, die auf erneuerbare Energien und insbesondere Kernenergie setzen, sind von entscheidender Bedeutung für die Energieunabhängigkeit Europas. Verstärkte Investitionen in die Energieinfrastruktur gewährleisten eine stabilere und zuverlässigere Energieversorgung und tragen gleichzeitig zur Dekarbonisierung bei.

Noch lange nicht genug investiert

Wir sehen in Europa mehrere Herausforderungen im Bereich Infrastruktur. Gezielte Investitionen in den Bereichen Energie- und Wasserversorgung, Verkehr und Telekommunikation sind unabkömmlich und stehen unserer Meinung nach an erster Stelle. Der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Europa, die sich unmittelbar auf die Produktivität von Unternehmen auswirken, ist weiter gestiegen. Der Abstand von 1,5 Prozentpunkten zwischen Europa und den Vereinigten Staaten bleibt jedoch eine Herausforderung für die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Bei der zur Unterstützung der öffentlichen Investitionen aufgelegten Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RFF) hat sich die Lücke zwischen den geplanten und den bereits getätigten Auszahlungen bis zum dritten Quartal 2023 auf 127 Mrd. EUR vergrößert. Das zeigt, dass private Investitionen für die Modernisierung der europäischen Infrastruktur ebenso wichtig sind. Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat verdeutlicht, dass ein Anstieg der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen in Europa um 1 Prozentpunkt des BIP mit einem Anstieg der Investitionen der Unternehmen um 1,1 Prozentpunkte verbunden ist.

Was die Widerstandsfähigkeit im Energiebereich anbelangt, so ist Europa weiterhin führend bei der Einführung erneuerbarer Energien mit dem Green Deal der EU, der darauf abzielt, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Wir sehen jedoch noch erheblichen Investitionsbedarf, um die dafür erforderliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Im Bereich digitale Konnektivität sehen wir ebenfalls dringenden Bedarf. Etwa im Vergleich zu den USA sieht sich Europa mit einer beträchtlichen digitalen Infrastrukturlücke konfrontiert. GSMA Europe, die Vereinigung der Mobilfunknetzbetreiber, prognostiziert ein Defizit von 200 Milliarden Euro bei Investments in die Netzwerkinfrastruktur.

Einfluss der Politik

Höhere Kreditkosten aufgrund der restriktiven Geldpolitik und der Haushaltskonsolidierung haben Infrastrukturprojekte mit ihrem hohen Kapitalbedarf verzögert. Die Umkehrung des Zinszyklus durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) bei gleichzeitiger Stabilisierung der Inflation fördert unserer Ansicht nach jedoch neben den wirtschaftlichen Wachstumsaussichten für die Region auch die öffentlichen und privaten Infrastrukturinvestitionen. Der jüngste Kostenrückgang infolge der Disinflation in ganz Europa, niedrigerer Energiepreise und der Normalisierung der Lieferketten trägt ebenfalls dazu bei, Hindernisse für Infrastrukturinvestitionen zu beseitigen. Die Ergebnisse der EU-Wahlen 2024 und der Aufstieg populistischer Parteien, die der EU-Integration skeptisch gegenüberstehen, könnten jedoch dazu führen, dass weniger Infrastrukturausgaben auf europäischer und mehr Investitionen auf Länderebene getätigt werden. Insgesamt sind Investitionen in Infrastruktur von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit Europas – der Eckpfeiler für die wirtschaftliche Erholung und der Klimaneutralität der Region.