Das angekündigte Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung bei der Möbelkette Kika/Leiner ist Dienstagfrüh am Landesgericht St. Pölten eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter wurde der St. Pöltner Rechtsanwalt Volker Leitner bestellt, teilten die Kreditschützer AKV, Creditreform und KSV mit. Der überraschende Verkauf der Möbelkette Anfang Juni durch die Signa Retail Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko hat auch bei den heimischen Wettbewerbshütern für Interesse gesorgt.
"Die BWB hat bis dato noch keine Anmeldung erhalten. Nach wie vor beobachten wir aber den Vorgang und würden bei Auffälligkeiten entsprechende Maßnahmen ergreifen", hieß es von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) auf APA-Anfrage.
Mit der Eröffnung des Sanierungsverfahrens beginnt auch die Arbeit für den Insolvenzentgeltfonds (IEF) in der Causa Kika/Leiner. Schlittert ein Unternehmen in die Insolvenz, springt in Österreich der öffentliche IEF ein und bezahlt für eine gewisse Zeit offene Löhne, Gehälter, Beendigungsansprüche und Abfertigungen. IEF-Geschäftsführer Wolfgang Pfabigan rechnet gegenüber dem "Kurier" (Dienstagsausgabe) mit insgesamt rund 60 Mio. Euro, die der Insolvenzentgeltfonds aufgrund der Kika/Leiner-Insolvenz auszahlen wird. Der IEF kann die Kosten aber stemmen. "Im Fonds befinden sich derzeit ca. 600 Millionen Euro", hieß es vom Arbeitsministerium zur APA.
Den größten Teil der IEF-Finanzierung machen die Beiträge der Arbeitgeber aus. Dabei handelt es sich um einen prozentuellen Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag - den Insolvenz-Entgeltsicherungsbeitrag (IESG-Beitrag). Der Beitragssatz betrug im Jahr 2015 noch 0,45 Prozent vom Bruttolohn und wurde per 1. Jänner 2016 auf 0,35 Prozent gesenkt. Weitere Beitragssenkungen folgten, Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) halbierte den Satz per 1.1.2022 von 0,2 auf 0,1 Prozent. "Es ist aus derzeitiger Sicht nicht davon auszugehen, dass kürzlich umgesetzte Beitragssenkungen wieder revidiert werden", so das Arbeitsministerium.
Die von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer warten auf Details zur Restrukturierung: Von 13. Juni bis zum 19. Juni sind Betriebsversammlungen an allen Filialstandorten von Kika/Leiner in ganz Österreich geplant. Die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft GPA und der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) wollen dort über die Wahrung der Ansprüche (u.a. laufendes Entgelt, Sonderzahlungen) informieren.
Den Kika/Leiner-Gläubigern wird eine Quote von 20 Prozent zahlbar innerhalb von zwei Jahren angeboten. Gläubiger können ihre Forderungen bei Gericht bis zum 8. August anmelden. Die erste Gläubigerversammlung ist für den 21. August angesetzt, die Abstimmung über den Sanierungsplan soll am 25. September stattfinden. Gleichzeitig mit der Eröffnung wurde ein Gläubigerausschuss bestellt, der laut AKV den Eintritt des Verwalters in die offenen Verträge sowie die Schließung der 23 Filialen prüfen wird. "Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können", erklärte die KSV1870-Insolvenzexpertin Brigitte Dostal in einer Aussendung.
Die unbesicherten Gläubigerforderungen (Passiva) der Möbelkette belaufen sich laut Kreditschützern auf 132 Mio. Euro. In den vorläufig geschätzten Passiva sind folgende Verbindlichkeiten enthalten: 40 Mio. Euro an Lieferantenforderungen, welche jedoch teilweise von einer Versicherung, abgedeckt werden sollen und 42 Mio. Euro an öffentlichen Abgaben und Beiträgen sowie Dienstnehmerforderungen einschließlich der Beendigungsansprüche aus den aufzulösenden Dienstverhältnissen. In den angeführten Passiva sind laut KSV die Gutscheinforderungen sowie von den Kunden geleisteten Anzahlungen nicht enthalten. Die Forderungen der Gutscheingläubiger sowie die bereits von Kunden geleisteten Anzahlungen sind laut Unternehmensangaben gesichert und eine Anmeldung ist daher nicht notwendig, zitieren die Kreditschützer aus dem Insolvenzantrag. Zum Vermögen (Aktiva) machte die Möbelkette keine Angaben. (apa)