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Kleine Änderungen – große Wirkung? Die Klimawende im Wohnungseigentum

Die Novelle zum Wohnungseigentumsgesetz ist mit Jahresanfang 2022 (zum überwiegenden Teil) in Kraft getreten. Anlass der Novelle war das sogenannte „Right to Plug“. Doch es geht um mehr als Ladestationen für Elektroautos.
Georg Flödl MA, MRICS
Georg Flödl
Georg Flödl
© REMG/ÖVI

Ein ganzes Bündel an Maßnahmen soll dazu beitragen, die Energiewende in den Bestandsimmobilien zu unterstützen. Darüber hinaus kommt es generell im Wohnungseigentum zu wesentlichen Änderungen, von denen mehr als 650.000 WE-Objekte österreichweit betroffen sind.

Gravierende Änderungen

Gleich zwei wichtige Mechanismen der Willensbildung im Wohnungseigentum werden von der Novelle grundlegend modifiziert: Für bestimmte Maßnahmen, die an sich nur einstimmig oder auf dem Ersatzweg durch Beschluss des Außerstreitrichters gegenüber den anderen Wohnungseigentümern „durchgesetzt“ werden können, gelten seit 1. Jänner 2022 neue Regelungen. Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer soll als erteilt gelten, wenn diese von der geplanten Änderung durch Übersendung verständigt werden und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widersprechen (Zustimmungsfiktion).

Ein solches „Schweigen als Zustimmung“ wird nach dem neuen § 16 Abs gelten für

• die barrierefreie Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft

• die Anbringung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs

• die Anbringung einer Photovoltaikanlage oder Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt

• die Anbringung von sich in das Erscheinungsbild des Hauses harmonisch einfügenden Vorrichtungen zur Beschattung eines Objekts

• den Einbau von einbruchsicheren Türen

Vereinfachungen

Die Willensbildung in der Eigentümerversammlung (oder im Umlaufbeschluss) wird generell vereinfacht: Die Berechnung der Mehrheit nach Anteilen wird ab 1. Juli 2022 durch ein Alternativmodell ergänzt werden, das auch einer qualifizierten Minderheit von Wohnungseigentümern beispielweise die Umsetzung von Renovierungsmaßnahmen ermöglichen soll. Für einen wirksamen Beschluss ist auch eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen ausreichend, sofern diese Mehrheit zumindest einem Drittel aller Miteigentumsanteile entspricht. Wohnungseigentümer, die sich nicht an der Abstimmung beteiligen, haben in Zukunft weniger bremsende Wirkung als bisher. Eine qualifizierte Minderheit (1/3 aller Anteile) kann Beschlüsse erwirken. Dies gilt ebenso ab 1. Juli 2022 wie die Einführung einer Mindestrücklage mit einem fixen Betrag von 0,90 Cent pro Quadratmeter.

Ob diese Maßnahmen tatsächlich einen Green Deal-Investitionsschub in Wohnungseigentumsanlagen auslösen werden, bleibt abzuwarten.

ÖVI Präsident Georg Flödl ist geschäftsführender Partner von Funk Immobilien, seit langem in unterschiedlichen Funktionen in der Immobilienbranche tätig und Mitbegründer der ÖVI Young Professionals.