News

Konsequent effizient

Der frischgebackene IFMA Austria-Präsident Georg Stadlhofer ist überzeugt: „Der Green Deal und der Umstieg hin zu einer energieeffizienteren und klimaneutralen Wirtschaft wird bestimmt viel Geld kosten - ist aber ein Gebot der Stunde“. Nachzulesen in der Sommerausgabe des BauTecFokus.
Amelie Miller
Konsequent effizient
© Michael Hetzmannseder

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum IFMA Austria-Präsidenten. Spannende Zeiten. Wie stark hat die COVID-19-Pandemie die Branche getroffen?

Georg Stadlhofer:  Vielen herzlichen Dank! Ich freue mich schon sehr auf diese spannende Aufgabe! Facility Management als Sammelbranche steht in Österreich ja immerhin für mehr als 200.000 Beschäftigte und einen Gesamtumsatz von rund 18 Milliarden Euro. Mit unseren Leistungen erreichen wir über 2,5 Millionen Kunden und tragen damit entscheidend zu einem produktiven, gesunden Arbeitsumfeld in Österreich bei. Neben diesem klaren Blick auf den Menschen im Arbeitsprozess, wird der Beitrag des Immobilien- und Facility Managements zum Klimaschutz eines meiner zentralen Anliegen sein. Schließlich verursacht der Betrieb von Gebäuden rund 30 Prozent aller CO2-Emissionen! 

Und zu COVID-19: Die Krise hat uns natürlich alle stark gefordert! Die damit zusammenhängenden Herausforderungen waren und sind enorm! Oberste Priorität war es dabei immer, ein sicheres Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter zu gewährleisten, gleichzeitig musste der Betrieb von Büroanwesenheit auf Home-Office und Online umgestellt werden. Gebäude wurden runtergefahren, Services angepasst und schließlich wieder sukzessive hochgefahren. Vor allem unsere Kollegen, die im Bereich der kritischen Infrastruktur tätig waren, haben hier großartige Arbeit geleistet!

Wird Facility Management in Zukunft eine größere Bedeutung zukommen?

Der Gebäudebetrieb wird mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen. Allein vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Bereich Klimaschutz und Energieeffizienz. Der europäische Green Deal ist ein zentrales Anliegen der Europäischen Kommission und enthält schon sehr konkrete Zielvorstellungen und Vorgaben – beispielweise Klimaneutralität bis 2050. Eine wichtige Maßnahme dafür ist, die jetzige Sanierungsquote von ungefähr einem Prozent auf drei Prozent zu heben. Das heißt, nicht nur der Gebäudebetrieb, aber auch der Gebäudebestand an sich, für den wir in der Betriebsphase verantwortlich zeichnen, wird stärker in den Fokus rücken. Ein energieeffizienter Betrieb und eine entsprechende Optimierung des Gebäudebestandes sowie ein schonender Umgang mit den darin befindlichen Ressourcen wird mit Sicherheit wichtiger werden. 

Der europäische Green Deal ist ein zentrales Anliegen der Europäischen Kommission.

Ist dies angesichts der leeren Kassen auch realistisch?

Eine berechtigte Frage. Der Green Deal und der Umstieg hin zu einer energieeffizienteren und klimaneutralen Wirtschaft wird bestimmt viel Geld kosten. Da ist die aktuelle ökonomische Entwicklung mit Sicherheit eine zusätzliche, große Herausforderung. Gleichzeitig bieten sich dadurch jede Menge Chancen. Auch die aktuellen politischen Signale zeigen deutlich, dass es gerade für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung Unterstützung geben wird. 

Darüber hinaus arbeiten schon heute viele unserer Mitglieder intensiv an Lösungen und Ansätzen, um ihre Immobilienbestände energieeffizienter zu gestalten.

Apropos Effizienz: Ein wichtiger Stellhebel für die Effizienz im Facility Management sind die Flächen. Jeder Quadratmeter, der nicht geplant, gebaut und betrieben werden muss, schont Ressourcen und Budgets. Um die Nutzung von Flächen entsprechend effizient zu gestalten, war das Thema Mobiles Arbeiten immer schon ein wichtiger Baustein, der nun durch COVID-19 plötzlich unglaublich an Bedeutung und Brisanz gewonnen hat. Auch jene Unternehmen, die bisher diesem Wunsch der Mitarbeiter eher skeptisch gegenüber standen, haben in den letzten Monaten gesehen, dass das Arbeiten zu Hause funktioniert und die Kollegen, oft unter großem persönlichem Einsatz, ihre Aufgaben weiter bravourös erfüllt haben. Zudem hatten jene Unternehmen, deren Kultur, Systeme und Prozesse bereits davor Home-Office ermöglichten und unterstützten, einen Vorteil im Lockdown. Aus diesem Grund fiel einigen der Umstieg bedeutend leichter. 

Wir sind schon gespannt auf die langfristigen Auswirkungen dieser Entwicklung und werden die Diskussion dazu auch mit einer eigenen Plattform innerhalb der IFMA Austria, dem Forum Arbeitswelten, breiter aufstellen und aktiv führen. 

Foto: REMG/Michael Hetzmannseder

Noch einmal kurz zurück zur Energieeffizienz. Stehen wir vor einem Revival des Contracting?

Ich glaube, ja. Auch vor dem Hintergrund der zuvor angesprochenen leeren Kassen. Contracting bedeutet ja für den Investor oder Bauherren, dass seine Anfangsinvestition geringer ist, da er die Herstellung der Energieerzeugung und des -betriebs nicht selbst zahlen muss, sondern dem Contracting-Geber über die Energiekosten ersetzt. Im Falle eines Investors können diese dann sogar über die Betriebskosten an den Mieter weitergegeben werden. 

Contracting ist immer dann hoch im Kurs, wenn die Energiekosten hoch sind. Ist damit zu rechnen, dass die Energiekosten steigen?

Keine leichte Frage. Sicher ist, dass die Kosten für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern, oder anders formuliert, die Kosten für die durch Energieverbrauch entstehenden Klimaschäden in nicht allzu ferner Zukunft eingepreist werden müssen. Im Gegenzug wird alles, was klimaneutral ist, begünstigt werden. 

Dem Smart Readiness Indicator (SRI) gehört die Zukunft. 

Welche Rolle wird die fortschreitende Digitalisierung dabei spielen?  

Die Digitalisierung ist neben dem Klimaschutz das bestimmende Thema in der Branche. Und das zu Recht! Zwar sind Gebäude auch bisher nicht ohne Daten und IT-Systemen wie CAFM (Computer Aided Facility Management) oder BMS (Building Management System) vernünftig zu betreiben gewesen. Durch die Möglichkeiten der Sensorik, die Vernetzung von Gebäudedaten und der zunehmenden Intelligenz von Systemen und Gebäudetechnik werden uns jedoch künftig noch ganz andere Möglichkeiten in der Planung, im Bauen, Betreiben und in der Nutzung von Gebäuden zur Verfügung stehen.  

Ein einfaches Beispiel aus dem Gebäudebetrieb: Um den Energieverbrauch eines Gebäudes zu optimieren, müssen die Energiesysteme richtig eingeregelt werden und dürfen zudem nur so viel Energie bereitstellen wie tatsächlich benötigt wird. Ein Raum, der nicht genutzt wird, muss klarerweise nicht geheizt, gekühlt, belichtet oder belüftet werden. Dabei helfen uns Daten aus der Gebäudetechnik und über die aktuelle Auslastung des Gebäudes sowie Informationen zu Energieverbrauch und beispielsweise Wetterentwicklung. Durch die Verknüpfung dieser Daten und einer intelligenten Gebäudeautomation lässt sich der Energieverbrauch um bis zu 20 Prozent reduzieren.  

Genau darauf zielt auch der sogenannte Smart Readiness Indicator (SRI) ab. Dieser Indikator sagt aus, ob eine Immobilie smart genug ist, energieeffizient betrieben werden zu können. Dies erfordert eben ein Mindestmaß an Digitalisierung. Neben dem Energieausweis wird auch der SRI in naher Zukunft gesetzlich verpflichtend sein und damit einen wichtigen Baustein zur Erreichung der Energieeffizienz darstellen. 

Fotos: REMG/Michael Hetzmannseder

FM-Manager beklagen, dass sie bei der Planung viel zu spät hinzugezogen werden. „Wir müssen früher in die Planung hinein“, heißt der Schlachtruf. Sind das berechtigte Klagen? 

Natürlich ist es entscheidend, die Anforderungen und Bedürfnisse der Gebäudenutzung  und des Gebäudebetriebs möglichst frühzeitig im Planungsprozess zu berücksichtigen. Es braucht also einen viel engeren Schulterschluss zwischen Betrieb und Planung. Die Herausforderung dabei ist, dass Objektplaner und Objektbetreiber, bildlich gesprochen aus unterschiedlichen Ländern stammen. Und es gibt nur wenige Fachleute, die die Sprache beider Länder beherrschen und somit vermitteln können. Aber auch hier bietet die Digitalisierung, mittels der Planungsmethodik Building Information Modelling (BIM), enormes Effizienzsteigerungspotential. Bereits bevor das erste Element modelliert wird, muss definiert sein, welche Informationen für den Betrieb notwendig sind und wie diese generiert und im Modell abgespeichert werden können.   

FM sollte also früher mit einem Pflichtenheft dabei sein? 

Nicht sollte, sondern muss. Diese im BIM-Prozess erforderlichen Auftraggeber-Informationsanforderungen müssen natürlich maßgeblich auch durch das Facility Management gestaltet werden. Natürlich gibt es gerade dabei noch Lern- und Entwicklungsbedarf, auch im Facility Management. Als FMA/IFMA Austria haben wir uns aus diesem Grund gemeinsam mit dem AIT (Austrian Institute of Technology), dem VZI (Verband der Ziviltechniker und Ingenieure), der Smart Construction Austria sowie der IG Lebenszyklus Bau erfolgreich um das FFG-Förderprojekt Innovationslabor – Digitales Planen, Bauen und Betreiben beworben, um in den nächsten fünf Jahren mithilfe digitaler Methoden und Best Practices die Vernetzung zwischen den heimischen Planern, Bauunternehmen und Betreibern zu forcieren, Sprachbarrieren abzubauen und somit die aktuellen Schnittstellenverluste zu verringern und Innovation(en) über den Lebenszyklus zu ermöglichen.  

Die Arbeitsbereiche des Innovationslabors reichen dabei von der Schaffung digitaler Infrastruktur über Innovationsbegleitung von Open-BIM-Pilotprojekten und Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bis zu zielgerichteten Weiterbildungsmaßnahmen und Know-how-Transfer sowie Beratung von geplanten Förderprojekten. 

Somit sind alle Lebenszyklusphasen eines Gebäudes vertreten. Das Interessante dabei ist, dass die Leistungen des Innovationslabors allen österreichischen Akteuren offen stehen. 

Die Kritik an BIM ist häufig, dass dadurch die Kleinen unter die Räder kommen, weil viel zu teuer? 

BIM ist die Planungsmethodik der Zukunft, daran führt kein Weg vorbei. Ich kenne niemanden, der einmal mit BIM geplant hat dann sagt: Nein, ich will es wieder anders machen. Aber ja, jede Veränderung und Weiterentwicklung ist mit Aufwand verbunden und erfordert auch in diesem Fall Anfangsinvestitionen. Dass es sich lohnt, zeigt auch die internationale Erfahrung. 

BIM ist die Planungsmethodik der Zukunft.

... der Weg ist aber noch weit...

Es ist sicher noch ein weiter Weg, aber ich bin sehr guter Dinge, dass wir mit dem Innovationslabor einen guten Beitrag für die Professionalisierung der gesamten Branche, über den Lebenszyklus hinweg, leisten können. Ich glaube tatsächlich, dass der Betrieb von Gebäuden und Infrastruktur hier der Schlüssel ist. Wenn wir es schaffen, die Anforderungen des Gebäudebetriebs klar und für die Planung verständlich zu formulieren, können und werden diese von den Planern auch berücksichtigt. An dieser Definitionskompetenz müssen wir aus dem Betrieb heraus sicher noch arbeiten. Genau diese Lücken wollen wir schließen.

Foto: REMG/Michael Hetzmannseder

... mit Digitalisierung – wobei wir wieder bei einem Kernthema angelangt sind.

Die Immobilienwirtschaft wird durch die Digitalisierung transformiert. Auch in meinem beruflichen Alltag als Geschäftsführer von Drees & Sommer Österreich beschäftigt mich das Thema sehr intensiv. Als Innovationsführer in der Branche arbeiten wir mit zahlreichen Partnern an unterschiedlichen Initiativen zur Digitalisierung von Gebäuden selbst und für und in Gebäuden notwendigen Prozessen. 

In unserem Incubator-Programm CREATORS vernetzen wir Start-ups, Corporates und kreative Köpfe miteinander, um Lösungen zu erproben, aber auch um jungen Menschen und ihren innovativen Ansätzen die Möglichkeit zu geben, sich auszuprobieren.  

Ein weiteres Beispiel ist der von Drees & Sommer kürzlich gelaunchte Real Estate Service Monitor: res-monitor.com. Hier finden Auftraggeber, Immobilieneigentümer oder Investoren  erstmals an zentraler Stelle Dienstleister aus Asset-, Property- oder Facility Management, passgenau nach benötigter Leistung, Assetklasse und Region. Das Feedback aus dem Markt ist wirklich ermutigend und wir denken schon über weitere Ausbauschritte und Funktionen nach, wie beispielsweise die Abwicklung des gesamten Beschaffungsprozesses. 

Wie kommt man zu FM? Warum studiert man Facility Management? 

Eine gute Frage – immerhin ist Facility Management keine sehr sichtbare Branche.  Facility Management ist eine spannende Querschnittsmaterie mit Aspekten der Bau- und Gebäudetechnik, Wirtschaft, Soziologie und Managementlehre. Auf jeden Fall sollte man aber ein Interesse für Immobilien mitbringen und gerne mit Menschen arbeiten. Der Mensch im Arbeitsprozess steht schließlich im Mittelpunkt der Bemühungen des Facility Managers und damit sind wir durch und durch Dienstleister.

In unserem Incubator-Programm CREATORS vernetzen wir Start-ups, Corporates und kreative Köpfe .

Als gebürtiger Niederösterreicher haben Sie in Tirol studiert. Gab es kein passendes Studium in Ostösterreich?

Einerseits hat mich das Curriculum angesprochen – eine Kombination aus Technik und Wirtschaft - und da gab es 1999 tatsächlich noch kein vergleichbares Studium in Ostösterreich. Andererseits wollte ich mit 19 natürlich gerne raus in die Welt – und Kufstein im schönen Tirol war zumindest schon mal weiter weg als Wien. Nach Abschluss des Studiums habe ich beim Pharmakonzern Novartis begonnen und war dort aus dem damaligen Division-Headquarter in Wien erst lokal, dann europaweit für Facility Management-Sourcing verantwortlich. Über diese Schiene bin ich dann in die Beratung gekommen und war dann viele Jahre in Rumänien und Deutschland tätig. 2015 habe ich mich mit meinem Geschäftspartner Peter Prischl entschieden, unser damaliges Unternehmen in die Drees & Sommer Gruppe einzubringen. Mit einher ging für mich damit die Möglichkeit, nach vielen Jahren im Ausland wieder in Österreich zu arbeiten. Diese Chance habe ich sehr gerne ergriffen.

Foto: REMG/Michael Hetzmannseder

Wenn Sie Österreich und Deutschland mit Blick auf FM vergleichen. Gibt es große Unterschiede, wenn ja welche? 

Ich glaube, wir haben in Österreich noch sehr, sehr viel Potenzial, gemeinsam diese Branche weiterzuentwickeln und professioneller zu machen. Dabei können wir natürlich viel von anderen Märkten und Ländern lernen, ob das nun Deutschland oder der angelsächsische Raum ist. Ich denke da an Vertragsstrukturen im FM, internationale Standardisierungs- und Steuerungs-Modelle oder eben den Einsatz von IT.  Gerade der internationale Bezug macht mir, in der Rolle als Präsident der IFMA Austria, besonders große Freude. Wir blicken über die Grenzen hinaus,  betrachten Best Practices und versuchen, diese für Österreich gewinnbringend zu übersetzen.  

Der diesjährige FM-Day ist dem Virus zum Opfer gefallen? 

Ja, leider mussten wir den FM-Day 2020 absagen. Über die letzten Jahre haben wir mit dieser Veranstaltung eine tolle Marke und einen großartigen Ort der Begegnung für die Branche aufgebaut - das ist wirklich der beachtenswerten Arbeit meiner Vorgänger zu verdanken! In den letzten Jahren war der Event immer restlos ausverkauft, über dreihundert Teilnehmer, zahlreiche spannende Vorträge, Präsentationen und Diskussionen. Leider ist das derzeit nicht machbar und mit einem digitalen Event wären wir unseren selbstgesteckten Zielen und Ambitionen nicht gerecht geworden. Aber: Wir haben uns bereits die ersten Keynote-Speaker für das nächste Jahr gesichert. Für Spannung, Unterhaltung und Überraschungen ist am 15. September 2021 jedenfalls gesorgt.