Der österreichische Wohnimmobilienmarkt ist seit Sommer 2022 beträchtlichem Gegenwind ausgesetzt. Jedoch kann nach fast eineinhalb Jahren Zinswende und regulatorischer Zeitenwende (Stichwort KIM-V) gesagt werden: Wir haben bisher einen preislichen Wetterumschwung gesehen, aber kein preisliches Gewitter. Befürchtungen vor einem Einbruch der Wohnimmobilienpreise haben sich nicht bewahrheitet, so die Experten von Raiffeisen Research in einer aktuellen Analyse. Ganz im Gegenteil: Wie aus den am vergangenen Freitag (02. Februar) veröffentlichten Daten zum OeNB-Immobilienpreisindex (Transaktionspreise) für das Gesamtjahr 2023 hervorgehe, sei Wohneigentum im Vorjahr österreichweit um nichteinmal zwei Prozent (1,6 %) billiger geworden. Das sei kaum der Rede wert, wenn man bedenke, dass sich die eigenen vier Wände allein in den unmittelbaren Jahren davor (2020-2022) um in Summe gut 30 % verteuert hätten. So habe sich die Preiskorrektur nach einem ersten und durchaus prononcierten Preisrutsch Ende 2022 im Verlauf des Jahres 2023 deutlich verlangsamt. Erst im Schlussquartal (Q4 23) ermäßigten sich Wohnimmobilien wieder in stärkerem Maße.
Sind alle Immobilienpreise im Vorjahr kaum gesunken?
Nein. Denn der Blick unter die Oberfläche des Gesamtmarktes zeigt für die Analysten von Raiffeisen Research: "Immobilien sind nicht gleich Immobilien. Wir erleben derzeit eine „Zweiteilung“ des Marktes, die seit Anfang 2022 immer größer geworden ist. Während sich neue Wohnungen auch in Zeiten der Zinswende verteuert haben, wurden gebrauchte Wohnungen deutlich billiger. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass neue Wohnungen in Q4 23 erstmals seit langem keine weiteren Preisanstiege verzeichnet haben. Dass sich beim Blick auf die Immobilienpreise insgesamt bisher nur eine sehr moderate Korrektur zeigt, ist somit auch der sehr speziellen Preisentwicklung von Neubauwohnungen geschuldet. Die hohen Baukosten sowie die gestiegene Präferenz der Käufer für Wohnungen, die energetisch auf dem neuesten Stand sind, dürften maßgeblich dafür sein. Anders ist die Situation älterer Wohnungen, deren Heiz- und Betriebskosten besonders deutlich gestiegen sind und deren „energetische Ertüchtigung“ in nicht allzu ferner Zukunft mitunter einen beträchtlichen Investitionsbedarf erforderlich machen wird."
Diese Zweiteilung des Marktes sei ein Trend, der "wohl gekommen ist, um zu bleiben und daher auch das Jahr 2024 prägen wird". Denn einerseits sehen die Experten von Raiffeisen Research, dass uns Jahre mit deutlich niedrigeren Fertigstellungszahlen bevorstehen. "Und andererseits ist mit Blick auf die Baukosten zumindest kurz- und mittelfristig keine Entspannung zu erwarten." Trotz rückläufiger Materialkosten wären die gesamten Baukosten bisher kaum gesunken, weil es eine Staffelübergabe gegeben habe: "Materialkosten treten in den Hintergrund, Personalkosten sind nun Kostentreiber Nr.1 und verhindern, dass trotz rückläufiger Preise von Ziegel, Zement & Co günstiger gebaut werden kann."
Immobilienpreise in Q4 23: Preiskorrektur nimmt Fahrt auf
"Bereits seit längerer Zeit haben wir davor gewarnt, vorschnell das Ende der Korrekturphase auszurufen", heißt es weiter in der Analyse. Die jüngsten OeNB-Preisdaten würden diese Ansicht bestätigen. "Denn nachdem sich Wohneigentum in den ersten drei Quartalen des Vorjahres kaum verbilligt hat (ø -0,3 % p.q.), nahm die Preiskorrektur im Schlussquartal schließlich Fahrt auf: Mit einem Minus von 1,4 % p.q. verbilligten sich Wohnimmobilien zwischen Oktober und Dezember um deutlich mehr als in den drei Quartalen davor zusammengenommen (-1 %)." Anders als in den Vorquartalen, als sich die Wiener Immobilienpreise zumeist deutlich schwächer entwickelt hätten als jene im übrigen Bundesgebiet, sei das preisliche Minus im vierten Quartal sowohl in der Bundeshauptstadt als auch im Rest Österreichs ähnlich groß ausgefallen (W: -1,4 % p.q.; Ö exkl. W: -1,3 % p.q.). Das bedeute: Dass die Immobilienpreise Ende 2023 viel stärker zurückgingen als in den Quartalen davor, sei zum größeren Teil dem preislichen Minus außerhalb Wiens geschuldet, wo die Preise im Sommerhalbjahr (Q2-Q3 23) lediglich stagniert wären. "Trotzdem gehen wir weiterhin davon aus, dass das ausstehende Korrekturpotential in der Hauptstadt größer ist als im Rest Österreichs", heißt es in der Analyse.
Ausblick 2024: Stärkere Preisrückgänge als 2023
Für Entwarnung ist es nach der Meinung der Raiffeisen Research Experten also noch zu früh. Denn Zinssenkungen hin oder her: Der zinsseitige Gegenwind bleibe auch 2024 beträchtlich. Und auch der deutliche Rückgang der Immobilientransaktionen lasse nicht auf eine schnelle Trendwende schließen. "In den ersten drei Quartalen 2023 wechselten um fast 30 % weniger Wohnimmobilien den Besitzer als im selben Zeitraum des Jahres 2022. Der Markt befindet sich also weiterhin in einer Findungsphase, in der die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern auseinanderklaffen und daher weniger Transaktionen zustande kommen." Angebot und Nachfrage würden wieder zueinander finden, das neue Gleichgewicht werde aber zu niedrigeren Preisen sein.
Dass die fundamentalen Voraussetzungen für (nachhaltige) Preisanstiege noch nicht erreicht worden wären, zeige auch das Zusammenspiel von Preisen, Zinsen und Einkommen, so die Experten von Raiffeisen Research. So sei das Thema „Leistbarkeit“ von Wohnraum nicht einfach mit dem Jahreswechsel verschwunden, sondern werde auch dem Jahr 2024 seinen Stempel aufdrücken. "Wer beispielsweise im Jahr 2021 eine Immobilie kreditfinanziert erworben hatte, musste damals etwa 30 % des Netto-Haushaltseinkommen für den Schuldendienst einplanen" meinen sie. Wer hingegen 2023 kaufen wollte, hätte fast die Hälfte seines Einkommens einplanen müssen – "für den Durchschnittshaushalt eine kaum zu überwindende Hürde". In der Realität bedeute das nichts anderes, als dass das Reservoir potenzieller Immobilienkäufer sehr klein geworden sei. Zwar werde sich die Leistbarkeit heuer von diesem Extremwert etwas wegbewegen. Dennoch bleibe die Lage angespannt. Erst in Richtung 2025 und 2026 werde kreditfinanzierter Eigentumserwerb für die Haushalte wieder erschwinglicher sein. Und das liege weniger an sinkenden Zinsen oder sinkenden Kaufpreisen, sondern in erster Linie an den deutlichen Einkommensanstiegen. Die nominalen Haushaltseinkommen dürften zwischen 2023 und 2026 um fast ein Viertel ansteigen. Gestiegene Kreditzinsen wären dadurch leichter zu schultern. Die hohe Inflation sei somit gestern eine Belastung für die Haushalte gewesen, verbessere aber heute, morgen und übermorgen aufgrund steigender Löhne die Leistbarkeit von Wohneigentum.
Was heißt das nun für die Wohnimmobilienpreise im Jahr 2024? In Summe erwarten die Experten von Raiffeisen Research 2023 und 2024 einen Preisrückgang von insgesamt maximal 10 % für den Gesamtmarkt Österreichs. Das bedeute einerseits: Die Preisrückgänge dürften heuer größer ausfallen als letztes Jahr, der Großteil der Korrektur stehe also noch bevor. Das Jahr 2024 dürfte für den Wohnimmobilienmarkt also ein nicht minder herausforderndes werden. Das bedeute aber auch: Selbst nach der erwarteten Korrektur dürfte Wohneigentum teurer bleiben als vor der Pandemie, denn trotz der jüngsten Rückgänge belaufe sich das seit Ende 2019 verzeichnete Preisplus auf immer noch auf 27 %. Gegen eine stärkere nominale Preiskorrektur spreche nicht zuletzt das Zusammenspiel von fundamentalem Angebot und fundamentaler Nachfrage. Der demografische Rückenwind für den Immobilienmarkt lasse zwar nach, sei aber weiterhin vorhanden. Gleichzeitig stünden Jahre mit deutlich niedrigeren Fertigstellungszahlen bevor. Das werde die Preiskorrektur nach unten hin begrenzen. Denn hohes Bevölkerungswachstum bedeute hohen Bedarf an Wohnraum – hohe Preise hin oder her. Zudem schaffe der weiter wachsende Bedarf nach Wohnraum gute Voraussetzungen dafür, dass der Markt nach dem aktuellen kontrollierten Sinkflug vielleicht nicht dieses, so doch aber nächstes oder übernächstes Jahr wieder in einen Steigflug übergehen könnte.
"Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nominalen Immobilienpreise weniger (oder mehr) als die von uns angenommenen 10 % korrigieren (was in realer Rechnung gleichwohl bereits beachtliche gut 20 % sind)", halten die Autoren der Analyse weiter fest. Wichtig ist für sie zu erwähnen, dass in diesem Fall das Ende der Preisrückgänge nicht der Beginn neuerlicher (nachhaltiger) Preisanstiege sein muss. Diese wären nämlich erst wahrscheinlich, wenn sich Immobilienpreise und Fundamentaldaten (Zinsen und Einkommen) wieder angenähert hätten. Zwar könne diese notwendige Anpassung durchaus mit stagnierenden bis kaum sinkenden nominalen Preisen einhergehen. Allerdings würde es entsprechend länger dauern, bis Preise und Fundamentaldaten wieder im Gleichgewicht wären, da in diesem Fall der gesamte "Anpassungsdruck" auf den Fundamentaldaten (z.B. Einkommen) liegen würde. Das bedeutet: Je geringer der nominale Preisrückgang, desto länger dauert es, bis die "Startvoraussetzungen" für neuerliche Preisanstiege erreicht werden.