Derzeit beflügeln Zinssenkungsfantasien die Märkte. Die Bauzinsen sind wieder unter vier Prozent gesunken. Außerdem liegt die Umlaufrendite für 10-jährige Bundesanliehen nur noch bei zwei Prozent, sodass die Risikoprämie für Immobilien wieder gestiegen ist. Das Stimmungsbarometer im Januar 2024 schürt insgesamt den Eindruck, dass das Schlimmste für die Immobilienbranche überstanden sei. Während im Jahr 2023 in den größten Assetklassen lediglich 26 Milliarden Euro – und damit weniger als halb so viel wie Vorjahr – investiert wurden, sei insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2024 deutlich mehr Aktivität am Transaktionsmarkt zu erwarten, sagt Florian Wenner, Head of Research & ESG bei Primonial REIM Germany. „Die Inflations- und Zinsentwicklung bietet Anlass zu vorsichtigem Optimismus.“
In große Euphorie könne die Immobilienbranche jedoch nicht verfallen. Auch wenn die stabile Leitzinsentwicklung und geringe Inflationsraten der Branche Planungssicherheit wiederbrächten, beobachtet der Experte, dass viele Investoren weiterhin mit einer gewissen Skepsis auf Immobilieninvestments blicken. Projektinsolvenzen und Mittelabflüsse aus Immobilienfonds befeuerten diese Skepsis weiter. Sein Zwischenfazit: „Diese Immobilienkrise ist noch nicht vollständig überwunden. Auch das Jahr 2024 wird für die Branche noch krisenbehaftet bleiben.“
Die Assetklassen im Detail:
Büroimmobilien
Das Jahr 2023 war für die Büromärkte ein echtes Krisenjahr mit einem Transaktionsvolumen von nur 6,4 Milliarden Euro – der geringste Wert seit dem Höhepunkt der Finanzkrise. Auch die Spitzenrenditen sind deutlich gestiegen und liegen in A-Städten mit 4,8 Prozent wieder auf dem Niveau von 2011, in Sekundärstädten mit 5,4 Prozent weiterhin unterhalb des Niveaus von vor zehn Jahren. Auf den Bürovermietungsmärkten waren 2023 nun deutlich rückläufige Büroflächenumsätze zu verzeichnen (um 27 Prozent in den A- und rund 18 Prozent in den B-Städten). Aufgrund von Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage sowie des Flächenbedarfs und der Flächenanforderungen scheuten viele Unternehmen Umzüge und Neuanmietungen. Auch die Leerstände haben in den größten deutschen Büromärkten flächengewichtet deutlich auf durchschnittlich 5,6 Prozent zugenommen.
„Für 2024 ist zu erwarten, dass der Nachfragedruck auf zentrale und moderne Flächen aufgrund fehlender Neubauflächenzufuhr weiter zunehmen wird“, konstatiert Florian Wenner. Er erwartet, dass sich im Laufe des Jahres ein von Käufer- und Verkäuferseite akzeptiertes Preisniveau für Büroimmobilien finden wird. „Ein Lichtblick ist zudem die Mietenwicklung, die im vergangenen Jahr sowohl in puncto Spitzen- als auch Durchschnittsmieten positiv gewesen ist.“
Wohnimmobilien
Wohnimmobilien setzten sich mit Blick auf das Gesamtjahr 2023 nicht nur hinsichtlich des Stimmungsbarometers, sondern auch des Transaktionsvolumens an die Spitze des Assetklassenvergleichs. Insgesamt wurden 7,2 Milliarden Euro investiert. Trotz vergleichsweiser geringer Preisrückgänge hätten viele Investoren ein Auge auf Wohnimmobilien geworfen. Grund dafür war die stark rückläufige Neubautätigkeit in Verbindung mit einer anhaltend hohen Wohnungsnachfrage in Ballungsgebieten. Dies verspreche steigende Mieten in den nächsten Jahren. Ein Dämpfer seien regulatorische Risiken sowie die Notwendigkeit energetischer Sanierungen.
„Die Nachfrage nach attraktiven, energieeffizienten Wohnimmobilien wird auch 2024 hoch sein“, sagt Wenner. Die Spitzenrenditen seien weiterhin auf einem niedrigen Niveau, sodass es für Investoren kein Selbstläufer sei, auskömmliche Renditen mit Wohninvestments zu erzielen. Doch: „Opportunistische Investoren, die bereit sind, Projektentwicklerrisiken zu übernehmen und mit Developern zusammenzuarbeiten, finden im aktuellen Marktumfeld attraktive Einstiegsmöglichkeiten. Im Erfolgsfall können sie auf zweistellige Renditen und hochmoderne, emissionsarme Neubauimmobilien hoffen. Letztere bieten die Aussicht auf hohe und gesicherte Mieteinnahmen für die nächsten Jahrzehnte.“
Handelsimmobilien
„Die krisenerprobte Einzelhandelsbranche hat sich im letzten Jahr zu einem heimlichen Gewinner gemausert“, konstatiert Florian Wenner. Die Stimmung sei hier weniger schlecht als in anderen Branchen – auch wenn Einzelhandelsimmobilien von zinsbedingen Abwertungen betroffen gewesen seien und das Transaktionsvolumen von 4,4 Milliarden Euro zudem kein Grund zur Freude gewesen sei. Dabei sei vor allem die Nachfrage nach Supermärkten hoch gewesen. Die Spitzenrenditen lagen im vierten Quartal 2023 bei 4,7 Prozent für Supermärkte, 4,8 Prozent für High-Street-Shops und 5,5 Prozent für Shopping-Center.
„Auch 2024 bleibt der Lebensmitteleinzelhandel der Angebots- und Nachfragetreiber. Darüber hinaus könnte sich für Investoren ein Blick auf Shopping- und Fachmarktzentren mit gut funktionierenden Konzepten lohnen“, meint Wenner. Diese hätten ihre Krisenresilienz in den letzten Jahren bereits unter Beweis gestellt und könnten zu attraktiven Renditen erworben werden.
Gesundheitsimmobilien
„Während das Transaktionsgeschehen zu Beginn des Jahres 2023 von bereits im Vorjahr vorbereiteten Deals getragen war, ging das Investmentjahr bescheiden zu Ende“, fasst Florian Wenner zusammen. Insgesamt lag das Transaktionsvolumen im vergangenen Jahr bei rund 1,0 Milliarden Euro. Die Hoffnungen für den Healthcare-Markt ruhen laut Wenner auf der in Aussicht gestellten Zinswende.
Die großen strukturellen Herausforderungen der Pflegebranche seien jedoch auch in diesem Jahr nicht verschwunden. „Für Investoren bedeutet dies in der Ankaufsprüfung, dass weiterhin ein genauer Blick auf Managementkapazitäten und die Liquidität der Betreibergesellschaften erforderlich ist. Jenseits der stationären Pflegeeinrichtungen, könnten 2024 Betreutes Wohnen und Ärztehäuser hohe Nachfrage erfahren und zur Stabilisierung des Healthcare-Markts beitragen.“ Solche Einrichtungen hatten im vergangenen Jahr bereits hoch im Kurs gestanden. Zudem besteht dort schon jetzt eine deutliche Angebotslücke, die durch den demografischen Wandel weiter zunehmen werde.
Hotelimmobilien
Mit einem Transaktionsvolumen von rund 1,3 Milliarden Euro wurden die Tiefststände aus den Pandemiejahren bei Hotelimmobilien zwar noch einmal deutlich unterboten. Aber der Rückgang fiel deutlich geringer aus als in allen anderen Assetklassen. Hotelimmobilien stabilisierten sich somit auf einem niedrigen Niveau. Die Spitzrenditen liegen derzeit bei 5,3 Prozent – und damit auf dem Jahresendwert von 2014. Die Umsatzzahlen und Auslastungen der großen Betreiberketten sind überwiegend gut und bestätigen die spürbare Erholung der Hotellerie.
„Die Aussichten der Hotellerie sind für das Jahr 2024 positiv. Investoren könnten Hotelinvestments in diesem Jahr daher wieder verstärkt in den Blick nehmen.“ Wie bei allen Betreiberimmobilien gelte hier aber weiter, dass ein genauer Fokus auf die Bonität des Betreibers und die operativen Kennzahlen unerlässlich sei. „Hotelimmobilien könnten eine unerwartete Renaissance am Investmentmarkt erleben.“
Logistikimmobilien
Hinter dem Logistikmarkt liegt das schwächste Jahr seit 2016. Mit rund 5,2 Mrd. Euro Transaktionsvolumen wurden fast 40 % weniger Geld in deutsche Logistikimmobilien investiert als im Vorjahr. Die Spitzenrendite für Logistikimmobilien liegt bei 4,3 Prozent und somit 120 Basispunkte über dem historischen Tiefststand von vor zwei Jahren. „Die allgemeine Zurückhaltung war im vergangenen Jahr nicht nur am Investmentmarkt spürbar“, sagt Experte Wenner. „Auch die Logistikflächenumsätze sind im Vergleich zu Vorjahren deutlich zurückgegangen.“ Dennoch bleibe Deutschland ein attraktiven Logistikmarkt, meint Wenner. Die Bundesrepublik sei ein wichtiger Industriestandort und die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Dies äußere sich durch weiterhin geringe Leerstände, die auch auf eine sinkende Neubautätigkeit zurückzuführen sei.
„Die Logistikbranche ist, ebenso wie der Bürosektor, konjunkturabhängig. Aus diesem Grund wird die Logistikflächennachfrage in den nächsten Jahren maßgeblich von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abhängen“, so Wenner. „Die zunehmenden geopolitischen Unsicherheiten könnten den Reshoring-Trend verstärken und die Logistikflächennachfrage auf einem hohen Niveau stabilisieren – wenngleich der innereuropäische Wettbewerb nach modernen und günstigen Logistikflächen zunehmen dürfte.“