Wohnraum wird zunehmend knapp. In den kommenden Jahren droht eine strukturelle Unterversorgung des Marktes – vor allem in den Ballungszentren Österreichs, wie der neueste Wohnungsmarktbericht 2024 des internationalen Immobiliendienstleisters CBRE zeigt.
Der Grund dafür ist ein Zusammenspiel aus demografischen, ökonomischen und politischen Faktoren.
Die Bevölkerung wächst kontinuierlich, insbesondere in den Städten. Wien und Graz beispielsweise verzeichneten im Jahr 2024 einen relativen Zuwachs von 1,2 Prozent. In der österreichischen Hauptstadt wurde damit die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze sogar früher als prognostiziert erreicht. Auch der anhaltende Trend zu Single-Haushalten wirkt sich entsprechend aus. Aktuell leben bundesweit statistisch 2,18 Personen pro Haushalt. In Wien beträgt der Wert 2,06 Personen. Tendenz sinkend.
Der Wohnungsbau hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt. Seit 2021 liegen die Baubewilligungen - ein Frühindikator für die Fertigstellungen - in Wien unter dem zehnjährigen Durchschnitt. Geschuldet ist das den stark gestiegenen Baupreisen, hohen Finanzierungskosten und konjunkturell bedingten Stopps bei vielen Entwicklungsprojekten.
Steigende Mieten
Vor mittlerweile zwei Jahren haben die hohe Inflation, rasante Zinssteigerungen und KIM-Verordnung die Nachfragesituation massiv verändert. Eigentum wurde für viele Menschen nicht mehr leistbar, wodurch sie auf den Mietmarkt ausgewichen sind. „Das sorgt gemeinsam mit den geringen Fertigstellungen für anhaltend steigende Mieten“, sagt Marc Steinke, Head of Research bei CBRE Austria.
Fertigstellungen in Wien
Insgesamt werden 2024 in Wien rund 11.160 Wohnungen in großvolumigen Neubauten fertig gestellt – mehr als 40 Prozent davon in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Minus von 18 Prozent. Auch in den Folgeperioden ist mit keiner Änderung dieser Tendenz zu rechnen. Denn 2025 soll das Neubauvolumen um weitere acht Prozent sinken. Regelrecht eingebrochen sind mit einem Minus von 42 Prozent die Fertigstellungen bei Eigentumswohnungen. „Viele Entwickler warten mit der Umsetzung, bis eine entsprechende Vorverwertungsquote erreicht ist“, beobachtet Steinke.
Die geringen Fertigstellungszahlen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Preisentwicklung. „Der Mietmarkt wird sich nicht entspannen“, prognostiziert Steinke. Seit Jahresbeginn ist die Spitzenmiete im freifinanzierten Segment um rund drei Prozent auf EUR 18,60 pro Quadratmeter angestiegen. Die höchsten Mieten werden - wenig überraschend - innerhalb des Gürtels, wie auch in den Villenlagen im Westen Wiens erzielt. Hinsichtlich Leistbarkeit tragen die Gemeindewohnungen NEU mit ihren günstigen Mieten zunehmend einen wichtigen Teil zur Bereitstellung von Wohnraum in Wien bei. In den Jahren 2024 und 2025 entfallen rund 280 Wohnungen (8 %) beziehungsweise 450 Wohnungen (11 %) der geförderten Mietwohnungen auf Projekte der der Stadt Wien.
Trotz aufrechter KIM-Verordnung und hoher Zinsen ist sowohl in Bezug auf die Zahl der Wohnungstransaktionen als auch hinsichtlich der Preisentwicklung im Eigentumssegment eine steigende Tendenz sichtbar. „Nach zwischenzeitlich moderaterer Entwicklung rechnen wir auch hier wieder mit größeren Zunahmen“, sagt Lukas Schwarz, Head of Capital Markets bei CBRE Austria. Aktuell liegt der durchschnittliche Kaufpreis in Wien bei EUR 6.200 pro Quadratmeter. Die höchsten Preise werden auch hier in den Inneren Bezirken und der Villenlage erzielt.
Wohnen auch bei Investoren wieder gefragt
War das Jahr 2023 noch von sehr schwierigen Marktbedingungen gezeichnet, ist heuer wieder ein leichter Aufwärtstrend bei Wohninvestments zu erkennen. Das Investitionsvolumen des ersten Halbjahres 2024 liegt bereits über dem des gesamten Vorjahres.
Wobei das Umfeld nach wie vor als herausfordernd bezeichnet werden kann. Auf der Verkäuferseite stehen überwiegend institutionelle Fonds, die Liquidität brauchen. Abnehmer sind vornehmlich eigenkapitalstarke Family Offices oder opportunistische Investoren. Allerdings sind die Preisvorstellungen zwischen Verkäufern und Käufern oft weiterhin unterschiedlich. Forward Deals, also Transaktionen vor Fertigstellung, gibt es nahezu keine.
„Die Spitzenrendite im Bereich Wohnen liegt im dritten Quartal bei 4,6 Prozent. Gegen Jahresende und im weiteren Jahresverlauf 2025 erwarten wir noch sukzessive kleine Schritte nach unten. Das wird – insbesondere verkäuferseitig im Core-Segment - zu einer weiteren Belebung des Marktes führen“, sagt Schwarz.
ESG als unabdingbare Grundlage
ESG-Kriterien sind mittlerweile eine unabdingbare Voraussetzung für Transaktionen. Darüber hinaus steigt die Relevanz von Gebäudezertifizierungen stark. Vor allem im institutionellen Bereich sind sie bereits eine Mindestanforderung. „Bei Bestandsgebäuden kann ein Klimaschutzfahrplan Aufschluss über die notwendigen Maßnahmen geben, die erforderlich sind, um den seitens der EU vorgegebenen Dekarbonisierungspfad einzuhalten. Oft kann bereits durch geringe Eingriffe der erste Schritt gemacht werden und eine zukünftige Taxonomie-Konformität angestrebt werden, sodass es zu keiner Gefahr eines „stranded assets“ kommt. Auch Überlegungen zur Kreislaufwirtschaft und die Nutzung von Brownfield-Potenzialen stehen im Fokus“, sagt Nadja Pröwer, Head of ESG bei CBRE Austria.