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Logistik ist das neue Retail

Nischenplayer. Michael Humitsch, Humitsch Immobilien Consulting, gilt als einer der, wenn nicht der Experte für Industrie- und Logistikimmobilien in der Steiermark. Der ImmoFokus hat ihn in seinem Büro in Graz besucht.
Michael Neubauer

Nischenplayer. Michael Humitsch, Humitsch Immobilien Consulting, gilt als einer der, wenn nicht der Experte für Industrie- und Logistikimmobilien in der Steiermark. Der ImmoFokus hat ihn in seinem Büro in Graz besucht.

Sie gelten in der Branche als der Experte für Industrie und Logistikimmobilien. 

Michael Humitsch: In der Vergangenheit hat Humitsch Immobilien Consulting viele Fachmärkte und Einkaufszentren vermittelt. Aus diesem Geschäft haben wir uns teilweise zurückgezogen, weil das auf dem Markt zu vermittelnde Volumen stark zurückgegangen ist - da läuft nicht mehr viel. Früher konnte man sich, sofern man ein geeignetes Grundstück an einer Autobahn hatte, der Anfragen von Bauhaus, OBI, Dehner und Bellaflora kaum erwehren. Diese Zeiten sind vorbei.

Das, was ich heute mache – Liegenschaftsentwicklungen von Industrie- und Logistikimmobilien – das tut sich fast keiner an. Ich bin in dieses Thema hineingewachsen, weil es mich auch immer interessiert hat. Makler, die das schnelle Geschäft suchen, sind in diesem Segment fehl am Platz. Dieses Geschäft lebt von Know-how, Netzwerk, Zeit und Durchhaltevermögen.

Ein gutes Beispiel ist die Logistikdrehschreibe Cargo Center Graz (CCG). Bei der weiteren Entwicklung um das CCG war ich von Anfang an dabei. Eine Erfolgsgeschichte. In Summe wurden vom Terminal selbst 60 Hektar entwickelt. Weitere 60 Hektar kamen durch Entwicklungen von Unternehmen außerhalb des Terminals dazu.

Begonnen hat es mit dem Ankauf von als Aufschließungsgebiet (Gewerbe.- Industriegrundstücke) gewidmeten 24 Hektar Land durch eine Anlegergesellschaft. Wir mussten Wald roden, eine Gasleitung verlegen und mit den ÖBB mussten wir uns bezüglich der Bauverbotszonen für die Koralmbahn abstimmen. Dann mussten wir mit 30 Grundstückseigentümer Optionen verlängern – und so ging es weiter. Bei diesem Geschäft braucht man einen langen Atem. Mit den ersten Grundstücksankäufen haben wir 2005 begonnen. Da habe ich schon gewusst, das Areal neben der Autobahn hat Potenzial. Zufahrt und Sichtbarkeit sind gegeben. Man hat investiert. Dann kam mit dem Jahr 2008 die Krise – und aus war‘s. Das war wirklich ein Cut. Im Gewerbebereich dauert es länger, bis sich das Marktumfeld wieder erholt. Die Durststrecke war nach vier Jahren zu Ende. 2012, 2013 ging es dann so richtig los. Zuerst haben wir gedacht, der Bedarf der letzten Jahre wird aufgeholt, denn 2009, 2010 und 2011 ist ja hinsichtlich Verkauf/ Vermietung und Neubau von Gewerbeimmobilien wenig passiert. Aber Gott sei Dank hat sich das nicht als Aufflackern dargestellt, sondern ist stetig weitergegangen. Gerade jetzt in den letzten zwei Jahren. So einen guten Markt haben wir noch nie erlebt.

Durch den Baubeginn der Koralmbahn (2019) erfolgen im Süden jetzt große Infrastrukturmaßnahmen. Da werden Begleitstraßen gebaut, Landesstraßen verlegt. Da stellen sich die Fragen: Wo gehört dann ein Kreisverkehr oder eine Ampel hin? Wer tut sich das schon an? Wer kann das schon? Wenn man da schon drinnen ist – und ich habe einen guten Zugang – dann bist du bei diesen Entwicklungen immer dabei.

Also doch ein boomender Markt?

Das Wort „Boom“ verwende ich nicht. Aber die vergangenen zwei Jahren haben – was Gewerbeansiedelungen betrifft – einen sehr, sehr regen Markt gezeigt. Grund dafür ist auch der Terminal, der in seiner Bedeutung sehr gestiegen ist. Der hat sich seit der Eröffnung 2003 zu einem bedeutenden Logistikzentrum nicht nur für die Steiermark, sondern darüber hinaus für den gesamten südosteuropäischen Wirtschaftsraum entwickelt. Der Terminal ist heute ein Hinterland-Terminal der Häfen Koper und Triest, deren Kapazitäten voll ausgelastet sind und die an ihre Grenzen stoßen. Der Terminal hat Fläche dazugekauft. Wegen der Synergien haben sich viele Unternehmen in der Region „eingekauft“.

Ein gutes Beispiel ist auch Anton Paar, ein weltweit agierendes Unternehmen im Bereich Premium Mess- und Analysegeräte. Das Unternehmen hat inzwischen fünf bis sechs Hektar gekauft. Erst vor kurzem wurde die Produktionsfläche im Werk in Wundschuh auf 11.500 Quadratmeter verdoppelt. Für MAGNA wird derzeit eine maßgeschneiderte Logistikhalle mit rund 15.000 m2 Nutzfläche errichtet, die Anfang 2018 in Betrieb genommen werden soll. Die Firma Schenker hat sich ca. sieben Hektar, DHL ca. fünf Hektar, UPS ca. zwei Hektar, Fa. Dachser ca. drei Hektar angesiedelt. Die Firma Kika hat erst vor kurzem ca. 12.000 Quadratmeter großes Lager eröffnet. Für eine ca. 20.000 Quadratmeter große Lagerhalle in Messendorf konnten Nachmieter gefunden werden.

Ein weiterer Grund ist, dass traditionelle Grazer Industrien aufgrund des heranrückenden Wohngebietes ihre innerstädtischen Standorte aufgeben, um zukünftigen Problemen mit der Nachbarschaft aus dem Weg zu gehen.

Haben Sie ein Beispiel für einen Industriebetrieb, der in nächster Zukunft aus Graz abwandern wird?

Hätte ich – aber ich werde nicht alle Namen auf Grund vereinbarter Diskretion bekanntgeben. Ein gutes Beispiel ist die Legero Schuhfabrik. Das Familienunternehmen wird seinen Firmensitz nach Feldkirchen bei Graz verlegen. Dieses Projekt wurde bereits der Öffentlichkeit vorgestellt.

Betriebsan- bzw. -übersiedelungen sind kein einfaches Geschäft. Da braucht es ein dichtes Netzwerk, viel Zeit und viel Know-how. Das haben nur wenige und die viele Arbeit tun sich nur wenige an. Projektentwicklung ist ein aufwändiger Prozess. Ein Prozess, der Jahre dauern kann. Unser Service ist umfassend. Im Auftrag unserer Kunden bereiten wir die Liegenschaft bzw. den Ankauf umfassend vor, ohne dass es von den Beteiligten publik gemacht wird – soweit es halt geht. Dann wird die Absiedelung vorbereitet und wir kümmern uns um den Verkauf der ehemaligen Industrieliegenschaft. In den meisten Fällen geht es Richtung Wohnbauwidmung – auch darum kümmern wir uns. Ein Rundumpaket, das in einer Minute geschildert ist – aber drei bis fünf Jahre dauert. Entscheidend ist, wir arbeiten zuerst an der Aufbereitung der Liegenschaft, dass sie bebaubar ist. Dann sind wir natürlich in der Funktion als Makler. Das Aufwändige ist aber die Projektentwicklung.

Wie stehen die Gemeinden zu Betriebsansiedelungen? Diese sind doch in der Regel mit einem Plus an Verkehr verbunden?

Sehr positiv. Das muss ich wirklich sagen: Die Reaktionen der Gemeinden sind in der Regel sehr positiv. Aber auch bei Landesbehörden, ÖBB, Infrastrukturunternehmen sind Leute am Werken, die sich aktiv an der Umsetzung eine Projektes einbringen. Die Zusammenarbeit ist wirklich positiv und deshalb ist auch einiges weitergegangen. Außerdem sind damit Arbeitsplätze verbunden. Im und um das Cargo Center Graz sind in den angesiedelten Unternehmen – wie etwa DB Schenker, DHL, Anton Paar, Lidl, Fresenius, u.a. – 1.600 Mitarbeiter beschäftigt.

Handelt es sich bei diesen Projektentwicklungen um komplette Neuansiedelungen oder um Standortverlagerungen?

Komplett neue Ansiedelungen sind in der Minderheit. In der Regel handelt es sich um Standortoptimierungen durch Zusammenlegungen oder bei bereits bestehenden Standorten um Erweiterungen. Wir haben in Graz echte Weltmarktführer in der Auto.- und Automatisationindustrie: MAGNA, AVL List, SSI Schäfer, Knapp, u.a. Wenn die Flächen brauchen – wir können sie vermitteln. Wenn Magna einen Großauftrag vergibt, dann müssen die Zulieferer Just-In-Time liefern. Dann ist es für die Zulieferer wichtig, ganz in der Nähe zu sein, um die Zeit einhalten zu können. Es wird auch nichts mehr auf Lager produziert.

Welche Trends sehen Sie im Einzelhandel?

Der Einzelhandel konzentriert sich jetzt Gott sei Dank wieder auf die Innenstadt – wo wir als Makler auch gut vertreten sind. Auch dank der von Kastner & Öhler realisierten Tiefgarage. Wenn Kastner & Öhler zu investieren aufgehört hätte, das wäre schlimm gewesen. Mit dem MURPARK Shopping Center, dem Citypark Graz, dem Center West und der Shopping City Seiersberg haben wir eine enorme Einkaufscenterdichte. Neue Projekte machen da keinen Sinn – außerdem sind sie auf der grünen Wiese nicht mehr umsetzbar. Einige Einkaufscenter haben bereits mit Leerstand zu kämpfen.

… und Fachmärkte und Fachmarktzentren?

Dieses Marktsegment ist fest in Händen einiger Entwickler. Im Spiel sind immer dieselben Eigentümer und Entwickler. Die stehen im ständigen Kontakt zu den Expansionsmanagern der in Frage kommenden Unternehmen. Da ist es schwer, sich ins Spiel zu bringen. Neue Fachmärkte sind Mangelware. Gute Fachmärkte werden ausgebaut, die weniger guten werden immer mehr leer stehen. Wenn der Ankermieter auszieht, stehen Probleme mit der Nachvermietung auf der Tagesordnung. Aktuell bedeutet Nachvermietung geringere Mieteinnahmen.

Gibt es außer Graz und Umgebung weitere interessante Regionen in der Steiermark?

Wo viel Bewegung zu sehen ist, ist zum Beispiel Leibnitz. Das glaubt man nicht. Leibnitz hat eine unheimlich gute Handelsszene, die sich in den vergangenen zehn Jahren massiv entwickelt hat. Im Retail-Bereich zählt Gleisdorf zu den interessanten Regionen. Bei Gewerbeimmobilien sollte man Bruck und Leoben auf dem Radar haben. Dazu kommen noch kleinere, einzelne Hot-Spots, aber keine Regionen, die sich von den anderen abheben. Auf den Punkt gebracht: In der Steiermark gibt es außer Graz kein Gebiet, in das es alle hinzieht.

Wie sehen Sie die Assetklasse Office in Graz?

Die Frage ist: Können wir hier von einem Markt sprechen? Ab welcher Größenordnung dürfen wir von einem Markt sprechen? Wir haben einen sehr bescheidenen Markt. Aber eines muss man sagen: Wir haben in Graz keinen nennenswerten Leerstand. Es wird nichts Großes auf Risiko gebaut. Neue Büroprojekte weisen grundsätzliche eine Gesamtnutzfläche von ca. 5.000 m2 auf. Ein Büroprojekt mit 25.000 m2 – so etwas gibt es definitiv nicht.

Gab es das einmal in der Vergangenheit?

Nein, das hat es nie gegeben. In Graz ist einfach das Risiko zu hoch. Aber wenn die Kriterien mit Standort und Anbindung usw. passen, hat Humitsch Immobilien Consulting bis jetzt noch jedes Bürogebäude vermarktet. Eine Tatsache muss aber jeden Bürohausentwickler bewusst sein, Vorvermietungen gibt es nach wie vor kaum. Auf Exposés von Büroprojekte, auch in besten Lagen, reagiert kaum ein Interessent. Erst wenn der Rohbau zu wachsen beginnt, erfolgen die ersten Anfragen. Im Projektwicklungsstadium bekommst du in der Regel keine verbindlichen Zusagen. n