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Markenpflege?

Jahr für Jahr gibt es Rankings der wertvollsten Marken der Welt. Wie diese Werte errechnet werden, weiß man nicht so genau, mit dem Aktienwert kann es nur bedingt zusammenhängen, eine Korrelation zu den Unternehmensergebnissen ist auch schwer herzustellen, daher ist sehr viel auf Hoffnung und Glaube kalkuliert.
Peter Engert

Jahr für Jahr gibt es Rankings der wertvollsten Marken der Welt. Wie diese Werte errechnet werden, weiß man nicht so genau, mit dem Aktienwert kann es nur bedingt zusammenhängen, eine Korrelation zu den Unternehmensergebnissen ist auch schwer herzustellen, daher ist sehr viel auf Hoffnung und Glaube kalkuliert.

Gibt es wertvolle Marken im Immobiliensektor? In den Listen kommen sie nicht vor. Wenn man googelt, findet man viele Rankings der wertvollsten Marken, die Bauwirtschaft ist nicht dabei, nicht einmal in den Rankings in Österreich. Wo ist die STRABAG, die PORR, sollten sie nicht in diesen Rankings aufscheinen? Tut denn niemand etwas für die Markenpflege?

Es gibt viele Marken in der Immobilienwirtschaft: Fenster, Türen, Ziegel, Farben, Dächer, Rauchfang und viele, viele mehr. Aber die Bauwirtschaft? Die Architekten, die Baumeister, die Baufirmen? OK, da sind viele KMUs dabei, die keine Markenpflege über ihr Umfeld hinaus betreiben, aber was ist mit den Großen? Tatsache ist, dass die einzige Sparte der Bauwirtschaft, die etwas für die Markenpflege tut, die Fertigteil- oder Systemhausbranche ist. In diesem Geschäft muss man als Marke in das Gedächtnis der Konsumenten, hier bringt gute Markenpflege einen finanziellen Vorteil, dem Kunden ist ja klar, dass er beim Kauf eines Fertigteilhauses auch von der industriellen Fertigung im Preis und hoffentlich auch in der Qualität profitiert. Manchen Firmen ist die Markenpflege so gut gelungen, dass sie heute noch im Gedächtnis der Kunden sind, obwohl es sie gar nicht mehr gibt.Und sonst?

Wenn man als Autofahrer gerade ins Lenkrad beißt, weil man vom Zorn über die achte Autobahnbaustelle in Serie übermannt wird, bringen der lustig bemalte STRABAG-Bau-Container und die hübsche Bautafel mit dem Hinweis, dass die Baustelle noch bis Sommer 2016 behindern wird, keinen positiven Marktwert für die Marke der ausführenden Baufirma.Dann herrscht noch der Glaube vor, dass eine Marke eigentlich nicht nötig ist, da man dem Kunden ja eine individuelle Lösung anbietet und der Kunde bei Ausschreibungen nicht nach Marken, sondern nach seinen Kriterien über Preis/Leistung entscheidet.

Wir sind keine Marke, jede Lösung ist eine eigene Marke! Das ist ein Ansatz, den sich Marketinggenies und Controller sicher gut überlegt haben, wir sind ja keine Fertigteilhausfirma. Aber ist das wirklich so? Behindert eine starke Marke die Individualität, die Einzigartigkeit der Produkte der Bauwirtschaft? Beeinflusst eine starke Marke in keiner Weise die Entscheidung des Bauherrn/der Baudame? Um bei der Planung und Kreativität zu beginnen: Ist es eigentlich schade, dass es keinen „Wiener Stil der Millenniumswende“ gibt? Wie individuell sind wir denn, wenn unsere Häuser mittlerweile aussehen wie in allen anderen Großstädten Europas?

Warum haben wir keine Wiener Schule des Bauens, wo sich die fähigsten Architekten des Landes zusammentun und einen eigenen, unverwechselbaren Stil kreieren und damit eine Marke schaffen? Glaubt denn wirklich niemand, dass man damit einen Vorteil bei der Angebotslegung oder bei Wettbewerben bei österreichischen Projekten erzielen könnte? Zum Glück haben wir so viel Altbestand zur Verfügung, gut geschützt und vor 150 Jahren auch wirklich nachhaltig gebaut. Damit kann sich Österreich sein architektonisches Antlitz erhalten und wird nicht gleichgeschalten.

Ist es tatsächlich so, dass Kunden die Anbieter wirklich egal sind, wenn Bonität und Preis/Leistung passen? Gibt es wirklich keinen USP, der in der Bauwirtschaft über die Marke ausgedrückt werden kann? Hat kein Teilnehmer den Wunsch, sich vom Marktbegleiter abzugrenzen, indem eine klare Markenpolitik und -pflege betrieben wird? Ich glaube nicht, dass dem so ist. Erste Anfänge gibt es ja schon: Zertifikate zeigen einen besonderen Mehrwert von Kunden und Bauausführenden auf, eine gute Referenz für Leistung und Qualität, die auf die Marke abfärbt. Der CSR-Report ist im Vormarsch, ein Bild der Leistungen des Unternehmens wird gezeichnet, das weit über Zahlen, Fakten und Projekte hinausgeht, ein wertvoller Beitrag zur Pflege der Marke.

Ich denke, in diese Richtung wird es weitergehen. Der Erfolg der Bauwirtschaft wird auch darin bestehen, nicht das Gleiche anzubieten wie der Mitbewerb, sondern ein eigenes Profil zu schaffen, das sich deutlich und nachhaltig abhebt, unter anderem auch mit zertifizierten Projekten und einem transparenten CSR-Report. Damit wird aus einem Firmennamen eine Marke. Denken wir darüber nach.