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Mikrowohnungen

Es wird eng: Städte, vor allem Wien, wachsen immer schneller, Ein- und Zweipersonenhaushalte werden immer mehr, hohe Bau- und Grundkosten machen Wohnraum zunehmend teuer. Der Ausweg: Mikrowohnraum.
Thomas Malloth

Klein, kleiner, am kleinsten.

Es wird eng: Städte, vor allem Wien, wachsen immer schneller, Ein- und Zweipersonenhaushalte werden immer mehr, hohe Bau- und Grundkosten machen Wohnraum zunehmend teuer. Der Ausweg: Mikrowohnraum.

Für Hans Jörg Ulreich von Ulreich Bauträger sind Mikrohäuser bzw. -wohnungen sowohl Trend als auch die Zukunft – mit Einschränkungen: „Das gilt nur in den Ballungsräumen. Am Land bleibt das Einfamilienhaus an erster Stelle.“ Der urbane Trend – mehr Singlehaushalte, teure Grundkosten – ist Realität, „daher liegt man mit kleineren Wohnungen natürlich richtig“, so Ulreich. Architekt Jakob Dunkl von querkraft architekten beschreibt den Trend so: „Kleinere Wohneinheiten werden derzeit von allen Bauträgern gefordert. Das ist aufgrund der Leistbarkeit leider eine unabwendbare Entwicklung.“ Er hält diese allerdings für unsinnig: „Wenn eher unwichtige Dinge wie Autos und Fernsehbildschirme immer größer werden, dann sollten Wohnungen nicht die gegenteilige Richtung einschlagen. Es muss politische Weichenstellungen geben, finanzielle Mittel in Richtung Wohnbau zu verschieben. Wir sind eine wohlhabende Gesellschaft - warum soll ausgerechnet beim Wohnen gespart werden?“

Leistbarkeit als Treiber

Wohnbauforscher Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) hat eine mögliche Antwort: „Wohnungen sind keine elektronischen Gadgets, wo immer mehr in immer kleineren Geräten untergebracht werden kann. Der Haupttreiber sind Preise und Leistbarkeit.“ Für die Kunden haben Quadratmeterpreise immer weniger Bedeutung, erläutert Amann, viel wichtiger ist die Gesamtmiete: „Man sieht sich sein Budget an und legt fest, wie viel für Wohnen aufgewendet werden kann. Dann schaut man, wie viel Platz man dafür bekommt“, erkennt auch Amann dies als Thema der Ballungsräume. Denn: „Bei Häusern funktioniert das anders. Die werden - zumindest im Durchschnitt - immer größer und nicht kleiner. Mikrohäuser sind hier eher ein Ausdruck von Lebensstil.“

Klar im Trend sieht auch Developer Hannes Horvath, Geschäftsführer der Hand GmbH, das Thema Mikrowohnraum: „Für Zielgruppen, die mit wenig Budget zentral wohnen wollen, wie z.B. Studenten oder Singles aller Altersgruppen, gab es viel zu wenig Angebot. Diese Zielgruppen werden nun von diesen neuen innovativen Produkten bedient.“ Außerdem: „Im Moment steigen die Grundstücks- und damit auch Wohnungspreise. Gleichzeitig sinkt die Kaufkraft der größten Nachfragegruppe – der guten alten Mittelschicht. Die logische Konsequenz sind kleinere und damit notwendiger Weise auch durchdachtere Wohnungsgrundrisse.“ Architekt Thomas Hayde will das Phänomen Mikrowohnungen weniger als Hype, sondern als eine neue, kreative Form des Wohnens für eine gewisse Zielgruppe sehen: „Immer mehr Menschen ziehen in Städte, da ergeben sich neue Anforderungen an das Wohnen. Smartwohnungen waren hier der erste Trend, nun folgen die Mikrowohnungen. Allerdings soll man deren Bedeutung im Hinblick auf den gesamten Wohnbau nicht überbewerten.“ Ähnlich sieht dies auch Jörg Wippel. Der „Wohnbau-Rebell“ und Geschäftsführer der wohngut Bauträger GmbH sieht den Trend zu Klein- und Kleinstwohnungen weniger als Hype, denn als so natürliche wie notwendige Reaktion auf gegenwärtige Realitäten: „Die Wohnkosten steigen stärker als die Löhne, die Singlehaushalte nehmen nach wie vor zu und die Pro-Kopf-Wohnfläche ist in den letzten Jahrzehnten so hybrid gewachsen, dass es höchst an der Zeit ist, hier auf die Bremse zu steigen.“ Grundsätzlich ist für ihn der Trend zu Mikrolösungen ein richtiger und nachhaltiger Weg. Allerdings braucht es dafür auch intelligente Planungsansätze: „Kleinstwohnungen sollten nicht deshalb billiger sein, weil sie eben klein sind. Sinnvoll wäre es, auch bei den Errichtungskosten smarte Lösungen zu finden. Denn wir brauchen speziell in Wien dringend günstigen Wohnraum für die steigende Anzahl einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen.“ Derzeit gehe nämlich auch die Produktion von Kleinwohnungen an diesen Gruppen vorbei, ist Wippel überzeugt. Er schlägt vor, sich vom Gemeindebau der 50er Jahre inspirieren zu lassen: „Die durchschnittliche Wohnungsgröße damals betrug rund 58 Quadratmeter. Die Raumorganisation war ökonomisch determiniert, die Wohnungen verfügten oft über keinerlei Freiflächen wie Balkone oder Gärten, dafür über großzügige Grünflächen in und um die Anlagen.“ Vor allem der letzte Punkt zeigt für Wippel, was bei der Planung von Mikrowohnungen besonders wichtig ist: „Das Wohnumfeld – (halb-)öffentliche Räume in guter Qualität, die auch das „Wohnen im Draußen“ attraktiv machen und eine gewisse Kompensation für die geringeren Wohnflächen darstellen.“

Gemeinschaftsräume notwendig

Dieser Ansatz wäre auch für Bauträger Ulreich Beispiel für gelungene Mikro-Wohnprojekte: „Der größte Irrglaube ist es, wenn man klein mit minderwertig oder schlecht ausgestattet verwechselt. Es muss sich natürlich auch bei Mikroprojekten für mich um qualitativ sicheren und hochwertigen Wohnraum handeln, ausgestattet mit ökologischen Materialien und Features, Licht und gutem Grundriss. Es braucht Gemeinschaftsräume, wie zum Beispiel Waschküchen oder gemeinsame Freiflächen, Fahrradkeller und Ähnliches.“ Für Wohnbauforscher Amann ist es wichtig, „dass die Dinge zusammenpassen. Wenn solche Mini-Apartments im gehobenen Sektor angeboten werden, muss die Ausstattung passen und vor allem die Lage. Für die neuen Urban Professionals ist U-Bahnnähe ein absolutes Muss. Mit knausrigen Produkten am Trend mitzunaschen wird höchstens kurzfristig klappen. Längerfristig halst man sich mit unstimmigen Produkten hohe Risiken auf.“ Auch Architekt Dunkl sieht die kreative Herausforderung darin, Menschen, die in kleinen Wohnungen leben, Gemeinschaftsräume anzubieten, die für ein kommunikatives Zusammenleben förderlich sind. Freilich ortet er zugleich die Probleme: „Will man bei Mikro-Unterkünften die Wohnbereiche großzügig anlegen und daher die Nebenräume besonders klein ausführen, so ist dies aufgrund der Vorschriften zur barrierefreien Ausführung, also der Nutzbarkeit für Rollstuhlfahrer, nicht möglich. Ein weiteres Problem sind die hohen Kosten pro Quadratmeter: Auch sehr kleine Wohnungen benötigen nämlich die gleiche haustechnische Ausstattung wie Bad, Küche, WC und alle elektrischen Ausstattungen wie großzügige Einheiten.“

Architekt Hayde will sich (noch) nicht zu einer Bewertung von guten oder schlechten Mikro-Projekten hinreißen lassen, nur so viel: „Grundsätzlich sehe ich Mikro-Angebote als eine neue kreative Form des Wohnens für gewisse Zielgruppen, die die gängigen Wohnungsangebote ergänzen.“ Er ist auch von einer guten sozialen Durchmischung überzeugt, die man erzielt, wenn in einem Wohnbau neben Mikrowohnungen auch größere Wohnformen vorhanden sind: „Einen großen Wohnblock nur mit Mikrowohnungen halte ich für keine gute Lösung.“

Problembereiche bei Mikrowohnraum

Wo sehen die Wohnexperten generell Probleme beim Thema Mikrowohnraum? Bauträger Ulreich: „Naja, im Moment hinkt das Gesetz dem Trend wieder hinterher. Alles unter 30 Quadratmetern ist im Neubau laut Wiener Bauordnung keine Wohnung und im Altbau nicht Kategorie A! Es macht also im Moment wenig Sinn, kleiner als 30 Quadratmeter zu bauen.“ Wohnbauforscher Amann formuliert es so: „Für den Vermieter bedeutet der Trend, dass die deutlich gestiegenen Kosten für Grund- und Baukosten leichter am Markt untergebracht werden können. Aus Mietersicht sind diese neuen Marktprodukte die Antwort auf eine schnelllebige Welt, in der man nicht weiß, wo und mit wem man im kommenden Jahr leben wird.“ Hand-Geschäftsführer Horvath ortet eher einen parallel verlaufenden Trend, der problematisch werden kann: Nämlich teureren Grundstückspreisen einfach mit lieblosen kleineren Wohnungen zu entgegnen. „Wir verändern uns als Gesellschaft – das betrifft auch unsere Wohnbedürfnisse. Die Frage ist daher, ob das, was wir heute für lange Zeit in Stahlbeton gießen, auch morgen noch funktioniert.“ Es werden viele kleine Wohnungen gebaut, die sich einfach nur an der Leistbarkeit orientieren, so Horvath. Die Flächen werden auf Basis heutiger Bedürfnisse, teilweise sogar möbliert, einfach reduziert, fühlt sich Horvath an die „P2-Grundrisse der DDR der 60er Jahre“ erinnert: „Gut durchdacht, millionenfach kopiert, Wohnungsknappheit gedämpft. Diese Plattenbauten sind bis heute soziale Brennpunkte.“

Thomas Hayde sieht zwar keine direkten Probleme in Sachen Mikrowohnungen, eher ein Ansichtsproblem, denn: „Die Mieten sind aufgrund der geringen Quadratmeter niedriger. Allerdings muss einem auch klar sein, dass die Baukosten nicht „billiger“ sind. Es müssen selbstverständlich alle nötigen Bau-Standards eingehalten werden und es kommen erhöhte Kosten schon dadurch zustande, dass man z.B. anstelle von fünf Toiletten jetzt auf derselben Ebene zehn Toiletten aufgrund des geringeren Wohnraums einbauen muss. Die niedrigere Miete erzielt man über den geringeren Wohnraum.“