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Millionen Mieter leiden unter "Lock-in-Effekt"

Je stärker die Mieten steigen, desto weniger Menschen können sich den Umzug in eine neue Wohnung leisten. Junge Familien, Rentner und Angestellte leiden am stärksten darunter.
Angelika Fleischl

Steigende Wohnungspreise sorgen bei Mietern nicht nur für knappe Kassen. Es gibt einen weiteren Nebeneffekt. Wer umziehen möchte, findet kaum noch eine neue bezahlbare Bleibe. In den gefragten Großstädten sind deshalb viele Mieter dazu gezwungen, dort zu bleiben, wo sie sind – auch wenn sie wegen Familiennachwuchs oder einem Arbeitsplatzwechsel lieber umziehen würden. Ökonomen bezeichnen das als "Lock-in-Effekt". Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieses Effekts sind mittelfristig kaum abschätzbar. Die erzwungene Sesshaftigkeit zeigt sich an den sinkenden Umzugszahlen. Im Jahr 2007 wechselten noch fast 13 Prozent aller Mieterhaushalte in Deutschland ihre Wohnung. Im vergangenen Jahr dagegen leisteten sich nur noch neun Prozent einen Umzug. Dort, wo die Mieten besonders stark gestiegen sind, ging auch die Bereitschaft zum Umzug besonders deutlich zurück. In den Großstädten mit hoher Zuwanderung dagegen beobachtet Reiner Braun, Wohnungsmarktexperte des Beratungsunternehmens Empirica, einen doppelt negativen Effekt: "Kleine Wohnungen mit neuem Mietvertrag sind mittlerweile oft teurer als große mit Altvertrag." Ausgerechnet junge Familien mit Nachwuchs haben es also besonders schwer, eine neue Wohnung zu finden. Der Lock-in-Effekt wirkt aber auch umgekehrt. Ältere Ehepaare, deren Kinder aus der Wohnung ziehen, tendieren eher dazu, in ihrer alten – eigentlich zu großen – Wohnung zu bleiben, weil sie in einer neuen, kleineren, den gleichen Preis zahlen müssten. Dabei würden viele Mieter gerne die Wohnung wechseln. 26 Prozent der Mieter sind mit ihrer Wohnung unzufrieden und würden gerne umziehen. Ganze 22 Prozent wollen eine größere Wohnung, und immer noch 13 Prozent sind mit der Lage unzufrieden. Die sinkenden Umzugsquoten in deutschen Großstädten zeigen: Nur knapp die Hälfte wird sich auf absehbare Zeit den Wunsch nach einer anderen Wohnung erfüllen können.