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Mut zur Individualität und Revolution

Individuelle Zugänge, Digitalisierung und Revolution. Das waren die großen Themen des 18. Europäischen Shopping Center Symposiums mit dem Titel „It‘s boutique“ von RegioPlan Consulting.
Andreas Altstädter

Individuelle Zugänge, Digitalisierung und Revolution. Das waren die großen Themen des 18. Europäischen Shopping Center Symposiums mit dem Titel „It‘s boutique“ von RegioPlan Consulting.

Ende April tauschten sich zahlreiche internationale Center-Betreiber, Investoren, Eigentümer, Center Manager und Händler sowie Marketingexperten im Palais Ferstel in Wien über aktuelle und zukünftige Trends der Shoppingcenter-Branche aus. Waren es bisher oft standardisierte Konzepte, die jahrelangen Erfolg brachten, sei es nun an der Zeit, sich auf individuelle Angebote, unkonventionelle Zugänge sowie Flexibilität zu fokussieren.

Laut Savills-Analyst Jörg Krechky sind Shoppingcenter für Investoren weiterhin beliebte Anlageobjekte. Das zeige der Anstieg des Investmentvolumens auf 57 Milliarden Euro im Jahr 2015, obwohl ganz klar fallende Mieten in Shoppingcentern zu beobachten sind. Dies bedeute allerdings nicht, dass die stationäre Fläche an Bedeutung verliere, sondern dass sie für Mieter zu teuer ist. Im Kontext aller Absatzkanäle des Handels hat die stationäre Fläche verloren.

Laut den Experten der drei Big Player der Branche - METRO Properties, ECE Projektmanagement und SES Spar European Shopping Centers - werden Flächen allerding ganz und gar nicht unwichtiger, sondern bekommen eine andere Bedeutung. Die Expansionsphase ist vorbei, alle drei Unternehmen konzentrieren sich auf die Optimierung des Bestandes. Dass die stationäre Fläche ins Schwitzen kommt, wollen die Experten nicht bejahen. Zwischen den Zeilen hörte man jedoch bei Aussagen wie von Oliver Borg, METRO Properties - „Wir müssen uns in Zukunft mehr um die Mieter bemühen“-, dass sich auch das operative Business offensichtlich verändert.

Selbstbeschränkung schafft Qualität

Währenddessen lag der Fokus der Marketing-Diskussion auf der Digitalisierung. Lisa-Maria Neuhofer, Donauzentrum, ist sich der Wichtigkeit bewusst, alle Zielgruppen eines Centers digital miteinzuschließen, denn „die Digitalisierung ist ein wichtiger Teil der Customer Journey und ist nicht mehr wegzudenken.“ Dafür reicht nur ein Social-Media-Kanal mittlerweile nicht mehr aus, da sich verschiedene Zielgruppen im Internet unterschiedlich bewegen. Als die wichtigsten Plattformen sehen die Experten noch immer Facebook und Instagram, aber auch Snapchat für das jüngste Publikum. Center Apps verändern das Einkaufserlebnis enorm und liefern gleichzeitig für den Betreiber detaillierte Informationen zum Konsumentenverhalten. Welche Funktionen diese jedoch brauchen, ist von Center zu Center unterschiedlich. Nicht alles, was für das Donauzentrum passend ist, würde in Kärnten oder Salzburg funktionieren und sei auch nicht notwendig, sondern nur kostspielig.

Die Zukunft sehen die Teilnehmer der Diskussionsrunde ähnlich: „Content is King“. Man müsse in Zukunft alle Offline-Inhalte auch online aufbereiten und nützen. Somit erhöht sich die Content Produktion und wird viel komplexer. Dass man dabei verleitet ist, den Konsumenten zu überfordern, streitet Rainer Wolfsberger, indoo.rs, nicht ab: „Die Selbstbeschränkung schafft Qualität.“ Man müsse lernen, das richtige Maß zu finden und sich ab und zu zurückzunehmen. Allerdings seien die Flexibilität und das Testen neuer Methoden unverzichtbar, denn immerhin müsse man laut Herbert Rohrmair-Lewis, Lobster Werbeagentur, einen Mehrwert für sowohl Konsumenten als auch Mieter erschaffen und Perfektion bieten, die man woanders nicht bekommt.

18-shopping-centre-symposium-038 _ Oliver Borg (zweiter von links)

Von regional zu lokal - sogar zu microlokal

Galten die Gastro-Konzepte in der Vergangenheit wegen ihrer geringen Mieten noch als unbeliebte Mieter in Shoppingcentern, so sind sie heute die „Rising Stars“ und tragen maßgeblich zur Aufenthaltsqualität bei. Laut Marcus Wild haben sich die Gastro-Mieten in den letzten zwei Jahren sogar verdoppelt. Für Hania Bomba, RegioPlan Consulting, kann der Handel von der Gastronomie lernen. „Gastronomie ist ein tolles Beispiel, um über Aufenthaltsdauer und Zusatznutzen zu lernen. Die Gastronomie entwickelte sich in den letzten Jahren in Richtung Entertainment und Handel - und das kann der Handel lernen und in Richtung Entertainment und Gastronomie gehen.“

Jan Knikker vom Architekturbüro MVRDV, das die international bekannte Markthall Rotterdam entworfen hat, berichtete aus erster Hand, welche Bedeutung es hat, solche individuellen Konzepte ohne Kompromisse umzusetzen. Denn bei einer Miete pro Stand und pro Tag von 45 Euro braucht die Halle ihre Frequenz von 9 Millionen Besuchern pro Jahr. Eine ECE könnte die Flächen nicht so günstig vermieten, laut Klaus Striebich, Mitglied des Vorstandes der ECE, verantwortlich für die Konzernvermietung. Ob das Konzept bereits wirtschaftlich sei, wurde im Zuge der Diskussion angerissen. Rechnen kann sich das Projekt wohl nur als Ganzes, inklusive den Wohnungen und den ergänzenden Einzelhandelsflächen, die die Markthall ausmachen. Ein Grund mehr, warum solche Konzepte nicht funktionieren, wenn man sie nicht als Ganzes, als einheitliches Konzept versteht.

Was kann also der Handel von der Gastronomie lernen? Für Bomba liegt es auf der Hand. „Es geht nicht nur um lokales, sondern um microlokales Marketing. Es geht um Individualisierung auf der Fläche, im Marketing, in der Kundenansprache, in der Gestaltung der Produkte bis hin zur Onlinezustellung und darum, den Mitarbeitern Verantwortung zu geben und sie in das große Ganze einzubinden.“