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Nachhaltiger als gedacht

Ein Kommentar von Andreas Kreutzer, Geschäftsführer des Beraternetzwerks Fischer & Partner mit Sitz in Wien. Seit nahezu 30 Jahren unterstützt KFP unter anderem Unternehmen bei Marktanalysen und Projekten
Andreas Kreutzer
KREUTZER
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© REMG

In Österreich fallen jährlich rund 30 Millionen Tonnen Abfälle an (ohne Aushubmaterial). Etwa ein Drittel davon entsteht durch Bau- und Abbruchabfälle. Insofern ist es naheliegend, dass der Wiederverwertung von Baustoffrestmassen ein großes Augenmerk geschenkt wird. Baustoff-Recycling wird in Österreich seit Beginn der 1990er-Jahre professionell betrieben – ob mobil auf Baustellen oder stationär. Das Bundesumweltamt zählte zuletzt rund tausend Behandlungsanlagen. Mittlerweile werden über achtzig Prozent der mineralischen Fraktion der Wiederverwertung zugeführt. Von den jährlich rund drei Millionen Tonnen entsorgtem Altbeton fließen über 97 Prozent in den Stoffkreislauf zurück oder werden für lose Schüttungen im Unterbau verwendet. Asphaltgemisch enthält in Österreich rund 20 Prozent rezykliertes Material.

Die Gründe für die vergleichsweise hohen Recyclingquoten liegen nicht zuletzt in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die es in Österreich zum Teil seit Jahrzehnten gibt, etwa das Altlastensanierungsgesetz, die Deponieverordnung oder die Recycling-Baustoff-Verordnung. Ab dem kommenden Jahr dürfen die meisten mineralischen Baustoffe wie etwa Ziegel aus der Produktion, Straßenaufbruch und Betonabbruch in keinem Fall mehr deponiert werden. In den Jahren 2026/2027 wird die Liste auf Gipsplatten, Gipswandbauplatten, faserverstärkte Gipsplatten sowie künstliche Mineralfasern erweitert.

Dringenderer Handlungsbedarf andernorts

Zugegeben, bei Verbundmaterialien ist eine industrielle Lösung für eine sortenreine Trennung nach wie vor nicht wirklich in Sicht. So können beispielsweise Brettsperrholz und Leimbinder aufgrund des Bindemittels im Prinzip nicht wiederverwertet, sondern nur verbrannt werden. Verbrennt man Holz, wird die viel gelobte CO2-Senke aber wieder aufgefüllt. Aber Hand aufs Herz, hat aus umwelttechnischer Sicht die Wiederverwertung von Baustoffen wirklich höchste Priorität, zumal deren Lebenszyklus deutlich länger ist als der der meisten anderen Waren und Güter? Fenster werden im Durchschnitt alle 45 Jahre erneuert, Dachmaterial für Steildächer nicht vor Ablauf von siebzig Jahren getauscht und ein Mauerwerk steht in der Regel hundert Jahre und länger. Demgegenüber nutzen wir Mobiltelefone im Schnitt nicht länger als drei Jahre und Kleidungsstücke werden nach rund fünf Jahren entsorgt (Wurde eigentlich schon erhoben, wie viele ungetragene Teile direkt im Altkleidercontainer landen?). Durch geplante Obsoleszenz fallen alleine in Österreich jährlich hunderte Tonnen an zusätzlichem Elektroschrott an. Nicht, dass deshalb das Recycling von Baumaterialen weniger wichtig wäre, aber haben wir in Sachen Kreislaufwirtschaft nicht andernorts dringenderen Handlungsbedarf, solange täglich tausende Tonnen an Verpackungsmüll von „Fast Moving Consumer Goods“ auf Mülldeponien landen?

Unternehmen der Baustoffindustrie leben ihren Nachhaltigkeitssinn bisweilen stärker aus als den technischen Nutzen ihrer Produkte. Obgleich die Baupreise explodieren und die Nachfrage sinkt, scheint ein grüner Anstrich wichtiger zu sein als ein günstiger Preis. Vielleicht sollten wir einmal die mitunter auch in der Baubranche veranstaltete Nachhaltigkeits-Olympiade zu Ende denken.