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Nachhaltiges Bauen

Alexander Passer von der Arbeitsgruppe für Nachhaltiges Bauen, der TU Graz im Gespräch über Kreislaufwirtschaft, Recycling und Upcycling in der Bauwirtschaft.
Lisa Grüner
Alexander Passer
Alexander Passer
© Lunghammer/TU Graz

Das Thema Kreislaufwirtschaft, also die Wiederverwendung bzw. Wiederverwertung von Bauteilen und Baustoffen, wird immer wichtiger. Wird es dazu eine vertiefte Forschung geben? 

Die Frage der Ressourcenverfügbarkeit und -nutzung ist extrem aktuell. Der großen Nachfrage nach Rohstoffen steht eine deutliche Verknappung der Primärrohstoffe gegenüber. Aufgrund des erheblichen Bedarfs rückt die Sicherung der Rohstoffversorgung in der Bauwirtschaft zunehmend in den Fokus. Die Wiederverwendung von einwandfrei funktionierenden Bauteilen ist demgegenüber in der Praxis noch nicht etabliert und wird daher noch in geringem Umfang umgesetzt, hier kann die Forschung sicherlich unterstützend wirken. 

Welche neuen Ansätze für Recycling und Upcycling gibt es?  

Nachdem der bestehende Deponieraum zu Ende geht, kommt dem hochwertigen Recycling von Bauabfällen oder Baurestmassen eine Schlüsselrolle zu. Es geht darum Baurestmassen wie z.B. Beton oder Ziegel möglichst sortenrein zurückzugewinnen. Innovationspotential liegt hier z.B. bei der automatisierten Identifizierung und Ausschleusung von Störstoffen. Ziegel und Beton sind prinzipiell sehr gut wiederverwertbar, trotzdem ist Recyclingbeton noch nicht sehr weit verbreitet. Hauptsächlich werden Recyclingfraktionen im Staßen- und Wegebau verwendet. Die vermischteren bzw. auch feinere Bestandteile von Baurestmassen spielen heute schon eine wichtige Rolle bei der Zementherstellung. Auch Ziegelsplitt wird dort ganz gezielt als Tonträger eingesetzt. In Zukunft wird auch das Karbonatisierungs-Potential, also die Fähigkeit des Zementsteins im Beton CO2 wieder aufzunehmen und in stabilen Kalkstein umzuwandeln, eine wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft spielen. Urban mining nimmt also tatsächlich Fahrt auf. 

Wo liegen die größten Innovationschancen?  

Ein großes Innovationspotenzial sehen wir in den digitalen Planungs- und Fertigungstechnologien. Dieses Forschungsfeld wurde an der TU Graz früh erkannt und es konnte bereits 2010 ein Roboter Design Labor für die hochpräzise Bearbeitung von Betonbauteilen eingerichtet werden. Im Verlauf verschiedener industrienaher Forschungsprojekte wurde das Labor stetig erweitert und die TU Graz konnte sich mittlerweile als innovative und anwendungsorientierte Institution im Spitzenfeld der digitalen Fabrikation positionieren. 

Wie werden sich mineralische Baustoffe wie Ziegel und Beton entwickeln? Sie werden ja gerne als Speicher für erneuerbare Energie in der Nutzungsphase oder als Vorreiter in Sachen Wiederverwertung angeführt?  

Stimmt, die thermische Aktivierung von Bauteilen kann als eine Art Batterie zur Speicherung von erneuerbaren Energien dienen und durch die Verschiebung von Lastspitzen Stromnetze stabilisieren. Im Hinblick auf den bereits stattfindenden Klimawandel ermöglicht die Bauteilaktvierung in Kombination mit Wärmepumpen und Erdsonden neben dem klassischen Heizen auch eine umwelt- und ressourcenschonende Raumkühlung. Im Unterschied zu klassischen Klimaanlagen mit Splitgeräten kommt es zu keinerlei Lärm- und Wärmeentwicklung, die den innerstädtischen Heat Island Effekt unterstützen. Die Möglichkeiten der Nutzung und thermischen Speicherung von am Gebäude erzeugten Solarenergie (Solarthermie+PV) sind wichtige Attribute einer zukünftigen klimaneutralen Quartiersentwicklung. Neben diesen Vorteilen müssen aber auch die „Hausaufgaben“ in Richtung von maßgeblichen Dekarbonisierungsstrategien zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen in der Produktion angegangen werden.