Dazu kommt in Zeiten der zunehmenden Erhitzung der Städte die Frage der Sinnhaftigkeit, weiteren Boden zu versiegeln. Doch es geht auch anders: Immer mehr erfolgreiche Projekte in ganz Österreich zeigen, wie auf den Dächern von Supermärkten bis hin zu großen Shoppingzentren smarte Wohnanlagen entstehen, die für alle beteiligten Interessensgruppen Vorteile bringen. Die Bauträger nutzen eine günstige Alternative zu teurem Grund, die Shop-Betreiber bekommen neue Stammkunden und weitere Nutzflächen hinzu, die Gemeinden können sich mit einem nachhaltigen Projekt rühmen – und die Bewohner freuen sich über eine komplette Infrastruktur, vom Supermarkt bis zum Ärztezentrum und Kino, die trockenen Fußes erreichbar ist.
Als eines der Pionierprojekte für diese Form der Überbauung kann das Auhof Center in Wien betrachtet werden. Die Projektierung startete bereits 2012, von der Architektengruppe Querkraft wurden 71 Wohnungen geplant, die mit einer Bruttomiete von 7,50 Euro rasch vergeben waren. Dies wurde aufgrund der günstigen Kostensituation möglich, da statt hohen Grundstückskosten nur das Baurecht erworben werden musste und das Projekt eine Wohnbauförderung erhielt.
Neben der ruhigen Lage auf dem Dach mit begrüntem Innenhof, Spielplätzen und nach außen Ausblick in den Wienerwald erwies sich auch die gute individuelle und öffentliche Verkehrsanbindung bis hin zum Stellplatz in der Tiefgarage vor allem für kleine Familien als attraktiv.
Über dem regen Treiben im Shoppingcenter entstand in der Wohnanlage ein ruhiger und entspannter Bereich, in dem sich auch die Kinder wohl fühlen. Zudem wurden zwei Gemeinschaftsräume geschaffen sowie eine gemeinsame Kleinküche. Das Gebäude wurde in Niedrigenergiestandard errichtet, aufgrund eines hohen Vorfertigungsgrads konnte eine Verkürzung der Bauzeit erreicht werden.
Weitere Projekte in ganz Österreich
Seither entstehen weitere ähnliche Projekte, wie zuletzt von Freimüller Söllinger Architektur für Palmers Immobilien ein mit mehreren Geschoßen überbauter Supermarkt in Wien. Im Bezirk Meidling wurden 85 Wohnungen in unterschiedlichen Kategorien in Holzbauweise geschaffen. Wie bei allen Projekten löst ein Neubau nicht nur Begeisterung aus. Im oben beschriebenen Fall kam es – im Gegensatz zum Projekt am Auhof Center – zu Widerständen der Nachbarn, zudem kann sich die Zu- und Ablieferung des Lebensmittelmarktes als Lärmproblem erweisen.
Doch die Vorteile überwiegen. So wurden auch in Linz bereits erfolgreich Wohnobjekte auf Supermärkten realisiert, auf einem Nahversorgungszentrum im Stadtteil Auwiesen wurden 62 Wohnungen ebenfalls in besonders leichter Holzbauweise fertiggestellt, in der Nähe der Universität Linz eine kleine Wohnanlage auf einem Penny-Markt. Ein weiteres Projekt ist zum aktuellen Zeitpunkt in Salzburg geplant, wo in Obertrum 24 neue Wohnungen geschaffen werden. Der bestehende Supermarkt wird dabei von 600 auf 1.000 Quadratmeter vergrößert. Auch Soravia setzt in diesem Sinne auf Nachhaltigkeit. In Abstimmung mit den gewerblichen Bestandsmietern wurden 45 Liegenschaften der Pfeiffer GmbH in urbanen Lagen für eine sorgsame Nachverdichtung erworben. Die Standorte in zentralen Lagen sollen mittels Neu-, Um- oder Zubau aufgewertet werden. Die zusätzlichen Nutzflächen werden ebenfalls für Wohnen, aber auch für Gewerbe und Mixed Use entwickelt.
Rechtliche und technische Aspekte, Förderungen
Für die meisten dieser Projekte ist keine Standortgenehmigung erforderlich. In technischer Hinsicht, von der Statik bis zu Wasserver- und -entsorgung sowie Strom können die bestehenden Ressourcen in hohem Maße genutzt werden.
Wie bei allen Projekten bedarf es oft intensiver Diskussionen aller beteiligten Interessensgruppen, um letztlich eine für alle vorteilhafte Lösung zu erzielen. Die Zunahme der Anzahl erfolgreich umgesetzter Projekte zeigt jedoch, dass Überbauungen von Bestandsobjekten eine sinnvolle Alternative zur Versiegelung und Neuerschließung von Grünland sind. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Gesamtkosten und der hohen Nachfrage an dem geschaffenen Wohnraum erweisen sich diese Investments auch für Bauträger als lohnend – und bebaubare Objekte mit „Luft nach oben“ gibt es auch noch genug in Österreich.