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Neubau der Deutschen Botschaft Wien fertiggestellt

Die neue Repräsentanz verkörpert Transparenz und Offenheit
Dagmar Gordon
Dagmar Gordon
Neubau der Deutschen Botschaft Wien fertiggestellt
© tschinkersten

Seit 1879 ist die deutsche Auslandsvertretung in Österreich im Botschaftsviertel nahe dem Unteren Belvedere ansässig. Das im Jahr 2025 zur Nutzung übergebene neue Botschaftsgebäude profitiert – wie schon seine beiden Vorgängerbauten an gleicher Stelle – von der großzügigen Distanz zu den umliegenden Straßen. Ein weitläufiger Garten umrahmt das Ensemble und verleiht ihm ein markantes Alleinstellungsmerkmal in seiner Umgebung. Die Architektur der Botschaft vermittelt Offenheit und Leichtigkeit und tritt in einen sichtbaren Dialog mit dem städtischen Umfeld des Gastgeberlandes.

Der Neubau steht wie seine beiden Vorgängerbauten zurückversetzt  von den Baufluchten der gründerzeitlichen Umgebung auf dem Grundstück. Dadurch wird das Botschaftsgebäude von einem groß zügigen Garten mit altem Baumbestand umgeben; zugleich trägt der Abstand zum öffentlichen Raum den Sicherheitsanforderungen Rechnung. Die Komposition des Baukörpers folgt der Verteilung der Nutzungen: die viergeschossige Kanzlei mit den Büros und der Pass- und Visastelle ist über den zweigeschossigen Trakt der Empfangsräume mit dem fünfgeschossigen Wohnbereich der Residenz verbunden. Diese Gliederung folgt dem Wunsch, die Empfangsräume sowohl von der Kanzlei als auch von der Residenz aus nutzen zu können. Die zentrale Bedeutung dieser Räume findet ihren architektonischen Ausdruck in der Offenheit der verglasten Bel Étage und der angeschlossenen Residenzterrasse, die über eine Wendeltreppe mit dem Garten verbunden ist. So vermittelt die Botschaft trotz hoher Sicherheitsanforderungen ein Bild von Transparenz und Offenheit gegenüber ihrer Umgebung.

Im Inneren verbindet eine über alle Etagen der Kanzlei reichende Eingangshalle die unterschiedlichen Funktionsbereiche visuell miteinander – bei gleichzeitiger, sicherheitsbedingter Trennung der Personenströme. Vom Erdgeschoss aus gelangt man direkt in den Veranstaltungssaal, der über separate Außenzugänge mit dem Residenzgarten verbunden ist. Eine großzügige Treppe führt zudem von der Halle in die Empfangsräume der Bel Étage.

Die Baukörper sind vollständig mit Krastaler Marmor verkleidet, einem Naturstein aus dem Gastgeberland Österreich. Seine helle, lebendige Oberfläche verändert je nach Lichteinfall ihre Anmutung und verstärkt so die Plastizität der architektonischen Komposition.

In den Bodenbelag der Residenzterrasse, ebenfalls aus Krastaler Marmor gefertigt, sind Bodenreliefs integriert, die als Kunst am Bau von Blasius Spreng für den Vorgängerbau von Rolf Gutbrod geschaffen wurden. Ein besonders intensives Zusammenspiel von Kunst und Architektur zeigt sich im neu geschaffenen Kunstwerk „Deform“ von Stefan Sous. Dabei handelt es sich um eine kreissegmentartige Verformung des die Botschaft umgebenden Zauns – ein künstlerischer Eingriff, der symbolisch einen Teil des Botschaftsgrundstücks an die Wiener Öffentlichkeit zurückführt.

Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung

Das Projekt folgt den Empfehlungen des Leitfadens Nachhaltiges Bauen und orientiert sich am Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB). Der Neubau wurde deutlich kompakter als der Vorgängerbau konzipiert. Durch die kleinere Grundfläche konnte mehr entsiegelte Freifläche geschaffen werden. Die geringe Flächenversiegelung, der hohe Anteil an bestehendem und neu gepflanztem Baumbestand sowie die Begrünung des Kanzleidaches tragen zur Verbesserung des Mikroklimas im dicht bebauten städtischen Umfeld bei. Das gesammelte Niederschlagswasser wird in einer Zisterne gespeichert und für die Bewässerung des Gartens sowie zur Verdunstung genutzt. Überschüssiges Wasser versickert kontrolliert über eine Rigole im Residenzgarten.

Energieeffizienz und Gebäudetechnik

Die gesetzlichen Grenzwerte für die thermische Qualität der Gebäudehülle werden deutlich unterschritten. Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme, die zum Teil aus erneuerbaren Quellen oder aus Kraft-Wärme-Kopplung mit hohem Wirkungsgrad stammt. Für die Kälteversorgung wird eine Anlage mit einer Vorlauftemperatur von 12 °C (statt der üblichen 6 °C) eingesetzt, was den Stromverbrauch für die Kühlung um etwa 20 % reduziert. Ein außenliegender Sonnenschutz mit Screens minimiert den sommerlichen Wärmeeintrag. Für Heizung und Kühlung kommt ein flächenaktives System zum Einsatz, das sowohl energetisch effizient als auch komfortabel ist – anstelle eines klassischen Umluftinduktionssystems. In den Büro- und Wohnbereichen ist eine natürliche Fensterlüftung möglich, wodurch der Energiebedarf für die Raumkonditionierung zusätzlich reduziert wird.

Tageslicht, Beleuchtung und Eigenstromerzeugung

Die hohen Fensterflächenanteile ermöglichen eine ausgezeichnete Tageslichtversorgung. Die künstliche Beleuchtung erfolgt flächendeckend mit LED-Technologie. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der Kanzlei erzeugt mit einer Leistung von 78 kWp eigenen Strom. Die Heizungs- und Lüftungsanlagen werden bedarfsgerecht gesteuert, um Energieverluste zu minimieren.

Materialien, Kreislaufwirtschaft und Langlebigkeit

Beim Bau kamen ausschließlich gesundheits- und umweltverträgliche Materialien zum Einsatz. Parkettböden, Wandverkleidungen, Decken- und Terrassenbeläge bestehen aus Holzprodukten aus zertifizierter Forstwirtschaft. Der für Fassaden und Bodenbeläge verwendete Kärntner Naturstein ist lokal verfügbar und weist durch kurze Transportwege eine sehr gute CO₂-Bilanz auf. Seine hohe Langlebigkeit reduziert den Instandhaltungsaufwand; die Fassade ist nahezu wartungsfrei und altert ästhetisch ansprechend. Die Materialien des Innenausbaus sind sortenrein rückbaubar. Die mechanische Befestigung der Fassadenplatten ermöglicht eine zerstörungsfreie Demontage und Wiederverwendung. Auch die Aluminiumprofile der Fenster verfügen über ein hohes Recyclingpotenzial.

Barrierefreiheit und Flexibilität

Alle Innen- und Außenbereiche sind vollständig barrierefrei gestaltet. Die Übergänge zwischen Innen- und Außenräumen sind schwellenlos ausgeführt. Durch die kompakte Gebäudegeometrie, eine effiziente Vertikalerschließung und flexible Fassadentrennwandanschlüsse bietet das Gebäude eine hohe Anpassungsfähigkeit an künftige Nutzungsänderungen.