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Neue Retail-Welten

Bei Retail zeigt sich ein Trend zur Diversität, der von Digitalisierung, Ethik, Individualität aber auch Luxus gekennzeichnet ist.
Michael Neubauer
Jasmin Soravia
Jasmin Soravia
© REMG/Kollitsch & Soravia

Die Pandemie hat vor allem den Trend zum virtuellen Shopping beschleunigt. Die daraus resultierenden, immer mehr vernetzten digitalen und realen Einkaufswelten werden nicht nur den Alltag der Menschen, sondern auch das Gesicht der Städte verändern.

In unseren Innenstädten vollziehen sich tiefgreifende Veränderungen, die vor allem durch die Pandemie beschleunigt wurden. Da die Besucherfrequenzen stark zurückgegangen sind, stellt sich die Frage, wie weit die herkömmlichen Konzepte Zukunft haben. Viele dieser Veränderungen haben bereits vor der Pandemie begonnen. Starke Rückgänge zeigen sich bei der Bekleidungs- und Schuhindustrie, sehr verstärkt durch den Onlinehandel – eine Entwicklung, die bereits 2016/2017 eingesetzt hat.

Insgesamt hat sich der heimische Retail-Markt hingegen wieder gut erholt. Flächen werden wieder vermehrt nachgefragt, vor allem der Gastrobereich ist auf dem Vormarsch. Neue Schlagworte sind „Social Shopping“, „Second Hand“ und „ethische Werte“ – Nachhaltigkeit bekommt auch hier immer größere Bedeutung. Studien besagen, dass Second-Hand-Waren in den kommenden zehn Jahren einen Marktanteil von circa 20 Prozent erreichen werden.

Auch der Lebensmittelhandel hat sich stark verändert – hier hat sich der Onlinehandel in den letzten Jahren verdreifacht, es gewinnt also das Click&Collect-Angebot. Ebenso stark erkennbar ist dabei die Tendenz zu regionalen Produkten.

Zudem zeigt sich eine zunehmende Branchendiversität in den High Streets, dabei ist auch ein Anstieg an Diskontern zu verzeichnen. Sowohl aus der Wiener Innenstadt als auch von der Mariahilfer Straße haben sich innerhalb der letzten zwölf Monate zehn Prozent der herkömmlichen Mieter verabschiedet – sie wurden jedoch rasch durch neue Mieter ersetzt. Diese neuen Mieter bringen Veränderung mit sich, wie zum Beispiel im Bereich der Elektromobilitätsbranche, wie die Präsentationen von E-Pkw mitten in den Einkaufsmeilen zeigen.

Digitales Shopping auf der Überholspur

Immer mehr Händler setzen auf Omni-Channeling: Markenpräsentationen in großen Flagship Stores werden von Service und Entertainment mittels moderner Technik unterstützt. So verbindet das aus dem Gaming-Bereich kommende Metaverse unsere reale und die virtuelle Welt miteinander und erzeugt neue, dynamische Interaktionsmöglichkeiten. Diese Virtual-Reality-Erlebnisse werden von innovativen Technologien unterstützt, wie von Blockchain-Systemen, digitalen Währungen und Token. Diese alternativen Konsumentenerlebnisse gewinnen rasch an Bedeutung – insbesondere nach dem pandemiebedingten Schub für virtuelle Kommunikation. Bereits zwei Drittel der Menschen sind nach einer KPMG-Studie mit dem Metaversum zumindest teilweise vertraut, insbesondere Millennials (81 Prozent) und Generation Z (86 Prozent), also Gruppen, die für den Handel immer interessanter werden. Fast die Hälfte der jungen Menschen glaubt, dass das Metaversum heute gemeinsame Erlebnisse bieten kann, die genauso bedeutsam sind wie persönliche Interaktionen.

Diese Entwicklung wird das Einkaufen in virtuellen Geschäften weiter vorantreiben, mit Live-Shows, aber auch mit Geselligkeit. Zudem werden neue Arbeitsplätze entstehen. Wir können uns zum Beispiel mit Freunden aus dem ganzen Land treffen, um gemeinsam virtuell zu shoppen – und das alles, ohne unser Zuhause zu verlassen. Ähnlich einer Kryptowährung entstehen so neue Möglichkeiten der Vermarktung digitaler Waren. Modemarken machen mittlerweile mehr Umsatz in digitaler als in physischer Form, zum Beispielmit virtuellem Product Placement.

Aber auch traditionelle Shops können mit digitalen Einkaufswelten kombiniert werden. Mit Augmented Realities (AR) können wir zum Beispiel mit Smartphone-Kameras oder Tablets Bilder der aktuellen realen Umgebung aufnehmen und mit digitalen Inhalten ergänzen.

Die Grenzen zwischen der realen und virtuellen Welt werden damit zunehmend aufgelöst. NFT können individuell auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten, geteilt, eingelöst oder mit einer Luxusmarke verknüpft werden. Mit dieser persönlichen Nähe werden Streuverluste vermieden und eine stärkere emotionale Kundenbindung zur Marke wird hergestellt. Das zeigen bereits markant lange Verweilzeiten im Metaverse. Das größte Kaufhaus der Welt ist mittlerweile TheMall. Der kanadische Metaverse-Textilshop beansprucht eine virtuelle Verkaufsfläche von über 90.000 Quadratmetern und ist damit achtmal so groß wie das größte Kaufhaus der Welt in Dubai.

Die geringe Verfügbarkeit von attraktiven Bauplätzen in Innenstädten wird wohl den Trend zur Schaffung virtueller Verkaufsflächen vorantreiben – aber das Bedürfnis nach Haptik, Geruch und echten Begegnungen, nach einem Miteinander mit gutem Essen und Trinken, wird parallel dazu weiterhin aufrecht bleiben. Das ist auch der Gedanke beim neuen Lamarr-Luxuskaufhaus von René Benkos Signa. Aus dem ehemaligen Möbelhaus Leiner auf der Mariahilfer Straße soll bis 2024 ein von Rem Koolhaas‘ Architektenbüro OMA gestalteter Einkaufstempel inklusive Hotel sowie großzügiger Gastro- und Retailflächen entstehen, der ein komplett neues Einkaufserlebnis beziehungsweise einen einzigartigen Lifestyle präsentieren soll. Bei neu errichteten Kaufhäusern zeigt sich somit ein Trend Richtung Diversifikation und Luxus.