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New Work

Neu, oder einfach nur anders?
Fessl
Fessl
© REMG

Die Arbeit hat sich seit Beginn der industriellen Revolution konstant verändert, einmal mehr, einmal weniger stark. Die Arbeitsumgebung, wie wir sie kennen, also Menschen, die gemeinsam in kleinen Gruppen in einem Büro sitzen, gibt es eigentlich erst seit den 80er Jahren. Sie ist ein Überbleibsel der dritten Stufe der industriellen Revolution. Damals wurden die Großraumbüros, auf welche man in den 60er Jahren gesetzt hat, wieder in kleinere Gruppenbüros gegliedert.

Die industrielle Revolution hat die Arbeit als Ganzes tiefgreifend geändert, ging es zu Beginn noch um Produktion und Herstellung, so geht es heute um Kommunikation und Effizienz. Alle Stufen waren jeweils mit großen sozialen Spannungen und ebenso großen Unruhen verbunden. Letztendlich ermöglichte die Industrialisierung trotz der Probleme und Spannungen insgesamt aber einen höheren Lebensstandard, auch für die Arbeiterklasse.

Die derzeit laufende vierte Welle der Revolution ist zweifellos die mit der größten Dynamik, und abermals schafft sie eine Kluft, aber diesmal nicht zwischen Fabrikanten und Arbeitern, sondern innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Handwerk versus Büro, Dienstleistung gegen Home-Office.

Es ist ja schön, wenn es Berufsfelder gibt, in denen die Leute ihre Arbeit in nur vier Wochentagen erledigen können oder in denen es reicht, 32 Stunden in der Woche zu arbeiten, und diese zu 50 Prozent zuhause zu verbringen. (Es verbleibt aber die Frage, wieso dieselben Protagonisten bis jetzt fünf Wochentage dafür benötigen…). Darüber hinaus gibt es aber viele Berufsfelder, in denen das nicht funktioniert. Die U-Bahn sollte auch am Wochenende fahren, und auch die Notaufnahme im Spital kennt keinen Ruhetag.

Die „Schreibtischtäter“ verbringen in der Regel acht Stunden im Büro, genau so viel wie für Freizeit oder den Schlaf. Das Bedürfnis nach einer vertrauten, sicheren Umgebung ist also legitim.

Was wird denn heute dafür getan, dass die Mitarbeiter sich wohlfühlen?

Wir nehmen Rücksicht auf die Religion und hängen keine Kreuze mehr auf.

Wir geschlechtern alle Texte bis zur Unlesbarkeit, um nur alle anzusprechen.

Wir installieren fünf unterschiedliche WC-Gruppen, um alle sexuellen Ausrichtungen abzudecken.

Wir berücksichtigen die Ernährungspräferenzen: Es werden Obstkörbe angeboten, vegane Mittagsmenüs und laktosefreie Jausen verabreicht.

Wir sehen für jeden einen Fahrradabstellplatz vor, es gibt Fitnesszonen mit Duschen.

Wir bauen Cafeterias, schaffen Hundezonen, Raucherzonen, eigene Telefoninseln, sogar Relaxzonen und Kreativzonen.

Aber einen fixen ruhigen Arbeitsplatz ohne unnötigen Stress gestehen wir ihnen nicht zu.

Denn die Modalitäten des geteilten Arbeitsplatzes können durchaus zusätzlichen Stress verursachen:

Probleme beim An- und Abmelden, schlecht eingestellte Bildschirme, defekte Sessel, Dockingstation mit Kontaktfehler, überbuchte Plätze, Zutrittskarte mit Sitzbereich nicht kompatibel et cetera.

Letztendlich geht es darum, den Menschen als wertvolles Individuum und nicht als lästige Kostenstelle wahrzunehmen! Im Übrigen: Der Platzbedarf für ein Biohuhn beträgt gemäß Tierhaltungsverordnung acht Quadratmeter…

Aber es geht hier nicht um die Arbeitsfläche, sondern um die Bedürfnisse der Mitarbeiter

Man darf nicht vergessen, dass sich evolutionär tief verankerte Grundstrukturen, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam ändern. Wir suchen soziale Nähe und Sicherheit. Wer sitzt denn gerne mit dem Rücken zur Tür? Mittlerweile können wir fast alles zu jeder Zeit auf Knopfdruck im Internet bestellen, aber für den Arbeitsplatz muss ich mich mit Zwei-Faktor-Authentifizierung anmelden? Im Handel hat sich die Personalisierung durchgesetzt, vom parfümierten Taschentuch bis zum Hochleistungslaufschuh können wir uns alles personalisieren lassen, aber den Arbeitsplatz können wir uns nicht personalisieren?

Für mich sieht das so aus, dass es bei der „New Work“ nicht um das Arbeiten oder den Arbeitsplatz geht, das sind nur Nebenschauplätze. Maßgeblich wird sein, den Menschen ihren Status als Individuen auch in ihrer Arbeitsumgebung zu erhalten und dennoch die Infrastruktur aufrecht zu erhalten beziehungsweise die Produktivität zu sichern.

Zum Autor:

Wolfgang M. Fessl ist Geschäftsführer bei Reinberg & Partner. Insgesamt verfügt er über mehr als 20 Jahre Erfahrung im nationalen und internationalen Immobiliengeschäft. Fessl ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Immobilientreuhänder (Makler), Member der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), zertifiziert nach CIS Immozert und Recognised European Valuer (REV).