Neben den enormen Preissteigerungen der Bautätigkeit, der Steigerung der Bodenpreise, Lieferkettenengpässen, der hohen Inflation und dem Ukraine-Krieg ist die Anhebung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank ein zusätzliches Erschwernis für die Branche. Denn man muss davon ausgehen, dass jetzt die Zinsen für Immobilienkredite steigen und sich dadurch der Druck auf den Wohnimmobilienmarkt, aber selbstverständlich auch auf den Gewerbeimmobilienmarkt, weiter erhöht. Bei allem Verständnis für Rufe nach „Teuerung runter“ darf nicht vergessen werden, dass niemand einen Knopf hat, auf den er nur drücken muss, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Schon gar nicht die Immobilienwirtschaft.
Der Wille ist da
Die Immobilienwirtschaft steht klar hinter der Klimapolitik und der Umrüstung des historischen Gebäudebestandes auf erneuerbare Energieträger. Derzeit scheitert dies in vielen Fällen aber mangels rechtlicher Möglichkeiten, von den Kosten gar nicht zu reden. Und eines darf man nicht vergessen: Für die Immobilienwirtschaft stellen die verbleibenden 17 Jahre bis zur postulierten Energiewende 2040 einen relativ kurzen Zeitraum dar. Was nicht in der nächsten Zeit, und damit meine ich wirklich die nächsten Monate, gesetzliche Realität wird, wird sich in der Umsetzung – auch wenn der gute Wille vorhanden ist – nicht mehr ausgehen.
Denn – auch das wird gerne verschwiegen – wenn nicht jetzt rasch der Ausbau der Stromnetze beginnt, werden alle guten Ideen, die Strom benötigen, an den mangelnden Netzkapazitäten scheitern. Wenn man sich dazu die jahrzehntelange rechtliche Auseinandersetzung in Erinnerung ruft, dann muss man Zweifel haben, dass es in Zukunft schneller gehen kann. Und dass der Fachkräftemangel die Umsetzung der Maßnahmen weiter verzögert, ist ein weiteres ungelöstes Kapitel.
Problemlösung gefragt
In Zukunft wird die energetische Ausrüstung eines Gebäudes Basis seiner Werterhaltung darstellen. Wenn diese – mangels rechtlicher Möglichkeiten – nicht umgesetzt werden kann, darf dies nicht der Immobilienwirtschaft angelastet werden. Es besteht daher die Gefahr, dass Immobilien, die bereits langfristig im Bestand sind, zu „stranded Investments“ werden. Hier sind die EU und die Nationalstaaten gefordert, sich rasch zu überlegen, wie man diese Probleme lösen kann. Auch, um nicht gegenüber Immobilien in Nicht-EU-Ländern benachteiligt zu werden.
Wir fordern daher nicht ideologisch, sondern Technologie-offen zu diskutieren. Denn wer weiß heute, was in wenigen Jahren an technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen wird?
Mit knapp zehn Prozent Anteil am BIP darf die Immobilienwirtschaft nicht als Sündenbock für steigende Kosten herangezogen werden.