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Norwegen

Von der Einwohnerzahl her gesehen das kleinste Land Skandinaviens, wenn es auch nur um knapp 300.000 Norweger weniger gibt als Finnen, ist Norwegen aufgrund seiner Öl- und Gasvorkommen die Wirtschaftsmacht in Skandinavien - mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das alle anderen um zumindest ein Drittel übertrifft.
Harry Weber

Von der Einwohnerzahl her gesehen das kleinste Land Skandinaviens, wenn es auch nur um knapp 300.000 Norweger weniger gibt als Finnen, ist Norwegen aufgrund seiner Öl- und Gasvorkommen die Wirtschaftsmacht in Skandinavien - mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das alle anderen um zumindest ein Drittel übertrifft. Eine geringe Staatsverschuldung von ca. 30 Prozent, hoch entwickelte soziale Strukturen und Netze, geringe Arbeitslosenraten und hohe Lebenserwartung zeichnen die norwegische Gesellschaft aus.

Natürlich machen sich die derzeit niederen Energiepreise am Weltmarkt in der Wirtschaftslage stark bemerkbar und zeigen spürbare Auswirkungen auf Investitionen und somit auf den Immobilienmarkt des einzigen Nicht-EU-Landes im hohen Norden Europas. Um diese Einflüsse auf die Konjunktur abzufedern, senkte die Notenbank die Zinsen, was wiederum die Immobilienpreise steigen lässt und die Gefahr mit sich bringt, die gigantische Blase am Häusermarkt weiter aufzupumpen.

Im Vergleich zum Beginn der Neunzigerjahre des letzten Jahrtausends haben sich die Preise für Reihenhäuser mehr als verfünffacht, jene von Mehrfamilienhäusern versiebenfacht. Die Schulden der privaten Haushalte steigen entsprechend auf extrem hohe Werte und haben die 200-Prozent-Grenze überschritten.

Die norwegische Krone hat zu Jahresbeginn den tiefsten Wechselkurs der letzten 20 Jahre erreicht. Zehntausende Gastarbeiter aus dem benachbarten Schweden sind in Ihre Heimat zurückgekehrt, nachdem die Ölindustrie Arbeiter entlassen hat. Die bürgerliche Regierung hat den staatlichen Öl-Fonds nun zur Deckung laufender Ausgaben angezapft und setzt wieder stärkere Akzente in der Fischwirtschaft, eine weitere Stärke Norwegens.

Tausend Milliarden Franken:

Soviel war der größte Staatsfonds der Welt zum Jahreswechsel wert. Das entspricht zirka 175.000 Euro pro Einwohner. Gespeist aus Öl- und Gaseinnahmen des siebtgrößten Öl-Exporteurs der Welt wird er durch die Norges Bank Investment Management (NBIM), die zur norwegischen Zentralbank gehört, verwaltet und von einem ihrer Angestellten, dem 53-jährigen Yngve Slyngstad geführt. Das Geld ist global angelegt, mit 1,25 Prozent aller Aktien weltweit zählt das Königreich zu den größten Investoren und Slyngstad zu den wichtigsten Fondsmanagern der Finanzwelt.

Die ethischen Vorgaben an den Fonds sind hoch. Nicht nur Politiker, Medien, Menschenrechts- und Umweltgruppen beobachten dessen Investments genau, ebenso haben eigene „Tugendwächter“ ein wachendes Auge auf die Vorgaben durch Norwegens Finanzministerium. Beteiligungen an Waffenfirmen, Tabakproduzenten, Umweltsündern oder Firmen, die in Menschenrechtsverletzungen oder Korruptionsaffären verwickelt sind, werden untersagt. Die Berater führen eine rote Liste solcher Firmen.

Investment Markt

Mit 120 Milliarden norwegischen Kronen (ca. 12,67 Milliarden Euro) zu Jahresende 2015 erreichten die Gesamtinvestitionen in Norwegen Rekordhöhe, beinahe das Doppelte des Vorjahres. Weitere Zinssenkungen der norwegischen Zentralbank aufgrund der schwächelnden Wirtschaft sowie der historisch niedere Wechselkurs der norwegischen Krone beflügelten im Vorjahr die Investitionen. Internationale Quellen repräsentieren 42 Prozent des Investitionsaufkommens. Die Aufteilung nach Sektoren ergibt 43 Prozent der Investitionen in den Büromarkt, 37 Prozent in den Retail-Bereich und jeweils 4 Prozent in den Hotel- und Logistikmarkt.

Geographisch hält Oslo mit über der Hälfte der Gesamtinvestitionen die Spitze vor Bergen, Trondheim und Stavanger, dem Sitz der Ölindustrie, wo seit dem Ölpreisverfall die Investitionen stark zurückgehen.

Office

Entschleunigung und eine geringere Anzahl an abgeschlossenen Neuvermietungen kennzeichneten den Büromarkt in Norwegen 2015. Wenige große Firmen suchten neue Büroräume, daher fanden großvolumigere Gebäude schwer Mieter. Starke Konkurrenz zwischen den Vermietern um die wenigen großen Kunden führte dazu, dass die Eigentümer begannen, ihre Gebäude mit kleineren Mietern zu füllen. Der europaweite Trend zu energieeffizienten und umweltfreundlichen Gebäuden mit geringeren Kosten für die Mieter setzt sich auch in Norwegen durch. Sie sind attraktiver sowohl für die Mieter, die Kosten sparen und leichter neue Angestellte finden, als auch für die Vermieter, die leichter langfristige Mieter finden.

Obwohl der Büromarkt während des letzten Jahres schwächer wurde, stiegen die Mieten konstant in allen Gebieten. Der durchschnittliche Mietpreis für erstklassige Lagen in Oslo lag 2015 bei ungefähr 385 Euro per Quadratmeter und Jahr. Bis zum Ende des laufenden Jahres wird ein leichter Anstieg auf bis zu 400 Euro erwartet.

Retail

Aufgrund der Gegensteuerung und Geldpolitik der norwegischen Regierung konnte - trotz sinkender Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft - der private Konsum hoch gehalten werden. Bestlagen in Norwegens Städten bleiben stark gefragt, getrieben durch eine kräftige Nachfrage seitens internationaler Ketten. Die Nachfrage konzentriert sich vor allem auf Oslos Hauptgeschäftsstraßen wie Karl Johans Gate und Nedre Slottsgate, die keinerlei Leerstände aufweisen. Die Vermietungen in den Einkaufszentren sind konstant, aber die Nachfrage internationaler Marken bleibt selektiv aufgrund Bedenken betreffend Ausführung und Geschäfte-Mix der existierenden Center.

Die durchschnittlichen Mieten in den hundert wichtigsten Einkaufszentren stiegen im Vorjahr nur um 0,58 Prozent, somit weit unter dem allgemeinen Preisanstieg, der 2 Prozent betrug. Selbst in den besten Shopping-Centern stiegen die Mieten um nicht mehr als ein Prozent, der Großteil der kleineren Zentren lag bei 0,44 Prozent. Der Grund, warum die Mieten nicht entsprechend den Konsumpreisen angehoben werden konnten, waren schlichtweg sinkende Einnahmen der eingemieteten Geschäfte durch immer beliebter werdendes Online Shopping, was zu Neuverhandlungen der Mieten und zu Abschlägen führte. Die Norweger kauften 2015 sechs Prozent online und werden auch in Zukunft weiter vermehrt über das Internet bestellen und die Geschäftsmieten unter Druck setzen. Längerfristig werden die Geschäftsflächen zurückgehen und neben sinkenden Mieteinnahmen auch die Leerstände steigen. Um diesen Tendenzen gegenzusteuern, versuchen die Center-Betreiber zu diversifizieren und vor allem die Entertainment-Bereiche, also Kinos und Gastgewerbe, in ihren Shopping-Centern zu erweitern.

Hotel

Mit unter 20 Millionen Übernachtungen und gerade einmal 60.000 Betten in den sieben größten Städten zusammen ist Norwegen nicht wirklich ein Ziel für Touristen. Im Vergleich dazu hatte Österreich laut Statistik Austria im Jahr 2014 131 Millionen Nächtigungen in ungefähr einer Million Betten. Der Sommertourismus erfreut sich stark steigender Zahlen, eine Tendenz, die sich aufgrund des derzeit günstigen Wechselkurses weiterhin verstärken sollte. Das allgemein hohe Preisniveau und das eingeschränkte, klimabedingte Angebot setzt allerdings klare Wachstumsgrenzen. Bei derzeit ungefähr fünf Millionen Gästenächtigungen im Sommer lässt sich klar ablesen, dass ein großer Teil der Übernachtungen in Norwegen auf Geschäftsreisenden beruht. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass dies in Gegenden mit schlechter Konjunktur, wie Stavanger, zu Rückgängen führt. Andererseits bringt die derzeit hohe ausländische Investitionstätigkeit vermehrt Geschäftsreisende nach Norwegen.

Die Auslastung der Hotelbetten liegt bei relativ hohen 45 Prozent (Oslo 60 Prozent) bei durchschnittlichen 900 Kronen pro vermietetem Zimmer.

Einen Aufschwung betreffend neue genehmigte und auch weitere geplante Hotelprojekte gibt es sowohl in Oslo als auch in allen anderen Regionen. Derzeit eröffnet gerade das Comfort Hotel Karl Johan im Zentrum Oslos mit 181 Zimmern, im April ein Konferenzhotel, das Quality Hotel Pond, mit 185 Zimmern in Forus (Stavanger). Für 2017 ist die Eröffnung von zwei neuen Konferenzhotels mit 300 Zimmern im Gebiet des Airports von Bergen geplant und für 2018 ein neues Scandic Hotel mit 220 Zimmern in Lillestrom in der Nähe des Bahnhofs und der Norway Trade Fair.