… der bisher interessanteste Fall?
Eine Sportstätte, die ich vergangenen Sommer bewertet habe. Insofern interessant, weil sie davor medial in den Schlagzeilen war und von diversen Magazinen als höherwertiger dargestellt wurde, als sie tatsächlich war. Spannend habe ich auch die Bewertung des Raimundtheaters gefunden.
Welcher Methode gibt man bei der Bewertung von Sonderimmobilien den Vorzug?
Primär kommt das Ertragswertverfahren zur Anwendung. Dem stellen wir dann den Substanzwert gegenüber, der meist wesentlich höher ist. Bei zum Beispiel Sportstätten ist es oft der Fall, dass die Erlöse kleiner sind als die Aufwendungen. Da kann man nur sehen, ob man beispielsweise Grundflächen abtrennen, nicht genutzte Bereiche umnutzen oder verkaufen kann.
Der Erhalt ist auch immer ein Punkt bei solchen Objekten. Eine weitere Frage ist: Gibt es überhaupt einen Markt für diese spezielle Immobilie? Bei der Immobilienbewertung versucht man ja immer, einen Markt abzubilden. Wenn es dann vielleicht nur einen potenziellen Käufer gibt, der dann auch noch vielleicht Liebhaber ist, ist das nicht so einfach.
Aber ist nicht gerade bei Spezialimmobilien diese emotionale Komponente immer mit dabei?
Ja, wahrscheinlich. Da kann man nur versuchen, sich in den potentiellen Käufer bzw. Käuferkreis hineinzuversetzen und im Gutachten durch Argumentation und schlüssige Annahmen, die man trifft, den Wert abzubilden.
Ist es bei einem engen Markt zulässig, über die Grenze, zum Beispiel nach Deutschland, zu schauen, wie sich der Markt dort verhält? Ist ein Analogieschluss zulässig?
Ich würde sagen, ja.
Worauf muss man bei der Bewertung von Sonderimmobilien besonders achten?
Die Nachnutzung ist immer ein großes Thema, weil es auch jedem potenziellen Käufer freistehen würde, dieses Objekt in anderer Form zu nützen oder umzuwidmen.
Wie sehen Sie die Situation, wenn sich potenzielle Verkäufer an Preisen aus Anzeigen orientieren?
Wenn die Wohnungseigentümer lesen, für Wohnungen in einem bestimmten Bezirk werden soundso viel Euro pro Quadratmeter bezahlt, glaubt jeder, seine Wohnung ist automatisch das wert. Das halte ich für sehr gefährlich, da das teilweise zu hohe Erwartungen schürt.
Wie reagieren diese Wohnungseigentümer, wenn sie mit einem Gutachten konfrontiert werden, das nicht den persönlichen Erwartungen entspricht?
Einer der ersten Aufträge meiner Firma war ein Privater mit einer Wohnung im 19. Bezirk. Es war zwar eine exklusive Dachgeschoßwohnung mit vielen Freiflächen und hochwertiger Ausstattung – für frühere Verhältnisse – aber einfach nicht mehr State of the Art für heutige Standards. Als ich ihn dann auf den Boden der Tatsachen zurückholen musste, war er sehr persönlich getroffen.
Private sind also die schwierigeren Kunden?
Definitiv. Unternehmen sind in solchen Angelegenheiten unkomplizierter und sehen das weitaus objektiver. Private verknüpfen meist Emotionen mit ihren Immobilien.
Werden durch auf Verkaufspreisen basierende Preisspiegel wie die jüngst von ÖVI und Roland Schmid präsentierten Daten die überzogenen Vorstellungen ein wenig korrigiert?
Ich kann mir schon vorstellen, dass der Blick dann etwas objektiver wird auf die möglichen Preise. Die emotionale Komponente wird man trotzdem nicht wegbekommen.
Wo sehen Sie die Trends in der Branche? Was sagen Sie zum Thema Proptechs?
Ich bin vorsichtig und gehe nicht mit jedem Trend mit. Digitalisierung ist dann gut, wenn sie Mehrwert realisiert. Wenn sie allerdings alles nur verkompliziert, dann habe ich keinen Mehrwert. Im Moment taste ich mich heran und durchsiebe die Programme, die gerade am Markt sind, um zu sehen, was für mich am besten passt und hilfreich ist.
Am Markt werden Programme angeboten, mit der anhand von Checklisten Laien die Daten für eine Bewertung erheben. Ziel sei, den Gutachter zu entlasten und – was wohl der primäre Zweck ist – die Kosten zu reduzieren. Die Deutsche Bank, aber auch die Bank Austria sollen derartige Programme bereits im Einsatz haben.
Ich kenne das System, auch das von der Bank Austria. Die Bank Austria arbeitet aber meines Wissens mit kompetenten Sachverständigen und Ziviltechnikern zusammen. Ich sehe es allerdings kritisch, wenn ich zur Bewertung Leute hinschicken würde, die nicht unmittelbar aus dem Fach sind. Als Experte hat man doch einen anderen Blick auf die Immobilie. Da geht es oft um eine Kleinigkeit, die gewisse Erfahrung braucht, um diese auch zu erkennen. Ich habe mich in der Nutzung von diesen Apps zu sehr eingeschränkt gefühlt. Oft sind Dinge nicht schwarz oder weiß.
Sind Gutachten länger und komplizierter geworden?
Zum Teil leider schon. Jetzt muss man sich schon gut überlegen, was man ins Gutachten schreibt und wie man es schreibt. Die Nachvollziehbarkeit ist wichtig – das war sie aber schon immer. Eine wirkliche Objektivität gibt es meiner Meinung nach ohnehin nicht. Der, der objektiv entscheidet, entscheidet auch aufgrund seiner Erfahrung. Jede Entscheidung ist subjektiv, so objektiv sie auch getroffen wurde.
Sandra Hochleitner ist allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Immobilien und arbeitet seit 15 Jahren im Bereich Projektentwicklung, Immobilienberatung und -bewertung. Seit Herbst 2013 ist Sandra Hochleitner mit ihrem Beratungsunternehmen RESH Advisory mit den Schwerpunkten Immobilienbewertung und immobilienwirtschaftliche Beratung selbständig tätig. Zu den Kunden der RESH Advisory gehören Immobilienfonds, Banken, Privatstiftungen sowie Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften und weitere Unternehmen mit Immobilienbestand.